Vintage, modern oder beides?

Test: Fender American Ultra Stratocaster & Telecaster

Anzeige
(Bild: Dieter Stork)

Abseits von möglichst authentischen Vintage Reissues scheint sich Fender nicht auf seinen Lorbeeren ausruhen zu wollen. So spendiert der US-Hersteller immer wieder mal einigen seiner Ikonen zeitgemäße Features.

Nach der American-Elite-Modellreihe vor gut fünf Jahren hat man sich selbige offenbar nochmal zur Brust genommen und präsentiert nun Strats, Teles, Jazzmasters, Precision- und Jazz-Bässe unter dem Namen American Ultra.

Anzeige

UP TO DATE

Neulich klingelten zwei Ultras an meiner Haustüre. Nein, keine Schalker oder BVBler, sondern eine Ultra Strat und eine Ultra Tele in road-tauglichen Fender Elite Cases. Da ich angesichts von Strato- und Telecaster keine Eulen nach Athen schleppen möchte, schenke ich mir grundsätzliche Konstruktionsdetails. Soviel aber dennoch: Erle-Bodies, verschraubte Ahornhälse, Palisandergriffbretter und 44 (also insgesamt) vorbildlich bearbeitete und polierte Medium-Jumbo-Bünde. Die rückseitige Ergo-Fräsung der Strat hat man noch großzügiger gestaltet, gleiches finden wir auch auf dem Rücken der Tele.

(Bild: Dieter Stork)

Keine News indes hinsichtlich der Unterarmauflage der Strat. Die weiße Deckeneinfassung der Tele verhindert eine solche Schräge, was deren vertraute Silhouette aber auch empfindlich stören würde. Das traditionelle Deckenblech hält die Klinkenbuchse der Strat, während bei der Tele ein solider, von zwei Schrauben gehaltener Zargentopf Verwendung findet. Als Gurtknöpfe dienen Fender-gelabelte Schaller Security Locks, deren Gegenstücke zum Lieferumfang zählen.

(Bild: Dieter Stork)

Während der Strat-Hals seine Tasche stramm ausfüllt, zeigt die der Tele basssaitig durchgehend 0,3 mm Spiel. In Zeiten von CNC-Fräsen darf man das durchaus kritisieren. Bereits bei der Elite-Serie hatte Fender die Zarge der Halstasche verrundet. Mit der Ultra geht man noch einen Schritt weiter und lässt diese Stelle und damit auch das Konterblech schräg abfallen, was noch freieres Bespielen der höchsten Lagen ermöglicht. Nicht nur die Kanten der Griffbretter, sondern auch die der Bünde hat man komfortabel verrundet.

(Bild: Dieter Stork)

Während große weiße Pearloid Dots die Lagen bestens sichtbar markieren, besitzen die kleinen Sidedots die gleiche Färbung wie der Ahorn und geben sich daher nur eingeschränkt zu erkennen. Nach den korpusseitig über ein Rad justierbaren Hälsen der Elite-Reihe ist Fender wieder zum Kopfplattenzugang zurückgekehrt. Die Knochensättel hat man akzeptabel gleichmäßig abgerichtet. Um das eine oder andere Zehntel ließe sich die Saitenlage hier noch optimieren. Aus optischen Gründen wurden die Kopfplattenfronten hochglanzpoliert, aus haptischen die Rückseiten wie auch die Hälse seidenmatt lackiert.

Moderne Stringtrees drücken die E1/H2-Saiten in die Sattelkerben, Fender Deluxe Locking Tuner mit kurzen Beinwellen gestatten gleichermaßen geschmeidiges wie präzises Stimmen. Das Strat-Vibrato ist ein schwebend aufgehängtes 2-Punkt Deluxe-System mit Stahlbasis, Edelstahlreitern und steckbarem Hebelarm, dessen Gängigkeit per Madenschraube justiert werden kann aber auch werden muss, da er andernfalls zu locker sitzt. Derweil kommt die Tele Strings-thru-body-gemäß mit 6 verchromten Messingreitern und randfreier Basisplatte.

