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Repair Talk: Custom Projekt Traumgitarre – Teil 5

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Abb.1: Zusammengesetzt und besaitet – die Projektgitarre zeigt ihre Maße.

kleiner winkel mit großer wirkung

Man kann zwar noch nicht wirklich behaupten, dass das Projekt Custom-Gitarre auf der Zielgeraden sei, aber es nimmt doch schon konkrete Formen an. Es wurde ein Aufmaß gemacht, der Hals wurde verschraubt und die maßgebliche Hardware montiert. Bevor jetzt durch eine häufig einsetzende „Projekt-Eigendynamik“ etwas überhastet dem Endprodukt entgegengeeifert wird, beugt eine Zwischenkontrolle der erzielten Resultate späterem Frust vor.

Schon im Vorfeld wurde sehr sorgfältig geprüft, ob Hals und Korpus zusammen ein gutes Team bilden und die Kreation ein spieltaugliches Instrument zulässt. Nun ist das nicht meine erste Partscaster die ich zusammensetze und daher weiß ich nur zu gut, dass Vorsicht besser als Nachsicht ist. Im Bereich Gitarrenbau ist kaum etwas frustrierender als wenn ein kurz vor der Vollendung stehendes Projekt zum großen Teil wieder zerlegt werden muss, nur weil gegebene Parameter die gesetzte Zielvorgabe nicht hergeben. Aus der Erfahrung heraus weiß ich, dass das komplette System „Gitarre“ erst unter Saitenzug klar zu erkennen gibt, ob das vorab Gemessene und Geprüfte dann auch in der Realität wirklich eintrifft.

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mit zug zur klarheit

Zum Schaffen klarer Fakten werden daher Hals und Korpus wieder miteinander verschraubt. Anschließend krame ich einen billigen Satz Saiten aus der Restekiste und besaite das Projekt (Abb. 1). Ziel ist es, so nah wie möglich an die Situation einer spielfertigen Gitarre heranzukommen. Nur wenige Hälse werden in dieser Phase bereits mit einem optimal gefeilten Sattel ausgestattet sein.

Der verwendete Fender-Hals ist mit einem vorgekerbten Sattel versehen. Die vorgekerbten Nuten liefern ein brauchbares Stringspacing, jedoch ist die Nuttiefe (Saitenhöhe) noch nicht optimal. Hier hilft ein Kapodaster am ersten Bund (Abb. 2/links), den Versuchsaufbau in Richtung gesuchter Bespielbarkeit zu lenken. Ich stimme die Gitarre, prüfe den Halsdurchhang und stelle am Steg die gewünschte Saitenlage ein (Abb. 2/rechts).

Abb.2: Kapo und Vibrato simulieren die Grundeinstellung

Der Projektaufbau verlässt jetzt das Stadium des reinen Zusammensetzens von Bauteilen und geht nahtlos in den Bereich des Finetunings/Gitarre einstellen über. Daher ist es ratsam und von großer Hilfe, wenn das Wissen aus vorangegangenen Repair Talks zum Thema Finetuning (Neubundierung etc.) präsent ist und angewendet wird. Ohne das Wissen um die Zusammenhänge des Finetunings bleibt ein angegangenes Custom-Projekt häufig lediglich ein gitarrenähnlicher Mix aus hochwertigen Bauteilen, der aber bei Weitem nicht das liefert, was in ihm steckt.

ausgereizter einstellbereich

Bei einem brauchbar eingestellten Halsdurchhang lässt sich an den mittlerweile ausgereizten Madenschrauben der Saitenreiter lediglich eine Saitenlage von knapp über 1 mm einstellen (Abb. 3). Das ist für viele Gitarrenspieler eine zu flache Saitenlage, die einen zu hohen Schepperanteil mit sich bringt. Mehr Halskrümmung würde die Saitenlage erhöhen. Der versierte Gitarrentuner weiß aber, dass ein zu durchgebogener Hals zu Problemen in Punkto Bespielbarkeit führen kann und erkennt, dass die Problematik eine andere ist.

Abb.3: Etwas wenig „Luft“ – ein bisschen mehr Spielraum wäre gut.

Es ist der Halswinkel, der bei der Projektgitarre noch nicht so ganz mitarbeiten will. Die Abb. 4 veranschaulicht die Zusammenhänge. Der Winkel, in dem der Hals (und damit die Saiten) zur Flucht des Korpus‘ verläuft, ist entscheidend für die notwendige „Aufbauhöhe“.

Abb.4: Zusammenspiel zwischen Halswinkel und Aufbauhöhe

Ist zum Beispiel auf der Gitarre ein hoher Aufbau verbaut (etwa Bigsby, Floyd Rose, bzw. ein freistehendes nicht aufliegendes Vibratosystem) wird bei einer standard Flattop Konstruktion à la Tele oder Strat in den allermeisten Fällen ein kleiner Keil (Abb. 5/unten) – häufig auch „Shim“ genannt – den Hals in den notwendigen Winkel bringen. Alternativ arbeiten einige Hersteller mit einer verstellbaren Halsbefestigung (Abb. 5/oben), die durch eine integrierte Madenschraube ein akkurates Einstellen des Halswinkels ohne viel Herumexperimentieren ermöglicht.

