(Bild: Michael Helms)
Für viele ist Don Felder der strahlende Sonnyboy, der die Musik zu ,Hotel California‘, dem ‘77er-Welthit der Eagles, geschrieben hat. Doch der inzwischen 71-Jährige hat noch mehr zu bieten: Er ist ein Multi-Instrumentalist, verfügt über eine erlesene Gitarrensammlung, hat ein riesiges Netzwerk an Musikerfreunden und veröffentlicht in schöner Unregelmäßigkeit Solo-Alben wie ,American Rock’n‘Roll‘, das eine imposante Gästeliste aufweist.
Leider ist es gar nicht so einfach, den Mann aus Los Angeles ans Telefon zu bekommen. Was einerseits an einem extrem langsamen Management liegt, andererseits aber auch an Felder selbst, der einfach ein Hans-Dampf-in-allen-Gassen ist, der bei Benefiz-Veranstaltungen, Fachmessen und Preisverleihungen in Erscheinung tritt, auf Privat- und Firmenfeiern spielt und nebenbei noch mit alten Bekannten wie Styx oder Foreigner tourt.
Kurzum: Der passionierte Träger von Lederjacken, Jeans und T-Shirts, der zudem mit blondierter Kurzhaarfrisur und Kukident-Lächeln glänzt, ist extrem busy. Deswegen meldet er sich zum vereinbarten Termin auch mit gepflegter 90-minütiger Verspätung und muss danach gleich weiter zum Flughafen. Aber immer der Reihe nach …
interview
Don, warum hat es so lange gedauert, den Nachfolger zu ,Road To Forever‘ von 2012 aufzunehmen? Nimmt Rockmusik etwa nicht mehr die Hauptpriorität in deinem Leben ein?
Das ist nicht der Grund! Ich schätze, ich bin einfach zu viel getourt. Und wenn ich 14 Tage unterwegs war und dann eine Woche zu Hause habe, verbringe ich die im Studio. Im Ernst: In den letzten vier Jahren habe ich jeden Tag, an dem ich nicht on the road war oder mit Interviews verbracht habe, für Schreiben und Aufnehmen verwendet. Und es dauert halt wahnsinnig lange, mit genug guten Songs für ein Album aufzuwarten. Insofern habe ich da ein echtes Problem: Entweder höre ich auf zu touren, lebe nur noch im Studio und bringe alle zwei Jahre ein Album raus. Oder ich spiele nur noch live, wogegen ich im Grunde auch nichts einzuwenden hätte. Das ist schließlich der größte Kick, den man als Entertainer haben kann – auf der Bühne zu stehen und Songs zu spielen, die man selbst geschrieben hat, und die Begeisterung des Publikums zu spüren.
Würdest du dich als Workaholic bezeichnen?
Das bin ich definitiv – aber ich liebe es. Ich arbeite, weil ich mir nichts Schöneres vorstellen kann. Im Ernst: Ich wüsste nicht, was ich mit mir anfangen sollte, wenn ich das nicht tun würde.
Auf ,American Rock’n‘Roll‘ sind viele berühmte Gäste am Start. Alles Freunde von dir? Oder wie hast du Sammy Hagar, Slash, Joe Satriani, Bob Weir und Peter Frampton ins Studio gelockt?
Ich habe niemanden gezwungen. (lacht) Die meisten kenne ich durch gemeinsame Benefiz-Konzerte. Sammy und ich haben auch schon ein paar Tourneen bestritten. Mick Fleetwood ist ein alter Kumpel aus den 70ern, weil Fleetwood Mac und die Eagles oft zusammen unterwegs waren. Slash lebt in meiner direkten Nachbarschaft. Und wenn man ein bisschen offen ist und sich Mühe gibt, trifft man ständig Leute und freundet sich mit ihnen an. Frampton und ich haben z. B. 15 Shows bei Frampton‘s Guitar Circus gespielt und ich habe ihn in die Musicians Hall Of Fame in Nashville eingeführt.
Insofern ist es so: Wenn ich eine Song-Idee habe, ist da immer diese riesige mentale Liste an Leuten, die ich fragen kann – und die alle einen völlig eigenständigen Sound haben. Bringen sie ihre Magie in meine Stücke ein, dann ergibt das etwas ganz Besonderes – wie bei diesem Album. Deshalb ist es auch viel aufregender als mein letztes, bei dem ich fast alles alleine gespielt habe. Diesmal ging es nur darum, die richtigen Leute anzusprechen, um bestimmte Klangmomente zu erzielen. Zum Glück habe ich viele tolle Musikerfreunde, die nur zu gerne helfen.
