Gunslinger

Interview: Vintage Trouble & Nalle Colt

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(Bild: Universal Ben Wolf)

Manche finden, er habe den verdammt coolsten Namen für einen Gitarristen. Andere halten ihn für einen der vielseitigsten Sidemen. Unbestritten ist: Der sympathische Schwede hat extrem geschmackvolle Sounds und souveräne Ansichten zum Thema Equipment.

Kaum eine Band wird derzeit heißer gehandelt als Vintage Trouble. Der Name verpflichtet: Das kalifornische Quartett zaubert verdammt lässige, authentische Sounds und verbeugt sich damit vor Otis Redding, den Faces und den Rolling Stones. Gitarrist Nalle Colt, Studiogitarrist mit Wahlheimat L.A., überzeugt dabei mit klassischen Komponenten und einer Menge Geschmack.

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Interview

Nalle, zu deinem Standard-Equipment gehört eine Gretsch Duo Jet, eine Fender Telecaster, sowie verschiedene Les Pauls. Du bist ziemlich bekennend „old school“.

Genau. Als diese Klassiker auf den Markt kamen, haben die Hersteller den Nagel auf den Kopf getroffen. Klar, heute gibt es viele Boutique-Builder, die eine Menge cooler Details geschaffen, Neuerungen eingeführt oder Instrumente optimiert haben. Aber sie haben das Rad nicht neu erfunden.

Die Klassiker haben etwas, das man einfach nicht toppen kann. In 50 Jahren wird man immer noch Gibson-, Fender- und Gretsch-Gitarren spielen. Da bin ich mir absolut sicher.

Deine beiden Les Pauls sind 59er-V.O.S.-Reissues von 2005. Deine Hauptgitarre hat eine kleine „Vintage Trouble“-Münze auf der Decke und 59er-PAF-Pickups von Crazyparts.

Richtig. Die Pickups klingen großartig. Sie haben einen eigenen Charakter, nicht zu viel Output und eine gute Mittenausprägung. Sie sind perfekt für die Amps, die ich spiele. Ich stehe ja nicht auf einen Heavy-Metal-Ton, sondern auf einen klassischen Rock-Sound, besonders wenn du die Lautstärke am Instrument zurückdrehst und der Sound cleaner wird.

Wie viele Pickup-Sets hast du angetestet?

Viel zu viele! Du probierst ein Set, spielst es, beginnst dich irgendwann zu langweilen, probierst das nächste Set und denkst: Das klingt ja viel besser! Und sechs Monate später bist du wieder am gleichen Punkt! (lacht) Es gibt aber auch wirklich viele tolle Pickup-Hersteller! Auf meiner anderen Les Paul habe ich ein Set PAFs von Monty, das ist auch großartig. Pickups sind außerdem relativ erschwinglich, deswegen würde ich es jedem Gitarristen empfehlen, ein paar anzutesten auf der Suche nach dem perfekten Ton.

Den man sozusagen durch das Fine-Tuning des Instruments erreicht?

Machen wir uns nichts vor: Eine Les Paul ist eine großartige Gitarre. Aber sie kommt eben aus der Fabrik und du musst sie zu deinem persönlichen Instrument machen. Du musst sie nach deinen individuellen Bedürfnissen gestalten.

2005 Gibson Les Paul Standard V.O.S. 59 Reissue mit „Vintage Trouble Coin“ auf der Decke, Nalles „#1“
2005 Gibson Les Paul Standard V.O.S. 59 Reissue, Nalles „#2“
Gibson Custom Shop Les Paul Standard ´54 Black mit Wraparound-Bridge für Slide.

Haben sich deine beiden Les Pauls durch intensives Touren klanglich entwickelt?

Sicher. Es ist wichtig eine Gitarre regelmäßig zu spielen. Man hört es. Manchmal kaufst du deine Gitarre und findest sie richtig gut, so wie meine #2. Ich habe sie erst nicht so viel gespielt. Als ich sie dann doch oft im Studio eingesetzt hatte, fand ich, dass aus einer guten Gitarre eine großartige Gitarre geworden war! Vielleicht habe ich mich auch nur wieder an sie gewöhnt! (lacht) Sie hat etwas Eigenes, einen echten Charakter, sie kann inzwischen regelrecht singen! Wenn ich einen Gitarrenkoffer aufmache, in den ich lange nicht mehr reingeguckt habe und mir die Gitarre schnappe, habe ich oft das Gefühl, dass sie nicht klingt. Erst nach einer Weile, wenn sie sich an den Raum gewöhnt hat, an die Luftfeuchtigkeit und wieder gespielt wird, entwickelt sie sich. Gitarren sollten eben gespielt und nicht gesammelt werden.