Abb.5: Einstellmöglichkeiten des Halswinkels

Am Besten prägt man sich die Abb. 4 ein und speichert sie als Hintergrundinfo ab, da die dargestellten Zusammenhänge wichtig für eine gut funktionierende Gitarre sind. So erkennt man, dass ein Anwinkeln des Halses wesentlich mehr Einfluss auf die Aufbauhöhe hat als ein paralleles ganzflächiges Unterfüttern des Halses mit zum Beispiel Furnier oder Pappe (ein no-go, das trotzdem immer wieder vorkommt).

Weiter gedacht erkennt man, dass die Problematik beim Projekt darin besteht, dass der etwas zu große Winkel des Halses gegenüber dem Body eine zu hohe Aufbauhöhe vorgibt. Könnte man den Hals flacher (in einem kleineren Winkel) zum Body führen, müsste der Aufbau bei vorgegebener Saitenlage nicht mehr so hoch sein und der Einstellbereich der Reiter mit seinen Madenschrauben wäre ausreichend.

störender winkel

Die Aufgabe besteht also darin, den Halswinkel leicht zu reduzieren. Häufig ist dies schon durch ein „Aufräumen“ in der Halstasche möglich. Lackreste oder Fräsrückstände im hinteren Bereich der Halstasche wirken schnell wie ein kleiner Keil (Abb. 4/unten) und geben dem Hals einen ungewollten Winkel. Die umgehend eingeleitete Überprüfung der Halstasche ergab jedoch keinen Ansatz, den Winkel zu beeinflussen – alles plan und sauber (Abb. 6).

Abb 6: Da ist nichts zu holen – saubere Halstasche

Auf der Suche nach einer schnellen Lösung könnte man natürlich den kleinen Keil aus Abb. 4/unten in den vorderen Teil der Halstasche schieben. Der so erzielte Halswinkel würde einen sehr flachen Aufbau notwendig machen. Und in der Tat würde ein flacher Furnierstreifen (ca. 0,3 mm) im vorderen Bereich der Halstasche beim Projekt die Problematik in Punkto Aufbauhöhe lösen, Kann man machen – es geht aber häufig auch eleganter, also ohne Unterfüttern, sodass der Hals plan und ganzflächig in der Tasche aufliegt.

weg mit der nase

Bei dem Customprojekt kommt ein hochglänzender Ahornhals zum Einsatz. Es liegt in der Natur der Hochglanzoberfläche, dass der Lackaufbau meistens etwas dicker als zum Beispiel bei einer Mattierung ist. Bei genauer Begutachtung ist eine leichte Lacknase/Lackwulst am äußersten Ende des Halsansatzes auszumachen (Abb. 7).

Abb.7: Wirkt wie ein kleiner Keil – Lacknase am Halsende

Diese wirkt wie ein kleiner Keil und verpasst dem Hals so einen Winkel. Abb. 4 zugrunde legend würde ein Wegoperieren der Lacknase den Halswinkel flacher machen. Gedacht, hergeleitet, getan! Mit der Feile entferne ich vorsichtig in mehreren Arbeitsschritten etwas Lack (Abb. 8).

Abb.8: Die Lacknase wird entfernt

Es reicht, wenige Zehntel Millimeter wegzunehmen. Damit das Plateau möglichst plan bleibt, überprüfe ich die Arbeit fortlaufend mit einem Lineal (Abb. 9).

Abb. 9: Damit der Hals plan aufliegt, wird der Halsansatz überprüft.

Damit nicht der sichtbare Teil des Plateaus versehentlich mitbearbeitet wird, beschränkt ein Streifen Klebeband den Arbeitsbereich. Abschließend mit Schleifpapier die Fläche plan ausarbeiten und das Plateau hat seinen Winkel verändert (Abb. 10). Wie wenig entfernt wurde, zeigt der noch vorhandene Firmenstempel.

Abb. 10: Nase weg – der Halswinkel ist optimiert.

Ob dieser Eingriff ausreichend war, um Saitenlage und Aufbauhöhe aufeinander abzustimmen, zeigt ohne große Umwege ein erneuter „Realitäts-Check“. Also Hals fixieren, Saiten auf Zug bringen, Grundeinstellung prüfen und: bei gleichen Vorgaben ist die Saitenlage nun bei ca. 2 mm (Abb. 11).

Abb. 11: Gut 2 mm – damit kann man arbeiten.

Mission erfüllt. So ist der Einstellbereich an den Saitenreitern groß genug, um auch unterschiedliche Geschmäcker in Sachen Saitenlage bedienen zu können.

Ich hoffe, dem einen oder anderen Gitarrentuner die Problematik des Halswinkels etwas näher gebracht zu haben. Mit Unterfüttern oder Wegnehmen lässt sich auf die gezeigte Weise so manches Projekt in die Spur bringen. Die Projektgitarre zeigt auch sehr gut, dass es sich lohnt, Zwischenergebnisse immer mal wieder zu kontrollieren. Das nimmt dann zwar etwas Zug aus dem Projekt, beugt aber späteren, dann häufig groben Erste-Hilfe-Maßnahmen vor.

Durch die aufgezogenen Saiten ist zu erkennen das die Custom-Gitarre in Punkto Saitenlage und Saitenverlauf (in Bezug zu den Griffbrettkanten) die Zielvorgaben nun liefern wird. Nach dem erfolgreichen Meistern dieser Zwischenetappe kann es daher im nächsten Repair Talk beruhigt mit der Montage der Hardware weitergehen.

Bis dahin, Der Doc

(erschienen in Gitarre & Bass 07/2019)

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