Schon seit geraumer Zeit sind die wesentlichen Sound-prägenden Module der meisten FX-Treter bekannt und abgearbeitet. Viele neue Overdrive- & Distortion-Pedale beinhalten nur noch diese grundlegenden Module in anderer Feinabstimmung und nur selten entsteht etwas richtig Neues. Die jüngste Generation von Pedalbauern hat es also gar nicht mal so leicht, auf dem klassischen Feld der Analogtechnik zu überzeugen. In dieser Folge werde ich mit dem King of Tone von Analog.Man ein angesagtes Boutique-Pedal sezieren und schauen, inwieweit eigenes Gedankengut eingeflossen ist.
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Es war Mike Pierra, der diese Firma – ansässig in Danbury an der Ostküste der USA – gegen Ende der 90er-Jahre ins Leben rief. Gleich zu Beginn der 2000er-Jahre begann eine Zusammenarbeit mit Jim Weider (The Band), die letztendlich zu der Entwicklung des King of Tone führte. AnalogMike, wie Pierra oft genannt wird, hat auch eine sehr interessante Homepage: www.AnalogMan.com.
Allgemeines
Der King of Tone beinhaltet zwei getrennte aber identische Schaltkreise, eine Sektion davon ist in Abb.1 dargestellt. Mittels DIP-Schalter lassen sich je drei Betriebszustände je Sektion einstellen: Clean-Booster, Overdrive und Distortion. Der im Plan verzeichnete vierte Einsteller ist als Trimmer auf der Platine ausgeführt. Mit ihm kann man den Höhenanteil an den verwendeten Amp und/oder die Pickups anpassen.
Eingang
Eingekoppelt wird das Signal ohne Puffer über einen recht kleinen Eingangs-Kondensator von 10nF. Übliche Werte reichen hier von 47nF bis 220nF. Diese 10nF ergeben zusammen mit dem 1MegOhm großen Bias-R, der zum „+“-Input des Eingangs-OPs führt, eine Hochpass-Grenzfrequenz von 16Hz. Ausreichend – wird der ein oder andere denken. Beim Anschlag der Saiten entstehen jedoch leider „subsonic“-Frequenzen mit nicht unerheblicher Amplitude, die das eigentliche Saitenschwingen überlagern. Diese sehr niederfrequenten Schwingungen lassen sich durchaus als störender offset begreifen und sind von daher nicht erwünscht. Sie limitieren die zu verarbeitende Dynamik kurzfristig – das will man also nicht! Von daher ist am Anfang der Gain-Kette eine Reduzierung der tiefsten Frequenzen ratsam. Da hat der Analog.Man mit 10nF eine gute Wahl getroffen.
Dann der gesockelte Chip, ein Dual OP vom Typ 4580D. Seine Daten reißen einen nicht vom Hocker, aber wir erinnern uns: In vielen Tretern wird hier immer noch auf den schlappen 4558 gesetzt – da ist der 4580 schon ein technischer Fortschritt.
Im Hochpunkt der Gegenkopplung, die im Grundtonbereich der Gitarre frequenzlinear arbeitet, ist das Drive-Poti angeordnet. Es korrespondiert zusammen mit dem C2, das dem Poti parallel liegt, zu einem nützlichen Tiefpass, dessen Grenzfrequenz sich mit steigend eingestelltem Gain von sehr hohen Frequenzen bis ans obere Ende des Hörbereichs herunter bewegt – bis etwa 15kHz. Das ganze dient der nicht unwichtigen HF-Unterdrückung und (Phasen-)Stabilität des OPs.
Frequenzgang
Im Fußpunkt der Gegenkopplung folgt eine Anordnung von zwei RC-Gliedern, die miteinander „vermascht“ sind. Hier steckt sicherlich viel Feintuning dahinter. Es werden die Bässe und Mitten in ihrer Absenkung – verglichen mit den Höhen – eingestellt Abb.2. Die hier generierte Flankensteilheit des Filters ist kleiner als die 6dB/Okt, die wir vom Ibanez TS-9 kennen. Die Bässe kommen dadurch beim Analog.Man-Pedal stärker, was sicherlich einigen Spielern gelegen kommt – der starke Basscut beim TS-9 ist schließlich nicht unumstritten. Der Designer fand diese Dimensionierung jedenfalls in Ordnung, und wer die Schaltung klont, findet an dieser Stelle eine ideale „Spielwiese“ für die eigene Bass-/Mitten-Anpassung. Aber zurück zum Thema: Die hier besprochene Dimensionierung ist dem Kenner nicht neu, sie entstammt – komplett nebst der Drive-Einstellung – dem Marshall Blues Breaker Mk2.
