Musiker spielen nicht nur Musik, sie hören auch gerne welche. Manchmal ist es nur ein Song, der jemanden zur Gitarre oder zum Bass greifen lässt. Und dann gibt es noch Alben die richtungsweisend sein können. Eine eigene Top-3-Liste kommt auf Zuruf jedem in den Sinn. Und manchmal sind es auch mehr…
Carl Carlton, Jahrgang 1955, zählt schon seit Langem zu den renommiertesten Gitarristen Deutschlands. Nachdem er in den Niederlanden u. a. mit Herman Brood gespielt hatte, war er dann auch mit Manfred Mann, Eric Burdon, Joe Cocker oder Willy DeVille unterwegs. In Deutschland wurde er Anfang der 80er bekannt als Gitarrist und Produzent von Udo Lindenberg, Peter Maffay, Niedecken und Westernhagen. Später arbeitete er auch mit Robert Palmer und The-Band-Drummer Levon Helm. Parallel hierzu veröffentlichten Carl Carlton And The Songdogs vier Alben.
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Außerdem erschienen die Solo-Alben ,Lights Out In Wonderland‘ und zuletzt 2017 ,Woodstock & Wonderland Live‘. Im Herbst wird Carlton mit den Songdogs in Deutschland auf „Reunion on Revolution Avenue“-Tour gehen. Hier nun erzählt der gebürtige Ostfriese über die Musikalben, die ihn maßgeblich beeinflusst haben.
„Natürlich haben einen die Rolling Stones unglaublich geprägt, und es wäre einfach zu sagen, ,Exile On Main St.‘ sei mein Lieblingsalbum. Aber ich glaube, das Album, das mich am allermeisten geprägt hat, mein Spiel, einfach alles und das ich so liebe wie meine Mark-Twain-Bücher, war ,Into The Purple Valley‘ von Ry Cooder. Das ist ein Album das mich ein Leben lang begleitet hat und das ich heute Morgen zum Aufstehen wieder gespielt habe.
Ry Cooder spielte ja damals auch schon auf wesentlichen Stones-Alben mit. Das fing so in der Zeit von dem Film ‚Performance‘ (1970) an, und den Soundtrack mit Songs wie ,Memo From Turner‘ habe ich mir als Stones-Fan natürlich gekauft. Ich hatte mich schon immer gewundert über die Slide-Gitarre und was Cooder für einen unglaublichen Sound auf der Elektrischen hatte. Als Stones-Fan wollte man ja wissen, wer ist Chuck Berry, wer ist Willie Dixon und wo kommt eigentlich dieser Ry Cooder her?
Und damals hatte ich schon in einem Interview gehört, dass Keith Richards das Open-Tuning von Cooder gelernt hatte. Dann habe ich mir 1972, obwohl es auch noch zwei andere Alben von ihm gab, dieses dann gekauft. Das habe ich wirklich auseinandergenommen, und ich habe gelernt, wie man mit Open-Tunings arbeitet, die ich seitdem sehr viel einsetze. Dieses ganze Feeling auf dem Album, dieser Groove, die Mandolinen, irgendwie kam da was zusammen aus der schwarzen Musik, aus der Singer-Songwriter-/Folk-Ecke und hatte ganz unten drin auch so ein Stones-Feeling.
Angefangen mit dem Cover, das mich angesprungen hat und das ich immer noch abgöttisch liebe, ist es das Album, das ich immer mitnehmen würde. Ich habe noch ein zweites Album aus dem Jahr, das ist ,Giant Step‘ von Taj Mahal. Aber wenn ich mich entscheiden müsste, würde ich ,Into The Purple Valley‘ mitnehmen. Ich habe so viel von dem Album gelernt – Slide, Tone, Open Tunings, Mandoline und all den Kram. Ich glaube schon, dass jemand mich da wiederfinden kann, jetzt nicht auf einer Maffay-Platte, aber in meinen eigenen Songs. Ich finde die ganze Platte gut, aber ,Money Honey‘ ist eine tolle Nummer.
Die verbindet mich auch mit Robert Palmer. Er wusste, dass ich das spielen konnte, und jedes Mal wenn wir abends zusammensaßen und wir hatten die lustigen Zigaretten dabei, sagte er: „Carl, let‘s play Money Honey!“ Hahaha.
Ein ganz wichtiges Album für mich, zu dem ich später gekommen bin – ich habe mir gerade erlaubt, es im Original im Internet zu ersteigern – ist ,The Best Of Muddy Waters‘. Fand ich auch cool, das erste Album gleich ,Best of…‘ zu nennen. Es heißt übrigens so, weil Waters vorher nur Singles gemacht hatte, die hier alle versammelt sind. Chess LP 1427, die habe ich im Original, das heute um die 370 $ Wert ist, Wahnsinn. Die Alben die Johnny Winter für Muddy Waters produziert hat, sind fantastisch und ,Hard Again‘ nehme ich als zweitbestes Muddy-Waters-Album mit. Aber auf dem ersten Album da war noch diese Unschuld. Da ist eine Tiefe und Seele drin, die hab‘ ich nie mehr irgendwo anders gehört. Da stehe ich zu, beim Grabe meiner Eltern.
Ich habe auch ,Chuck Berry Is On Top‘ und Chucks ,One Dozen Berrys‘, im Original mit den unfassbar schönen Covern, hahaha. Das erste ist die Lieblingsplatte meiner Enkeltochter, wegen des Eis-Coupes mit Erdbeeren drauf. Die beiden Alben sind gleich gut. Nach meiner ersten Begegnung mit Hermann Brood ging mir die Kohle aus und ich hab dann bei Long Tall Ernie & The Shakers gespielt. Das war so ein bisschen eine Kommerz-Rock-&-Roll-Band, aber mit einem echten Herzen.
Da war ich der Benjamin in der Band, und ich hatte eigentlich überhaupt keinen Bock auf das, was die machten. Ich wollte in Richtung Little Feat gehen. Die spielten jedoch diesen ganzen basic Rock-&-Roll-Kram und das richtig gut. Ich war 1976 mit denen auf Europa-Tournee und spielte nur die alten Standards von Little Richard, Chuck Berry, Gene Vincent und anderen. Und im Nachhinein wurde mir bewusst, dass das eine enorm gute Schule war, denn der Sänger und der Gitarrist guckten mir immer auf die Finger. Die wollten, dass ich möglichst nah dran war an dem Sound und den Songs.
Das war ja das ABC des Rock & Roll. Freiwillig hätte ich das nicht gemacht. Ry Cooder, Muddy Waters und Chuck Berry, das war so die Bibel. Und dann kamen natürlich die nächsten wichtigen Alben wie von The Band ,Music From Big Pink‘ (1968) und das braune Album (,The Band‘,1969) sowie, ,Exile On Main St.‘ (1972), die einen sehr geprägt haben.“