(Bild: Franz Holtmann)
Das 1955 eingeführte Les-Paul-Special-Modell nimmt eine mittlere Position zwischen der Standard und der Junior ein. Die plane Vollmahagoni-Gitarre durchlief, wie auch das große Les-Paul-Modell mit gewölbter Ahorndecke, verschiedene Entwicklungsstufen und gilt neben der kompakten und gradlinigen Junior ebenfalls als amtliches Rockmonster, nur eben mit größerem Aktionsradius.
Vorgestellt wurde die LP Special 1955 als preisgünstiges „2 Pickup Student Model“ in Single-Cutaway-Bauweise mit der Silhouette der Les Paul Standard, aber lediglich unkonturiert flach gestaltetem Mahagonikorpus. Zwei Soapbar-P-90-Pickups in schwarzen Kappen, das „Les Paul Special“ Silkscreen-Logo auf der Kopfplatte, ein gebundenes Griffbrett mit Dot Inlays, das auf die Decke geschraubte, dreischichtige schwarze Pickguard und vor allem die spezielle Farbgebung „Limed Mahogany“ sorgten für den unverkennbaren Look.
(Bild: Franz Holtmann)
Diese gekalkte Mahagonifarbe sollte sich im Schwarz/Weiss-Fernsehen besonders gut machen, wurde auch umgehend „TV Finish“ genannt und hielt sich bis 1958. In der Mitte dieses Jahres unterzog man das Les-Paul-Special-Modell einem gravierenden Re-Design des Bodys. Man beließ ihm zwar seine Stärke, jedoch erhielt er nun zwei Cutaways. Die fielen anfangs noch etwas eckig aus, erhielten ab Anfang 1959 dann aber gut gerundete Formen („soft horns“). Das neue Design erzwang natürlich die Versetzung des Pickup-Schalters, der vom Kopf oben nach unten zuerst zwischen die Volume- und Tone-Potis, später dann vor die Regler des Hals-Pickups in die Nähe der Bridge platziert wurde.
Obwohl bereits Mitte ’58 angekündigt, wurde die Double Cut Special erst Anfang 1959 in nennnswerten Stückzahlen ausgeliefert. Die runderneuerte Special war neben Cherry Red auch weiterhin noch im Limed TV Finish erhältlich, das aber inzwischen mehr zu einem deckenden Bananengelb mutiert war.
Das neue Format mit dem lang herausragenden Hals schob den Hals-Korpusansatz vom 16. auf den den 22. Bund vor. Damit waren die oberen Bünde besser freigestellt, der hohe Tonbereich komfortabler bespielbar. Als konstruktiver Schwachpunkt der ersten, hier dargestellten Double-Cutaway-Version erwies sich allerdings die Platzierung des Hals-Pickups.
Wegen der dafür nötigen Korpusfräsung direkt am Griffbrettende (abgesehen von einem kleinen aufgeschraubten Kunststoffstreifen zur Abdeckung des Neckjoints) kam es bei einigen Exemplaren zu einer gewissen Labilität der Verbindung. Dem erkannten Problem trug man schon bald darauf Rechnung, indem der P-90-Soapbar Pickup ca. Mitte des Jahres etwas weiter in den Korpus hineingerückt wurde.
(Bild: Franz Holtmann)
Charakter-Brett ohne Schnickschnack
Bei den alten Gibson-Les-Paul-Special-Modellen handelt es sich prinzipiell um sehr gute Instrumente. Eine Special von 1959 wurde eben auch, abgesehen vom gewölbten Ahorn-Top, aus den gleichen Tonhölzern gebaut, wie die gegenwärtig teuerste elektrische Gitarre überhaupt: die Les Paul Standard aka ’Burst’ dieses Jahrgangs. Das „old growth“ Honduras Mahagoni, aus dem Gibson in den 50er-Jahren seine Gitarren baute, stammte von Jahrhunderte alten Bäumen. Das Holz aus heutiger Plantagenzucht ist damit kaum mehr vergleichbar.
Auch das Brazilian Rosewood der Griffbretter unterliegt längst dem strengsten Artenschutz und damit absoluten Handelsbeschränkungen. Beide Materialien sind also nicht mehr verfügbar, abgesehen von gelegentlich noch auffindbaren kleineren Restbeständen, für die dann frühe Herkunfts- bzw. Importnachweise erforderlich sind.
Durch die rasante Geschwindigkeit der Produktentwicklung bei Gibson in jener Zeit gibt es von jeder Version der Double Cut Special auch nur überschaubar wenige Exemplare und alle haben ihren speziellen Reiz. Die Solidbody war unter dem Namen „Les Paul SPECIAL” (‚pearl inlaid „Gibson” script postwar logo’; gold decal auf der Kopfplatte) auch nicht einmal ein Jahr gelistet. In der Preisliste vom 1. November 1959 ersetzte bereits die SG Special das kurzlebige Modell. Allerdings wurden auch 1960 dann doch noch etliche LP Specials gefertigt. Wegen der Überlappungen in den Jahrgängen der differierenden Versionen bleiben die Angaben über die Produktionszahlen etwas vage, aber im Jahr 1959 wurden einigermaßen verlässlich in Summe nur wenig mehr als 1800 Exemplare der DC Special gebaut, was der heutigen Gibson-Produktion von nur etwa drei Tagen entspricht.
Die hier vorliegende frühe Modellversion ist in einem wunderbaren Erhaltungszustand mit immer noch kraftvollem Cherry-Farbton, aber großartigem Crackling des alten Nitrolacks. Trotz des vorgerückten Pickups zeigt sie auch keine bemerkenswerte Schwäche in der Hals/Korpus-Verbindung. Der rundlich griffige Hals selbst ist ein typischer 59er, natürlich mit Griffbrett aus Rio-Palisander und absolut famosen Spieleigenschaften.
(Bild: Franz Holtmann)
Die Elektrik ist original und unberührt bis hin zu den Pots und Bumble-Bee-Kondensatoren. Mit den verbauten Soapbar-P-90-Pickups hat die Special schlicht wunderbar kraftvolle Tonwandler an Bord, die dich mit ihrer knackigen, holzig warmen Sound-Umsetzung in den Arm nehmen, oder auch in den Arsch treten. Ganz nach Belieben eben, aber auf jeden Fall liefern sie Rock’n’Roll pur!
Am Markt sind diese Gitarren heute nur noch sehr selten zu finden. Je nach Zustand ist derzeit mit Preisen zwischen 8.000 und 10.000 Euro zu rechnen. Klar, nicht wenig, aber angesichts der unwiederbringlichen Materialien und ins Verhältnis gesetzt zu Gibsons aktuellen Custom-Shop-Preisen auch wieder keineswegs überzogen.
(erschienen in Gitarre & Bass 06/2019)