Overdrive
Mit dem Drive Poti lassen sich – genauso wie beim Marshall Blues Breaker und artverwandten Pedale – gleichzeitig zwei OPs in ihrem Gain einstellen. Eine genaue Analyse habe ich bereits in der Ausgabe 03/2019 aufgezeigt. Wir sehen jetzt, dass viele Lösungen auch in hochpreisigen Boutique-Pedalen nicht neu sind. Man bedient sich eben bei Bewährtem, doch letzt-endlich macht es die Summe der Einzelmodule und deren Abstimmung. Lediglich die Grenzfrequenzen werden leicht verändert. Auch beim King of Tone kann man beim Hochpass am Eingang von OP1b, den eigenen Ambitionen folgend, die Werte ändern. Mit R9 lässt sich das maximale Gain des OP1b einstellen, ein kleinerer Wert führt hier zu größerem Gain. Wenn man das Gain deutlich erhöhen will, empfiehlt sich ein Wechsel auf einen rauscharmen OP-Typ z.B. den AD712 von Analog Device. Mit C7 lässt sich die cut-off-Frequenz des Basses von OP1b manipulieren, ein größeres C sorgt für mehr Bässe.
In der Gegenkopplung des OP1a liegen die Overdrive-Dioden – je eine Anordnung von zwei in Reihe geschalteten Dioden unterschiedlichen Typs – dann zueinander antiparallel. Elektrisch gesprochen addieren sich so die Schwellspannungen der einzelnen Dioden. Hier kommt ein Si-Kleinsignal-1N914-Typ sowie der Typ 1N4004 je Zweig zur Anwendung. Mittels DIP-Schalter-Array sind diese Overdrive-Dioden auch abschaltbar, um andere „Specials“ wie clean-boost oder Distortion zuzuschalten. Für einen weniger abrupten, sondern etwas runderen „Knick“, beträgt R11 6,8kOhm. Übrigens genauso verhält es sich beim bereits zitierten Marshall Blues Breaker. Abb.3 zeigt dies deutlich.
Ohne den R11 hat die Übertragungs-Kennlinie den üblich gewohnten Knick mit dem daran anschließenden, nahezu horizontalen Verlauf. Der Knick erzeugt auch die gewohnten Oberwellen – das wäre also nichts Neues. Für einen Low/Medium-Overdrive ist dieses Verhalten etwas harsch – eigentlich passt es besser zur HiGain-Fraktion. Mit Abfiltern alleine ist die Sache nicht zu erledigen, es muss vielmehr dafür gesorgt werden, dass die Quelle der Oberwellenerzeugung ein etwas anderes Spektrum nebst Klirrdämpfung generiert. Dies wird mit dem Einfügen des 6,8kOhm Rs erledigt.
Distortion
Zu- oder abschaltbar sind auch die beiden antiparallel verschalteten Distortion-Si-Dioden am Ausgang des OP1b – genauer gesagt im Anschluss an deren Strombegrenzungs-Widerstand R12. Es ist die übliche Distortion-Schaltung, die sich seit dem MXR D+ nicht geändert hat.
Tonales
Nun schauen wir uns den daran anschließenden Dual-Tone-Filter an: Der erste Controller – „Tone“ genannt – ist ein sogenanntes PD-T1-Filter, das die Höhen nicht komplett nach Masse kurzschließt, sondern noch einen Rest stehen lässt – diese verbleibende Restamplitude ist das Einstellbare daran. Der weitere Höhen-Regler, diesmal ein Trimmer auf der Platine, ist eine Mischung zwischen PD-T1 und RC-Tonblende und hört – je nach Modell – z.B. auf den Namen „Pres“. Damit lässt sich das allgemeine Timbre in Interaktion mit dem nachfolgenden Amp oder den Pick-ups feinabgleichen. Diese Filter haben unterschiedliche Zeitkonstanten und ergänzen bzw. unterstützen sich so gegenseitig.ach der Klang-Manipulation folgt der obligatorische Lautstärke-Einsteller. Die mittelohmigen, nicht gepufferten Ausgänge der beiden Sektionen werden an der Ausgangsbuchse zusammengeführt. Das nicht-gepuffert-sein bedingt, dass man allzu lange Kabelwege (= hohe Kabel Kapazität) im Anschluss an dieses Pedal meiden sollte. Aber ein paar Meter Kabellänge gehen schon in Ordnung. Will man den King of Tone auf einem Pedalboard unterbringen, empfiehlt es sich, diesen Oberwellen generierenden Treter am Anfang der FX-Kette zu platzieren – eines der dann folgenden Geräte wird da mit Sicherheit einen Eingangs-Puffer haben, sodass der mittelohmige Ausgang des Analog.Man-Pedals praktisch auf dem Pedalboard ohne negative Auswirkungen bleibt.
Fazit
Im Großen und Ganzen ist der Analog.Man King of Tone ein frecher, aufgemotzter und gut durchdachter Dual Marshall Blues Breaker Mk2. Ein gutes neuzeitlich flexibles Pedal zum US-Boutique Preis.
Ich lese an zwei Textstellen “Marshall Blues Breaker Mk2”. Gemeint ist doch sicher Mk1, also die große schwarze Version?