Unter den Herstellern von Effektpedalen fallen Old Blood Noise Endeavors seit 2014 als agile Experimentalisten auf. Was die Jungs dazu antreibt, über klassische Klänge und bewährte Bedienformate hinausgehend Neues auszuprobieren, haben wir bei einem Besuch in Oklahma City herausgefunden.
Dass in dieser ziemlich genau in der Mitte der USA gelegenen Großstadt weitere bekannte Effektpedal-Marken beheimatet sind, ist kein Zufall. Bevor Brady Smith seine eigene Firma gründete, hatte er fast drei Jahre für Robert Keeley gearbeitet und weitere drei Jahre Walrus Audio mit aufgebaut. Die OBNE-Spezialisten für digitale und analoge Designs, Dan Pechacek und Isaac Nelson, waren vorher beide bei Mammoth Electronics, einem örtlichen Bauteil-Händler, der Do-It-Yourself-Bausätze anbietet und landesweit Boutique-Hersteller beliefert. Die Szene ist eng miteinander verknüpft und irgendwie kennt jeder jeden. Auf diese einschlägigen Erfahrungen in der Branche soll der Namensbestandteil „Old Blood“ verweisen.
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„Noise Endeavors“ wiederum steht für das Bestreben, der Effekt- und Geräuschewelt etwas Eigenständiges hinzuzufügen, wie Brady erklärt: „Wir suchen nach schrägen Sounds, die uns schon im Design-Prozess völlig in den Bann ziehen, auch wenn sie für die Praxis nicht immer auf Anhieb sinnvoll erscheinen.“ Doch genau dieses Abweichen von konventionellen Klangvorstellungen und die sonderbaren Nuancen im Sound-Design scheinen viele ewig Suchende zu schätzen, die es wohl in allen Musikrichtungen gibt.
Gleichgesinnte
Die Entscheidung – getreu dem OBNE-Slogan „Take Risks. Make Noise“ – das Wagnis eines eigenen Unternehmens einzugehen, hat eine längere Vorgeschichte. Für Brady und Seth McCarrol, die beide Mitte 30 und inzwischen selbst Familienväter sind, begann das alles bereits in der Schule bei gemeinsamen Videoprojekten.
Überhaupt sind Science-Fiction- und Horror-Filme nach wie vor oft Inspirationsimpulse für Effektpedale von OBNE, die wiederum auch schon für Soundtracks verwendet wurden. Als Teenager spielten Brady und Seth zusammen in Bands. Gegenwärtig tun sie das in der Indie-Formation Gentle Ghost und den etwas härteren Slebs. In jungen Jahren fehlte jedoch noch das Geld für eigenes Equipment, also besorgten die beiden sich ihre ersten Effektpedale in Form von Build-Your-Own-Clone-Bausätzen. Die kosteten nur etwa ein Drittel so viel wie fertig montierte Geräte, dazu eben noch Zeit und Geschick für das Zusammenbauen. Ein Anfang war gemacht, ohne damals schon das Ziel vor Augen zu haben.
Über die Jahre wuchsen die beiden organisch weiter zusammen, bei Live-Gigs, Video-Drehs, Löt Sessions, beruflich beispielsweise auch bei Messe-Auftritten für Walrus Audio. Schließlich war das Vertrauen in das funktionierende Teamwork und die eigenen Talente groß genug. Weitere Mitstreiter waren schnell gefunden, die Rahmenbedingungen für Firmen in Oklahoma City generell günstig.
Effektneuland
Das Pedal, mit dem OBNE debütierte, war eine Emulation im Stile von Oil Can Delays aus den 1970er-Jahren. Originale dieser auf Öl-Technologie basierenden Delays sind nur noch schwer zu finden und in der Regel längst ausgetrocknet. Die nachgebildete Version namens Black Fountain nutzt die Möglichkeiten digitaler Technologie, um eine Vielzahl von Klangvarianten in ein Standardgehäuse zu packen: darunter drei Modi mit 20-220 Millisekunden, die vom Charakter zwischen Vintage Echo und Spring Reverb liegen und auch einen Orgel-Klang bieten, Chorus-artige Modulation in den Wiederholungen, Vibrato-artiger Klang im 100%-Wet-Signal.
Nicht weniger vielseitig und gleichzeitig speziell ist das Mondegreen Delay, welches Wiederholungen in Tremolo-Stottern, wirbelnde Chorus-Modulationen oder auch aufsteigende Oktaven verwandelt.