Mal ehrlich: Vermisst du den Spaß in der modernen Rockmusik? Ist der verloren gegangen, weil sich die Kids kaum noch dafür interessieren?
Da muss ich widersprechen. Die Kids interessieren sich immer noch für Musik – aber für ihren eigenen Stil. Und der verändert sich ständig. Im Grunde schon seit der Zeit des Blues. Danach kam der Rockabilly mit Buddy Holly und Elvis, der zum Sound der Beatles und den Stones mutierte. Und auf der amerikanischen Seite zu Hendrix, Janis Joplin und Santana. All diese Leute, die in Woodstock regelrecht explodiert sind. Für mich war das der größte Event der Rock-Geschichte. Ich glaube nicht, dass noch mal etwas in der Art stattgefunden hat. Also etwas, das einen solchen Effekt auf die Musik hatte. Insofern würde ich sagen: Es hat sich einfach verändert. Und ich kümmere mich nicht darum, was gerade angesagt ist – sondern nur um das, was ich aufregend finde.
Ich wurde ausdrücklich instruiert, die Eagles in diesem Gespräch nicht zu erwähnen. Was aber fast unmöglich ist, da Songs wie ,Rock You‘ und ,Sun‘ sehr an deine ehemalige Band erinnern. Siehst du das auch so?
Nein!!! Auf keinen Fall! Was man da hört, das bin ich! Was du als die Eagles bezeichnest, ist mein Sound und mein Stil. Also das, was ich bei der Band eingebracht habe. Und ich versuche auch nicht, Stücke in der Art zu schreiben, wie ich es bei den Eagles getan habe, sondern das ist einfach das, was in mir steckt. Es ist ein interessantes Phänomen, dass ihr Journalisten da immer eine Ähnlichkeit feststellt, denn das ist wirklich nicht meine Absicht. Ich spiele einfach das, was ich gerne spiele. Und so klingt es dann. Mehr möchte ich dazu nicht sagen. Einfach, weil das Kapitel abgeschlossen ist – und ich schon zu viel darüber gesagt habe, was immer denselben Effekt hat: Nämlich jede Menge Ärger, den ich nicht möchte.
(Bild: Sony)
Kein Problem. Du giltst als passionierter Gitarren-Sammler. Wie umfangreich ist deine Kollektion?
Ich habe da ein bisschen den Überblick verloren und muss unbedingt mal wieder eine Inventur machen. Einfach, weil ich ständig neue Stücke hinzufüge. Als ich das letzte Mal gezählt habe, waren es ungefähr 300. Aber ich fürchte, diese Zahl habe ich inzwischen locker überschritten.
Das heißt, dass du immer noch Gitarren kaufst? Und wenn ja, wonach suchst du?
Nach wirklich besonderen Teilen, die ich noch nicht habe. Ich meine, ich besitze vielleicht 35 Sunburst Les Pauls aus den 50ern, 60ern und 70ern – aber auch ein paar neuere Modelle. Insofern brauche ich keine weiteren. Aber ich finde immer wieder ausgefallene Teile. Ein Freund von mir ist Chef eines großen Londoner Auktionshauses, und als ich das letzte Mal in der Stadt war, rief er mich an und meinte: „Hey, da ist dieser Typ, der irre Gitarren baut. Kann ich dich im Hotel abholen und wir fahren da kurz hin?“
Erst habe ich gezögert, doch er meinte, ich müsse sie mir unbedingt anschauen – weil sie einmalig seien. Und als wir dann durch London fahren, biegen wir in den Kensington Palace ein. Vorbei an den Wachen, durch das Tor. Darauf ich: „Was machen wir denn hier?“ Und er: „Der Typ, der die Gitarren gebaut hat, wohnt hier.“ Ich denke, es muss der Gärtner oder einer der Angestellten sein, der irgendwo in einer Garage vor sich hin schraubt. Aber wir halten vor dem Haupteingang – und klopfen an der Tür.
