Wie versprochen möchte ich in dieser Folge zwei PAF-Repliken mit ganz unterschiedlichen Ansätzen vorstellen. Welche klanglichen Parameter dabei eine Rolle spielen, hatte ich in der letzten Folge ausführlich besprochen. Natürlich sind dies nicht die einzigen guten PAF-Versionen. Sie stehen eher stellvertretend für die verschiedenen Charaktereigenschaften, die sich auch bei alten PAF-Pickups aus den „magischen“ Jahren von 1957 bis etwa 1965 finden lassen. Die Ansätze der Hersteller könnten dabei nicht unterschiedlicher sein. Und dennoch gelingen beiden ganz überzeugende Ergebnisse.
Als Vorbild dienten mir meine eigenen PAF-Pickups, die in einer Gibson Collectors Choice samt VIP-Potis und 50s-Sprague-Bumblebee-Ton-Kondensatoren verbaut sind. Außerdem eine 1957er-Les-Paul-Standard aus der Sammlung eines guten Freundes. Die Pickups dieser Gitarre gehören für mich zu den besten PAFs, die ich jemals gehört habe und klingen meiner Meinung nach noch vollendeter als meine eigenen.
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Herausragend ist dabei jeweils die Mischung aus Transparenz und Klarheit sowie dieser „alten“ Wärme, sonoren Bass-Qualität und im positiven Sinne schmatzigen Kompression. All diese Eigenschaften zu vereinen, schaffen nur die wenigsten Repliken.
Eine davon stammt aus dem Hause Throbak (USA). Firmengründer Jon Gundry forscht seit jeher an den exakten Zutaten der berühmten Vorbilder. Dabei versucht er, möglichst kein noch so winziges Detail außer Acht zu lassen. Er lässt den Spulendraht nach exakten Vorgaben herstellen, die Bodenplatte, sämtliche Metalllegierungen bis hin zum geringen Karbon-Gehalt der Polepiece-Schrauben.
In den letzten Jahren widmete er sich vor allem der Untersuchung der historischen Magnetmaterialien und verkündet dabei jährlich neue Erfolge. Die Spulen werden auf restaurierten Leesona 102 oder Slug 101 Maschinen gewickelt. Das sind exakt die gleichen Maschinen, die Gibson in den Fünfzigerjahren einsetzte. Gundry gibt an, dass es von diesen Maschinen weltweit derzeit nur noch drei Exemplare gibt, die noch funktionieren.
Liest man sich in seine Zutaten-Formeln tiefer ein, empören sich vermutlich einige Leser über die scheinbar sture Akribie, mit der er versucht, das Original so genau wie möglich nachzubilden. Es verwundert daher auch kaum, dass der Throbak SLE-101 MXV auch optisch von einem alten PAF praktisch nicht mehr zu unterscheiden ist. Hier scheint wirklich alles zu stimmen. Ist das nun gutgläubiger Voodoo-Zauber oder echte Forscher-Kunst?
Immerhin hat so viel Mut zur Exaktheit auch seinen Preis. Das Throbak-Set kostet bei ProGuitar in Deutschland samt Kappen stolze € 649. Da muss man sich als Käufer schon ganz sicher sein, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Das Set kommt mit zwei rough-cast-Alnico-2-Magneten mit Gleichstromwiderständen von etwa 7,6 kOhm für den Front-Pickup und 8,1 kOhm für die Bridge-Version. Damit liegen sie etwa im Mittel zahlreicher PAF-Originale.
Neben diesem Set gibt es bei Throbak mittlerweile zahlreiche Variationen, um eventuell allen möglichen PAF-Versionen gerecht zu werden. Da gibt es Sets mit unterschiedlichen Widerständen für Neck und Bridge, verschiedenen Magnet-Typen und schließlich Sets, deren Draht mit anderen Wickelmaschinen aufgezogen wurde. Ob das einem Käufer bei der Auswahl hilft, sei mal dahingestellt.
Ich selbst gehöre jedenfalls zu den Musikern, denen eine solche Auswahl letztlich den Weg zum Ziel versperrt. Interessiert man sich näher für all diese Abstufungen, die der Hersteller anbietet, kauft man am Ende gar keines, denn man könnte angesichts des hohen Preises ja auch leicht das falsche Set erwerben. Und die Möglichkeit, alle Sets mal schnell im direkten Vergleich anzuhören, hat man halt nicht.
Daher habe ich zum Test auch nur das SLE101-Set besorgt, denn es kommt mit den gleichen Spezifikationen wie mein eigenes Set. In meinem Original-Set haben beide Pickups einen Gleichstromwiderstand von 7,5 kOhm, das ist der einzige Unterschied.
Einen ganz anderen Ansatz verfolgt Sebastian Grünberg, der sich als Wissenschaftler und Wahlamerikaner in der Nähe von Boston niedergelassen hat. Auch sein Steckenpferd ist die Material-Analyse auf der Suche nach dem authentischen PAF-Sound. Ihm kommt es jedoch weit weniger darauf an, alle historisch korrekten Parts wieder zusammenzufügen, sondern einfach „nur“ den einmaligen Sound dieser Pickups nachzustellen.
Sein Statement nennt er schlicht ‚Lovers-Set‘, und vernünftigerweise hat er jüngst die Herstellung weiterer Versionen dieses Sets wieder eingestellt. Auf sein Konto geht übrigens auch die Entwicklung der VIP-500K-Potis, die ich zwei Folgen zuvor hier besprochen habe. Denn immerhin ist auch Grünberg davon überzeugt, dass sich ein PAF-Sound nur unter der Verwendung der passenden Potentiometer erreichen lässt.