Ähnliche Verrücktheiten finden sich in den Reverb-Pedalen: Das Dark Star erzeugt außerirdischen Hall, wahlweise angereichert mit Pitchshifting, Delay oder Bitcrushing. Das Processing webt Flanger, Filter oder Tremolo mit in den Hall. Beide Reverb-Pedale können mithilfe der Hold-Funktion im zweiten Fußschalter Klanggebilde beliebig lange einfrieren.
Es sind diese einem Effekttyp zusätzlich hinzugefügten Sounds, die die Designs von OBNE differenzieren und interessant machen. Ebenso die Erweiterung der Funktionen und dadurch der tonalen Möglichkeiten, etwa durch Trimpot-Schalter im Inneren, um verschiedene Grundeinstellungen oder Expression-Parameter anwählen zu können.
Solche nuancierten Stilmittel kommen gleichermaßen in analogen Schaltkreisen zum Einsatz. Am ausgeprägtesten vielleicht im Excess Distortion/Chorus/Delay, das eine ganze Reihe typischer 80er-Sounds kombiniert, unterschiedliche Signalwege zur Auswahl stellt und optional Delay-Time oder -Feedback beziehungsweise Chorus-Depth oder -Rate per Expression-Pedal kontrollierbar macht.
Jüngste Kreationen in diesem Jahr waren der Flat Light Textural Flange Shifter, der mit Detune-, Resonate- oder Echo-Sounds experimentiert, wobei ein zusätzlicher Tilt-Fußschalter die Effektpalette komplett durcheinanderwirbelt. Und der Dweller Phase Repeater, der mit unterschiedlichen Phasen, Wellenformen und Delays die Grenzen des Zeitkontinuums auslotet.
Geläufige Standard-Sounds findet man in diesen Pedalen in Standardgröße nur zu einem geringen Anteil. Dafür aber umso mehr Neues, das erst einmal spielerisch erkundet werden will. Immerhin nimmt es bis zu zwei Jahre in Anspruch, die Algorithmen für solche digitalen Designs zu entwickeln.
Performance-Kunst
Um das Potenzial der eigenen Kreationen annähernd aufzuzeigen, produziert das OBNE-Team aufwendige Songs, in denen als Referenz die jeweiligen Sounds im Vordergrund stehen. Die Ästhetik der Videos dazu erinnert mitunter an schrille New-Wave-Clips oder düstere Low- Budget-Horrorfilme der 1980er-Jahre. Überhaupt scheint das Jahrzehnt, in dem die Mitglieder des OBNE-Kollektivs geboren wurden, stark prägend zu sein. Das zeigt sich auch an dem im selben Gebäude firmierenden eigenen Label Obneac, das neben Live-Videos auf Doppel-Single-Veröffentlichungen im Cassetten Format spezialisiert ist.
Darüber hinaus haben Brady und Seth seit 2014 den sehenswerten YouTube-Kanal „Coffee and Riffs“ mit bislang beachtlichen 76 Folgen etabliert.
Für das Konzept sucht sich jeweils ein/-e befreundete/-r Musiker/-in spontan eine Reihe Effektpedale der unterschiedlichsten Hersteller aus, um damit an einem zumeist außergewöhnlichen Ort mit dem eigenen Instrument aus dem Stegreif Musik zu erschaffen. Im Jam mit Looper-Phrasen entstehen so experimentelle Klanglandschaften, die, wie Seth meint, oft eine spannende Eigendynamik entwickeln und sehr meditativ werden.
So wurden aus Performances nur für den Moment schon des Öfteren Inspirationen für die nächsten Veröffentlichungen der Künstler/-innen. Mehr noch: Hier liegt endlich einmal mehr Augenmerk auf dem Live-Twiddling, also dem Manipulieren der Kontrollregler über eine längere musikalische Sequenz – ein Aspekt der Effektpedal-Nutzung, der leider zu oft vernachlässigt wird.
Im Grunde sind die Jungs von OBNE immer noch mit funkelnden Augen auf der Suche nach magischen „Special Spots“ in irgendwelchen Pedalen. Das Beste am eigenen Business, sagen sie, sei es, auf Messen befreundete Effektbauer und Gleichgesinnte zu treffen. Nach dem Einblick in den sympathischen Kleinbetrieb, in dem fast alle Arbeitsschritte selbst gemacht werden, kann man nur wünschen, dass OBNE noch lange in ihrer kreativen Nische weitermachen werden. Denn verrückte Sounds kann es eigentlich nie genug geben.