S-1 Schalter

Die Pickups entstammen der inzwischen fünften Noiseless-Generation, „Ultra Noiseless Vintage“ genannt. Abhängig von ihrer Position besitzen die gestackten Doppelspuler unterschiedliche DC-Widerstandswerte. Verwaltet werden sie per Master-Volume, ein bzw. zwei Tone-Reglern und einem 3- bzw. 5-Weg-Klingenschalter. Zusätzliche Klangoptionen ermöglichen die S1-Druckschalter, die in die Master-Volume-Potis integriert wurden. Der untere Strat-Tone-Regler für Mittel- und Steg-Pickup sowie der Master-Tone der Tele besitzen die No-Load-Schaltung, die das Tonpoti bei Vollaussteuerung vollständig umgeht. Während beide Ultras bei inaktiven S1-Schaltern die gewohnten Pickup-Konstellationen bieten, bewirkt der gedrückte S-1 Folgendes:

5-Weg-Schalter Ultra Strat:

Position 1: Hals
Position 2: Hals + Mitte, parallel
Position 3: Hals + Mitte, parallel
Position 4: Hals + Mitte + Steg, parallel
Position 5: Hals + Steg, parallel

3-Weg-Schalter Tele:

Position 1: Hals
Position 2: Hals + Steg, seriell
Position 3: Steg

Aufmerksame Leser haben sicherlich erkannt, dass bei der Strat bei aktivem S-1 die Positionen 2 und 3 und bei inaktivem S-1 die Position 4 identisch sind. Somit ergeben sich insgesamt 3 identische Sounds, was zeigt, dass der S-1-Schalter das Klangangebot um gerade mal zwei Varianten erweitert.

BRUMMFREI

Über die Ergonomie der Ultra Strat gibt es nicht viel Neues zu vermelden. Während sie für hohen Tragekomfort – hier bei akzeptablem Gewicht – und bester Balance beliebt ist, punktet sie mit handlichem Halsübergang und griffig satiniertem Hals. Bei der Ultra Tele kommt noch der Rippenspoiler hinzu, der ja bei diesem Gitarrentyp eher selten anzutreffen ist. Die Compound-Radien der Griffbretter erleichtern Bendings in den oberen Lagen, die verrundeten Kanten Akkordspiel mit Daumeneinsatz, die Bünde schnelle Lagenwechsel. Fender spezifiziert die Halsprofile als „Modern D“, meiner Einschätzung nach handelt es sich jedoch um ein flaches aber ovales C.

Anyway, sie liegen entspannend in der Hand und lassen sich vorzüglich bespielen. Die Tele hat man mit den traditionellen, hier jedoch etwas raueren Dome-Knöpfen ausgestattet, während die Strat-Knöpfe von weichen geriffelten Gummiringen umgeben sind, die sicheren Grip bieten.

Als nicht sonderlich stimmstabil erweist sich indes das Vibrato, es empfiehlt sich, es bei dezenten gefühlvollen Bendings zu belassen.

Beide Ultra-Modelle geben sich beim trockenen Anspielen sehr resonanzfreudig, klar und artikuliert, die Tele erscheint im Vergleich etwas frischer und lebendiger.

Um Missverständnisse auszuräumen: Die Fender Noiseless Pickups arbeiten nicht wirklich „noiseless“. Abhängig von der Verzerrungsintensität des Amps erzeugen sie immer noch Brummgeräusche, die jedoch mit denen konventioneller Einspuler nichts zu tun haben und daher nahezu vernachlässigt werden können.

Alles im grünen Bereich also. Ach ja, zur Erinnerung: Wir haben es hier de facto mit Humbuckern zu tun, wenn auch mit gestapelten Spulen. Die Ultra Noiseless rangieren Output-mäßig im Vintage-Bereich, klanglich sowieso.

Somit bedient die American Ultra Stratocaster das gesamte Spektrum klassischer Strat-Sounds vom kehligen, vollmundigen, bluesigen Klang des Hals-Pickups über die charaktervoll näselnden Zwischenpositionen und den glockigen Draht des Mittel-PUs bis hin zum knackigen Twang des nicht übermäßig bissigen Stegeinspulers. Sämtliche Klangvarianten sprudeln kultiviert und geschmackvoll aus den Lautsprechern. Allein kräftiger Anschlag verleiht ihnen Biss und Aggressivität. Die Kombi aus Hals- und Steg- Pickup liefert die warmen Bässe des Ersten und die seidigen Höhen des Zweiten und deckt damit ein sehr breites Frequenzspektrum ab, welches sich durch extreme Offenheit und Transparenz bei geschmackvoll dosiertem Fundament auszeichnet. Das daraus resultierende „Quasi-Frequenz-Tal“ füllt der Mittel- Pickup wieder perfekt aus, wenn das komplette Trio am Start ist.