Und dann hast du noch eine Fender Custom Shop Telecaster, die du gerne im Studio spielst.

Vor meiner Zeit bei Vintage Trouble habe ich viel Telecaster und Stratocaster gespielt. Ich habe lange Zeit nicht geglaubt, dass ich mal eine Les Paul anfassen würde! (lacht) Aber als wir diese Band ins Leben riefen, passte eine Les Paul im Band-Gefüge einfach besser. In dieser Band brauche ich einen etwas fetteren Sound und habe auch keinen Bock auf das Brummen von Singlecoils. Eines Tages lud uns Fender zu einer Studio-Session in Los Angeles ein. Und die Jungs meinten: Nalle, du willst jetzt hier bei uns nicht wirklich eine Gibson spielen, oder? (lacht) Also gaben sie mir eine Custom Shop Telecaster, die wirklich fantastisch klang. Ich wollte die Gitarre kaufen, aber sie meinten, sie sei für Jeff Beck reserviert. Ich habe dann ein paar Telefonate geführt, mich schlau gemacht, Fender zurückgerufen und gesagt: Jungs, das scheint nicht ganz zu stimmen! Ich möchte gerne diese Gitarre kaufen! Ich bekam sie und sie ist wirklich klasse! Ich nehme super gerne damit auf, denn wenn du mal einen Sound doppeln willst, ergänzen sich Les Paul und Telecaster perfekt. Der Mix beider Instrumente ergibt einen großen, genialen Gitarren-Sound.

Lazy J 20 (Bild: Woldach)

Du spielst sie über Lazy-J-20-Combos von Jesse Hoff, einem Boutique Builder, der sich auf Tweed-Amps spezialisiert hat. Was ist das Besondere an diesen Amps?

Sie klingen geil! (lacht) Sie haben genau die Ansprache, die man sich als Gitarrist wünscht.eder Gitarrist hat einen Lieblingston, nach dem er sucht. Ich wollte einen Amp, der verzerrt gut klingt, aber auch deutlich cleaner wird, wenn ich die Lautstärke zurücknehme. Und diese Lazy-Js sind sehr, sehr laut! (lacht) Ich habe Jesse Hoff damals kontaktiert, nachdem wir bei Jools Holland gespielt hatten. Wir bekamen gemietetes Equipment und ich hatte einen Fender-Amp – sorry Fender – aber der klang echt richtig mies! Ich erzählte Jesse davon und er schickte mir einen seiner Combos. Inzwischen habe ich sechs Stück! (lacht) Sie klingen gut und sind zuverlässig. Ich habe noch nie Probleme mit ihnen gehabt. Manchmal fangen Röhren-Amps ja nach zwei Stunden auf der Bühne an zu zicken, aber die Lazy-Js bleiben konstant.

Nalles Amp-Setting (Bild: Woldach)

Du benutzt, wie schon Stevie Ray Vaughan, auch gerne ein Fender Vibratone Leslie Speaker Cabinet aus den 60ern.

Ja, ich habe inzwischen fünf Stück davon! Ich kaufe sie, wann immer ich einen entdecke. Die sind halt super rar. Inzwischen bekomme ich sogar Angebote, weil die Vintage-Dealer mitgekriegt haben, dass ich die gerne benutze. Okay, diesmal haben wir einen Keyboarder mit auf Tour, der diese Hammond-B-3-Leslie-Sounds selbst einsetzt, deswegen habe ich keinen dabei. Aber ich kann nur jedem Gitarristen empfehlen: Wenn ihr noch nie über ein Leslie gespielt habt, probiert es aus, wenn ihr könnt! Es macht süchtig! Es macht euren Sound breit und cool!

Was sind sonst die wichtigsten Komponenten deines Effektboards?

