(Bild: Arndt)
Memphis, die Beale Street, Elvis Presley und B.B. King … Ein Auftritt in den USA, speziell im „Deep South“ am Mississippi, ist natürlich für einen Bluesmusiker ein besonderes und sehr erstrebenswertes Event. Ich habe mich mit meiner Band zur 35. International Blues Challenge nach Memphis, TN aufgemacht, nachdem wir im Sommer des letzten Jahres bei der German Blues Challenge den 1. Platz belegt hatten.
So ein Trip ist allerdings auch mit einigen Schwierigkeiten verbunden. Einige Horrorgeschichten von Musikern, die – allein aufgrund der Mitnahme einer Gitarre bei der Einreise – nicht ins Land gelassen wurden, da der Verdacht bestand, dass sie dort ohne Greencard arbeiten wollten, kursieren im Netz und klingen nicht sehr ermutigend.
Wir haben zwar ein Dokument der Blues Foundation im Handgepäck, welches bestätigt, dass wir dort ohne Gage auftreten und als Repräsentanten Deutschlands zur „International Blues Challenge“ anreisen, aber ein mulmiges Gefühl habe ich schon, als ich zum Customs-Officer durchgewunken werde.
Zum Glück zu Unrecht, denn er wünscht mir viel Glück für den Wettbewerb und er gibt sich noch als Stevie-Ray-Vaughan-Fan zu erkennen.
Von da ab läuft alles sehr familiär und unproblematisch. Wir haben über eine Facebook-Seite zur IBC einen Shuttle vom Flughafen zum Hotel gebucht, den eine Band aus Memphis mit ihrem Tourbus anbietet. Für 5 Dollar pro Person ein Schnäppchen! Das Vista Inn Motel liegt nur wenige Gehminuten von der Beale Street entfernt und am ersten Abend gibt‘s dann ein paar Bier und einen Burger auf der „Hauptstraße des Blues“ zur Akklimatisierung … Nach ca. 24 Reisestunden heißt es dann erst einmal ausschlafen und am Dienstag vor dem ersten Gig das Equipment vorbereiten.
(Bild: Arndt)
Ich habe eine sehr günstige – aber erstaunlich gute – Travel-Gitarre, eine Vintage „Thomas Blug Signature“, bei der ich den Hals abschraube, damit sie in den Reisekoffer passt und mein Travel Board dabei: Ein T-Rex Soulmate. Das ist sehr platzsparend, hat alle wichtigen Effekte an Bord, klingt super und passt ebenfalls in den Koffer … Die Amps und das Schlagzeug werden natürlich in den Clubs gestellt.
Am Vorabend des Wettbewerbs gibt es ein International Showcase im Club 152 auf der Beale Street, bei dem wir eine optimale Auftrittszeit um 21 Uhr haben und uns auch schon mal einige Wettbewerbsbands aus Kanada, Korea, Australien und Europa anschauen können. Der Club ist „packed“ und die Stimmung fantastisch.
(Bild: Arndt)
Mein erster Auftritt in den USA und ein tolles Warm-Up. Unser Gig ist ein voller Erfolg und der Programmdirektor bietet uns an, um 23 Uhr nochmal in der Blues Hall nebenan aufzutreten. Dort steht allerdings kein Piano und wir spielen deshalb ohne unseren Pianisten Georg Schröter im Trio. Improvisation und Anpassungsfähigkeit sind ja wesentliche Merkmale des Blues!
(Bild: Arndt)
Am Mittwoch dann offizielles Einchecken für alle Musiker, bei dem vor allem die Kriterien der Jury und auch über die möglichen „Strafpunkte“ im Wettbewerb aufgeklärt wird. Und die Regeln und Kriterien sind wirklich ziemlich hart: Nur 5 Minuten Umbauzeit mit Soundcheck zwischen den Wettbewerbsbands, absolute Pünktlichkeit, möglichst eigene Songs, Coversongs sind als solche anzukündigen, Performance, „Bluesgehalt“, Eigenständigkeit, Fähigkeiten auf dem Instrument … alles gibt Punkte – oder Strafpunkte.
(Bild: Arndt)
Und dann geht es los. Erster Wettbewerbs-Gig im Hard Rock Café Memphis am Mittwochabend. Ein Glücksfall für uns! Große Bühne, gutes Equipment (was nicht immer der Fall ist) und ein fähiger Tontechniker! Ein guter erster Gig! Aber die Konkurrenz ist auch wirklich super! Vor allem die australische Band Rhythm X Revival und die temperamentvolle Rebekah Ellis, die Sängerin von Rae & The Royal Peacocks aus Atlanta sind fantastisch. Beide spielen sehr unterschiedliche Stile des Blues – und beide so ganz anders als wir, mit unserem rockigen Sound. Wie werden die Jurys das sehen? Der Kontakt zu den Kollegen im Club ist sehr herzlich und freundschaftlich! Man fühlt sich wie in einer großen Familie und alle sind glücklich, es bis hierher geschafft zu haben.
(Bild: Arndt)
Ob wir ins Finale kommen? Egal! Dabeisein ist alles! Währenddessen treten in den vielen anderen Clubs auf der Beale Street alle ca. 260 Bands und Solo-/Duo-Acts auf und stellen sich einer Jury. Morgen dann noch einmal im selben Club mit einer anderen Jury und dann gibt es die Entscheidung wer die meisten Punkte hat und es in die Semifinals schafft. Am Donnerstag, beim zweiten Gig im Hard Rock Café legen wir noch mal eine Schippe drauf. Und tatsächlich: Wir schaffen es in die Semifinals! After Work Party bis in die frühen Morgenstunden!
(Bild: Arndt)
Am Freitag dann Auftritt bei den Semifinals im Tin Roof! Großer Club mit super Bühne, aber der Soundmann besteht auf extrem leiser Gitarre auf der Bühne, da die Amps in direkter Ohrhöhe des Publikums stehen. Verspricht, die Gitarre auf die Monitore zu drehen, wurde dann aber wohl vergessen. Ich muss quasi „blind“ spielen. Nichts anmerken lassen. Blues-Face nicht vergessen!
Der Gig war trotzdem super, und das Publikum hat meine Gitarre anscheinend gehört, denn es gab Szenenapplaus für die Soli! Trotzdem, ins Finale schaffen wir es nicht. Das machen die Amerikaner unter sich aus. In Sachen Show und großer Gesten sind die einfach ganz weit vorne. Ich bin ja mehr vom europäischen Blues mit etwas mehr Understatement eines Rory Gallagher geprägt und bin mit dem Erreichen des Halbfinales voll und ganz zufrieden!
(Bild: Arndt)
Es war eine fantastische Woche in Memphis. Wir haben viele unschätzbare Kontakte knüpfen können. Viele tolle Musiker, Radio-DJs und Festival-Promoter aus der ganzen Welt kennengelernt und nicht zuletzt den eigenen Stellen- und Marktwert in der Internationalen Szene einzuschätzen gelernt. Im April gibt es dann noch den europäischen Wettbewerb, die European Blues Challenge. Die findet in diesem Jahr auf den Azoren statt. Wir sind dabei! Es könnte schlechter laufen …
www.richiearndt.de
(erschienen in Gitarre & Bass 05/2019)