Die Verschaltung zweier oder dreier Tonabnehmer ist stets parallel, serielle Verdrahtung gibt es also nicht. Ob Clean, Crunch, More Gain oder High Gain, sämtliche Pickup-Konstellationen glänzen mit erstklassigen, charakterstarken, vor allem aber dynamischen Sounds, die jede Form von Tonbildung und das Sustain der Gitarre unterstützen.

Auch die American Ultra Telecaster fährt mit klassischen Sounds von der vollen, runden Kehle des Halseinspulers über glockig klare Klänge der Kombi bis zum Twang und packenden Biss des Steg- Pickups klanglich und pegelmäßig unverkennbar die Vintage-Schiene. Hier agiert der S1-Schalter lediglich in der Mittelposition. Welche Schaltungsvariante bleibt bei zwei Abnehmern noch übrig? Richtig, die serielle Verdrahtung der Pickup- Kombi . Was passiert? Der Gleichstromwiderstand der Kombi von 5,25 kOhm vervierfacht sich nahezu, und zwar auf 19,80 kOhm. Resultat: Der Ausgangspegel steigt sprunghaft auf Solo-Level an, erst Recht im Clean-Betrieb.

Aus dem eher grazilen glockigen Klangbild wird ein nicht weniger glockiges aber deutlich dichteres und voluminöseres. Und dass die Ultra Tele am zerrenden Verstärker auch richtig rocken kann und dabei eine ausgesprochen gute Dynamik an den Tag legt, erfüllt meine Erwartungen uneingeschränkt.

Die Regler beider Fender Ultras arbeiten gleichmäßig, präzise und sehr geschmeidig. Lediglich das Tone-Poti der Tele hakelt ein wenig, wenn es aus der No-Load- Position (10) heruntergeregelt werden soll. Ohnehin stellt sich mir die Frage nach dem Sinn und Zweck dieser Schaltung, die ja den Tone-Regler – bei der Strat den unteren – komplett aus dem Signalweg nimmt. Dreht man nämlich das Poti aus der No-Load-Position nur minimal herunter, sagen wir mal auf 9,8, hebt sich der Knopf etwa 0,5 mm an (No-Load off) und rotiert ab dann quasi in einer oberen Ebene. Der Klangunterschied zwischen Position 10 (No-Load On) und 9,8 ist tatsächlich nur marginal und kann getrost vernachlässigt werden.

RESÜMEE

Mit der American Ultra Stratocaster und Telecaster bringt Fender gewissermaßen Upgrades der Elite-Modelle in Umlauf. So wurden neue Ultra Noiseless Vintage Pickups installiert, die S-1-Schaltung modifiziert, die Halsprofile überarbeitet, der Halsübergang abgeschrägt, der Ausgangsradius des Compound-Griffbretts um 0,5″ vergrößert und die Halsjustierung wieder auf die Kopfplatte verlegt. Schwingungstechnisch und klanglich können beide Gitarren absolut überzeugen, bieten sie doch die klassischen Sounds und eine bzw. zwei zusätzliche Varianten. Verarbeitung und Finish lassen keine Wünsche offen, einzige Ausnahme ist die nicht ganz passgenaue Halstasche der Tele. Bemerkenswert ist jedoch die exzellente Bundbearbeitung. Alles in allem erweisen sich die beiden Ultras als gelungene moderne und bestens bespielbare Versionen alter Fender- Ikonen.

PLUS

  • Sounds
  • 1 bzw. 2 zusätzliche Klangvarianten
  • Schwingverhalten & Dynamik
  • Ultra Noiseless Pickups
  • gummierte griffige Reglerknöpfe (Strat)
  • Spielbarkeit
  • Verarbeitung

MINUS

  • Halsaufnahme Telecaster zeigt Spiel

(erschienen in Gitarre & Bass 12/2019) 

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.