Als Overdrive habe ich einen Lazy J Crusier, der gibt dir eine unglaubliche Tonvielfalt. Daneben habe ich noch meinen alten Zendrive, der einen dicken, gleichmäßigen Lead-Sound liefert. Ich habe mir ein, zwei neuere gekauft, aber keiner klingt so wie mein alter. Dann habe ich noch einen Boss MD-500 Modulations-Effekt, ein Boss DD-500 Delay, das Boss VF-500H Volume-Pedal, sowie deren Switching-Loop-System ES-8, das klingt sauber und funktioniert wunderbar. Alle Komponenten sind einfach zu bedienen, stabil und zuverlässig. Dann habe ich einen neuen Lieblingseffekt, den Cali76 von Origin Effects, ein echt cooler Kompressor. Ich stand bisher nicht auf Kompressoren, aber der Cali76 ist eine Kopie des legendären Studiokompressors 1176 FET. Der ist wirklich cool und macht deinen Ton richtig schön fett. Der läuft bei mir konstant durch und ist vor alle Effekte geschaltet.

Effektboard (v.l.n.r.): Boss MD-550 Modulation, Boss DD-500 Delay, Zendrive Overdrive, tc electronic Polytune, Lazy J Cruiser, Voodoo Lab Proctavia, Boss ES-8 Loop-Switcher, Origin Effects Cali76, Malekko Analog Tremolo, Boss VF-500H Volume-Pedal (Bild: Woldach)

Ein weiterer wichtiger Aspekt deines Sounds ist der Volume-Regler deiner Gitarre. Du nimmst gerne die Lautstärke an deinen Gibsons zurück und erreichst so bemerkenswert schlanke Sounds wie man sie von Les Pauls kaum erwarten würde.

Richtig. Früher hatten wir alle Regler auf „10“, richtig? (lacht) Wenn ich heute meinen Bühnen-Sound an der Gitarre einstelle, stelle ich den Toggle-Switch auf Mittelstellung und arbeite mit den Volume-Reglern, bis der Ton der Gitarre für meine Ohren stimmt. Aus der Mittelposition und den Volume- und Tone-Reglern kannst du alle möglichen geilen Sounds herausholen. Mitunter eben auch fast einen Fender-Ton wie von einer Telecaster. Wenn ich dann während der Show für ein Solo auf den Bridge-Pickup umschalte, weiß ich, dass der Sound sich durchsetzt. Aber das verlangt eine Menge Übung und Erfahrung. Also: Hört immer wieder euren Sound ab. Benutzt eure Ohren! Achtet beim Soundcheck darauf und verwendet lieber ein paar Minuten extra darauf.

Was hat sich an deinem Setup noch geändert?

Ich spiele inzwischen dünnere Saiten. Ich habe früher sehr dicke Saiten verwendet, stand auf die Philosophie von Stevie Ray Vaughan: dicke Saiten, fetter Sound! Aber vor zwei Jahren habe ich mir die linke Hand gebrochen und lange gebraucht, um wieder in Form zu kommen. Heute spiele ich .009er-Saiten und musste lernen, damit umzugehen. Das hat mir Angus Young gezeigt, als wir mit AC/DC unterwegs waren. Angus spielt unfassbar dünne Saiten und seine Gitarre reagiert total sensibel auf jeden minimalen Input. Angus ist zwar sehr laut, aber er spielt fast ohne Kraft. Dadurch kann er total dynamisch sein. Es erfordert eine Menge Übung, so leicht anzuschlagen. Aber wenn du das beherrschst, kannst du damit eine Menge aus deinem Instrument herausholen.

Du bist auch wählerisch, was deine Kabel angeht.

Die Leute vergessen gerne, wie wichtig Kabel in der Signalkette sind. Für mich sind Mogamis die beste Wahl. Sicher gibt es auch andere gute Firmen, aber manche Kabel bringen – zumindest nach meinem Geschmack – ein bisschen viel Höhen mit. Die Mogamis dagegen bilden die Mitten hervorragend ab und ihr Signal ist klar. Vor allem aber haben sie eine sehr gute Haltbarkeit. Ich habe Kabel, die bestimmt schon acht Jahre in Gebrauch sind. Wenn ihr also gerade dabei seid, euch ein Setup zusammenzustellen, spart nicht an den Kabeln!

Vielen Dank fürs Gespräch!


Discografie

  • The Bomb Shelter Sessions (2011)
  • The Swing House Acoustic Sessions (2014)
  • 1 Hopeful Rd. (2015)
  • Chapter II – EP 1 (2018)

www.vintagetrouble.com


(erschienen in Gitarre & Bass 06/2019)

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