(Bild: G&B Leser)
Hast du Fragen zum Thema „alte und/oder merkwürdige Gitarren“? Der Guitar Guru beantwortet sie! Monat für Monat. Diesmal geht es um einen Camac-Bass und einen Jolana/Hine-Bass.
Frage:
Ende 1987 habe ich in einem heute nicht mehr existenten Laden in Köln einen CAMAC-Bass erworben. Anscheinend handelt es sich um eine Spector-Kopie, allerdings nicht mit durchgehendem sondern mit angeschraubtem Hals. Zwei JB-Pickups, Elektronik rein passiv, nirgends eine Seriennummer (habe allerdings den Hals nicht abgeschraubt).
(Bild: G&B Leser)
Habt ihr Infos zu CAMAC? Im Web findet man erst mal nicht viel, außer dass unter diesem Label Kopien weiterer bekannter Modelle existieren. Möglicherweise in Japan ohne entsprechende Lizenzen hergestellt bei Matsumoku? Mein Exemplar ist immer noch gut in Schuss und als zuverlässiger Zweitbass prima geeignet. – Jörg
Antwort:
Dem Ursprung deines Basses kann man sich nur schrittweise nähern, denn der ist nicht so eindeutig zu bestimmen. Zunächst mal hast du ganz richtig erkannt, dass es sich um eine Kopie des legendären Spector-Designs handelt. Spector ist eine 1976 gegründete Firma aus Woodstock im US-Bundesstaat New York, die mit ihrem NS-1- und NS-2-Design berühmt wurde. Uns interessiert hier aber, um wen es sich bei Camac handelte und wer deinen Bass gebaut haben könnte.
Camac war eine französische Firma zur Herstellung und Distribution von Musikinstrumenten, es gab auch eine deutsche Niederlassung. Die Mutterfirma wurde bereits Anfang der 1970er-Jahre gegründet, und fokussierte sich zunächst auf den Bau von Harfen. Genau das macht Camac auch heute noch, während die deutsche Niederlassung nicht mehr existiert, und die Distribution von Musikinstrumenten die neu gegründete Firma Algam – der zum Beispiel die Marke LAG gehört – übernahm.
Wer aber baute nun deinen Bass? Weitgehend sicher ist, dass die italienische Firma Eko in den frühen 1980er-Jahren Gitarren und Bässe für Camac fertigte – man erkennt derartige Modelle, sofern sie Schraubhals-Konstruktionen sind, an der trapezförmigen Halsplatte. Die hat dein Bass nicht, sondern lediglich den noch an die späten 70er und früher 80er erinnernden Messingsattel.
Und: Eko ging bereits Anfang der 80er pleite. Ich vermute, anhand des Sattels und des Trussrod-Covers, dass dein Bass in Südkorea von Cort hergestellt wurde, denn die ähneln sehr denen auf vergleichbaren Modellen der Koreaner.
Aber so ganz 100% kann man es nicht wissen; Matsumoku ist auch eine Möglichkeit, die bauten ja auch unter dem Westone-Label den Spektrum-Bass – ein Schelm, wer da Parallelen sieht. Dagegen spricht allerdings, dass nirgendwo „Made in Japan“ steht und keine Seriennummer vorhanden ist. Den möglichen Marktpreis sehe ich bei ca. € 300.
Frage:
Im November habe ich diesen „Hine“-Bass bei eBay ersteigert.
(Bild: G&B Leser)
Er fiel mir auf, weil er ungewöhnlich aussah und es sehr viele Details gab – z. B. den Messing-Steg oder die Tuner-Platte – die auf eine hohe Qualität hindeuteten. Ich nahm aufgrund des Namens „Hine“ an, dass es sich um ein englisches Instrument handelt.
(Bild: G&B Leser)
Als ich den Bass in den Händen hielt, war meine Überraschung groß, als ich auf der Halsrückseite am Fuß ein „handcraftet in Germany“ las. Und dann auch noch die Seriennummer 100004. Schon während der Auktion hatte ich kurz erfolglos recherchiert. Ich würde mich freuen, wenn ihr mir etwas über die Herkunft des Basses sagen könntet. – Niklas
Antwort:
Dein Bass ist wirklich ein kurioses Teil und gar nicht so leicht zu identifizieren, denn zu der Marke „Hine“ findet man eben nichts im Netz. Das ist, folgt man den Indizien bei der Identifikation des Basses, aber auch nicht verwunderlich. Denn die Substanz, aus der dein Bass gebaut wurde, hat einen ganz anderen Ursprung: Bei Hals und Korpus dieses Instruments handelt es sich eigentlich um das Modell Basso V der tschechischen Firma Jolana – und zwar aus den mittleren 1960er-Jahren. Jolana war damals der führende – und bald auch einzige – Hersteller von Gitarren und Bässen in der ehemaligen Tschechoslowakei.
Nach der Wende ging das Unternehmen zunächst unter, die Marke Jolana existiert heute aber wieder in Privatbesitz. Basso V war das zweite Solidbody-Bassmodell der Tschechen. Auf die richtige Fährte kam ich wegen der Form der Kopfplatte, sowie dem Zugang zum Halsstab mittels eines kleinen Rädchens an dessen Ende – beides typische Jolana-Merkmale.
Danach musste ich nur noch nach der Korpusform in Verbund mit der Kopfplatte Ausschau halten. Wer auch immer deinen Hine-Bass „gebaut“ hat, nahm umfangreiche Umbauten vor, die man bei einem ganz genauen Blick auch noch erahnen kann. Farbe runter, Korpus neu lackiert, Kopfplatte neu lackiert und Saitenniederhalter runter, neue Mechaniken, neues Schlagbrett mit den EMG-designed-Pickups, Messingsattel, eventuell auch Neubundierung.
(Bild: G&B Leser)
Der Umbau und die neuen Teile machen einen ordentlichen Eindruck, weshalb Naserümpfen unangebracht ist – erlaubt ist, was gefällt. Zudem muss man bei so alten Geräten wie dem Basso V im Originalzustand gewisse Mängel in Kauf nehmen, weshalb die „Updates“ für z. B. regelmäßigen Livebetrieb durchaus Sinn machen, wenn auch der alte Charme zerstört wird.
Um ein originäres Design handelt es sich jedenfalls nicht, und das „handcrafted in Germany“ würde ich eher mit Humor sehen. Der originale Basso V ist selten, bringt aber bei Online-Auktionen nur etwa € 150-300 – für so einen Umbau ist der „Wert“ unmöglich zu bestimmen.
(erschienen in Gitarre & Bass 05/2019)