Ganz nach dem Motto, am Ende zähle schließlich nur das Ergebnis, spart er sich seitenlange Beschreibungen über seine Zutaten und Wickelmaschinen. Das Vintage Inspired Pickup-Set (VIP) mit dem wunderschönen Namen ‚Lovers‘ ist sein PAF-Statement und kostet erfreulicherweise nur € 249.
Lassen wir nun beide Probanden gegen die Originale antreten. Dazu habe ich einige Les Pauls präparieren müssen, und schließlich auch die Test-Pickups in den jeweils gleichen Gitarren angehört.
Beginnen wir auch hier wieder mit den Throbaks. Beim ersten Test könnte man sagen, dass Gundrys Formel voll aufgeht. Kurzum: Das SLE 101-Set ist zumindest von meinen eigenen PAF-Pickups nicht zu unterscheiden. Auch wenn ich schon mal die Kritik ertragen muss, dass ich das Gras wachsen oder Flöhe husten hören möchte, herrschte hier buchstäblich Schweigen. Es gab einfach keinen Unterschied. Gundry gelingt es praktisch, durch seinen erheblichen Aufwand und Beachtung sämtlicher Bauteilparameter einen PAF-Pickup in der Gegenwart wieder aufleben zu lassen.
Zwar unterscheidet sich sein Set im Wesentlichen kaum von guten Exemplaren anderer Hersteller, etwa von Amber, Kloppmann, Seymour Duncan oder WCR, doch ihm gelingt zusätzlich noch die Wiederherstellung eines ganz bestimmten Parameters, dass ich bisher von keinem anderen neuen Pickup gehört habe. Seine Pickups haben noch diesen rauen und rauchigen Unterton, der jedem guten Vintage PAF innewohnt.
Salopp könnte man diese Eigenschaft als Klangcharakter bezeichnen, der kaum in Worten beschreibbar bei jedem Test alter PAFs mitspielt. Dabei bleibt jedoch die komplette Durchsichtigkeit und Klarheit dieser PAF-Typen erhalten. Und das ist eine enorme Leistung, denn eigentlich sollten sich solche Eigenschaften ausschließen. Genau aus diesem Grund bewegen sich auch die Qualitäten alter PAFs stets auf einem schmalen Grat. Ohne diese „alte“ verhangene Rauchigkeit klingen die Pickups zu flach und wenig inspirierend, wird der Ton zu rau, verlieren sie nicht selten ihre Durchsetzungskraft und Trennschärfe. Besonders der Frontpickup ist hier gefährdet, der in manchen alten Gibsons leider zu dumpf und zu matschig klingt.
Nur die alten 57er-Pickups sind noch klarer und besitzen eine etwas größere Strahlkraft als die Throbaks. Aber das kann ja auch etwas mit diesem offenbar einzigartigen Baujahr oder spezifischen Bauteil-Toleranzen zu tun haben. Sie tönen nicht ganz so warm wie die Throbaks und bieten Sounds, die schon manchmal an eine fett klingende Blackguard-Telecaster erinnern.
Hier kommt nun das Lovers-Set von Sebastian Grünberg ins Spiel. Klanglich liegt es näher an den 57er-Original-Pickups. Da sie mit sehr geringen Gleichstromwiderständen (6,5 und 6,9 kOhm) auskommen, ohne jedoch wirklich leiser als ihre Konkurrenten zu sein, gelingt eine enorme Trennschärfe bei der Wiedergabe. Auch bei starker Verzerrung bleiben alle sechs Saiten mühelos ortbar.
Höhen und Bässe stehen dabei in exakt dem gleichen Balance-Verhältnis wie bei den alten Vorbildern. Das heißt, die Höhen sind prominent, aber niemals harsch oder unangenehm. Die Bässe bleiben konturiert und knackig. Und in diesen Eigenschaften übertreffen diese Pickups sogar die alten PAF-Legenden. Die klangliche Textur ist die gleiche, aber die Ausprägung bestimmter Vorzüge können diese Pickups sogar noch besser. Ein gewaltiger Schachzug, denn es ergab sich, dass Besucher in meiner Werkstatt bei Blindtests allesamt die Lovers-Humbucker eigentlich für die alten PAFs hielten und daher deren Sound den deutlichen Vorzug bescheinigten.
Sind sie also besser als das Original? Für manche Testhörer war es eindeutig der Fall. Ungläubig schleppten meine Kunden alle möglichen Pickups zum Vergleich an. Aber letztlich hielten die Lovers jedem Vergleich stand. Sie klingen nicht exakt wie ein alter PAF. So viel sei festgehalten. Was ihnen beispielsweise fehlt, ist diese rauchige Vintage-Anmut, diese manchmal kratzig, unscharfe Verschmiertheit, die den Charme so vieler PAFs ausmacht. Dafür scheinen sie die Vorbilder in einigen anderen Parametern noch spielend zu übertreffen.
Gerade die beinahe unumstößliche Klarheit, egal, welchen Overdrive man benutzt, überzeugte die Tester. Wie eine Lupe scheinen sie die spielerischen Nuancen des Musikers herausarbeiten zu wollen. Daher entwickelten sich diese Pickups in kürzester Zeit zum Geheimtipp in meinen Räumen.
Insgesamt zwei sensationelle Produkte, die Musiker ruhig schlafen lassen, weil man sich meiner Meinung nach die € 5.000 – € 10.000 für ein Vintage-PAF-Pärchen in Zukunft zumindest aus der Perspektive der Klangliebhaber getrost sparen kann. Bis zum nächsten Mal!