Es stellt sich raus, dass es das Haus von Prinzessin Margaret ist. Und ihr Sohn, Lord David Linley, hat einen Ansatz entwickelt, um per Computer-Design wunderbare Inlay-Designs ins Holz zu schnitzen (am oberen Hals-Ende!). Er hatte zwei Gitarren mit einem Saiteninstrumentenbauer namens Andy Manson und diesem Computer-Programm hergestellt, die spektakulär waren: Eine kleine Nylon-Version und eine Steel-Gitarre. Er meinte: „Ich ziehe demnächst um und habe keinen Platz mehr dafür. Ich suche ein gutes neues Zuhause für sie und mein Freund hier meinte, dass sie vielleicht Interesse daran hätten.“
Natürlich war meine nächste Frage: „Was sollen sie denn kosten?“ Und er: „Ich gebe sie ihnen einfach so.“ – „Das meinen sie nicht ernst!“ Aber er hat mir diese Gitarren tatsächlich geschenkt! Das Stahlsaiten-Modell hat einen ungestümen, breiten Sound, während die Nylon-Version unglaublich warm klingt. Ich habe sie mit nach Hause genommen und bewahre sie in diesen handgemachten, hölzernen Koffern auf, die extra dafür angefertigt wurden. Also Parlour Guitars von Lord Linley, die ich im Kensington Palace bekommen habe. Hallo? Ich meine, das ist ein absolutes Highlight meiner Sammlung. Und genau nach so etwas suche ich.
Was hast du auf diesem Album verwendet – einmal mehr die ‘59er Les Paul Standard und die Gibson EDS 1275 Doubleneck, die als dein Markenzeichen gelten?
Die Doubleneck ist diesmal gar nicht zum Einsatz gekommen, sondern nur ein paar alte Gretschs, alter Fender-Kram, ein paar Telecasters, aber auch neuere Sachen. Auf die ‘59er konnte ich aber nicht verzichten – genauso wenig wie auf akustische Martin- und Gibson-Gitarren. Nicht zu vergessen Taylors. Ich habe mich einfach von Track zu Track bewegt und geschaut, was am besten passt. Was bei den jeweiligen Stücken am meisten Sinn macht – und was ihnen einen unterschiedlichen Sound verleiht. Denn ich wollte nicht, dass alles gleich klingt.
Und ich habe ja noch diese Sammlung an alten Amps, die mir genau das ermöglichen. Also etwa 15 Stück, die ich immer wieder neu angeordnet habe, um unterschiedliche Sounds mit unterschiedlichen Kombinationen aus Gitarren und Amps zu erzielen. Das hat etwas von Malen, wobei du nie dasselbe Gemälde mit denselben Farben kreierst, sondern versuchst, unterschiedliche Texturen zu erstellen und immer etwas anderes zu machen. Das ist das Aufregende an diesem Prozess: Es ist ein großer Spaß, da alles aufzufahren und einzusetzen, was ich zur Verfügung habe.
(Bild: Michael Helms)
Gehst du dabei noch genauso experimentell vor wie früher, als du mit Leslie-Lautsprechern und der Doubleneck experimentiert hast?
Absolut! Vielleicht sogar noch experimenteller. Einfach, weil sich mit der Digitaltechnik, die ich ebenfalls gerne verwende, noch mehr anstellen lässt, als damals. Also Dinge, die in den 70ern geradezu unmöglich gewesen wären. Und ich bin immer offen für neue Ideen. Das nächste, woran ich arbeiten werde, wenn ich denn mal ein bisschen Zeit habe, ist eine Art Gitarren-Sinfonie. Mit 60 verschiedenen Gitarren, die die Violinen, das Cello, die Bläser und alles andere ersetzen. Ich denke da an eine Kombination aus verschiedenen Saiteninstrumenten und Klangfarben. Ich werde also Musik für ein Gitarrenorchester schreiben.
Wann erleben wir dich wieder in Deutschland?
Ich war erst vor zwei Jahren da – als Teil der Rock-Meets-Classics-Tour. Wir haben da 22 Städte in 29 Tagen gespielt. Steve Lukather, Rick Springfield, ein Orchester und ich. Es war ein großer Spaß und ich habe es wahnsinnig genossen. Deswegen würde ich gerne zurückkehren – nicht nur für Shows, sondern auch, um da einen netten kleinen Urlaub zu verbringen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Nein, ich muss mich bedanken. Ich rede gerne über Gitarren. Aber irgendwie komme ich kaum dazu, weil ich immer nach anderen Sachen gefragt werde.
discografie
mit den Eagles:
On The Border (Asylum, 3/1974)
One Of These Nights (Asylum, 6/1975)
Hotel California (Asylum, 12/1976)
The Long Run (Asylum, 9/1979)
Solo:
Airborne (Asylum, 6/1983)
Road To Forever (Membran, 10/2012)
American Rock’n’Roll (BMG, 4/2019)
(erschienen in Gitarre & Bass 05/2019)