Ursprung und Entwicklung eines Gitarrentraums

Vintage Guitar Stories: 1955 Gibson Les Paul Goldtop Model

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(Bild: Franz Holtmann)

1952 erblickte das Gibson Les Paul Model das Licht der Welt. Instrumente der frühen Fertigung waren noch mit Schwachstellen behaftet, die aber recht schnell behoben wurden. Trotz eines vielversprechenden Starts und stetiger konstruktiver Fortschreibung waren die Verkäufe der Les Paul Goldtop/Standard auf Dauer nicht zufriedenstellend und so erfuhr die erste Solidbody der Gibson-Geschichte bereits 1960 ein viel zu frühes Ende, nur um dann später von britischen Rock-Musikern wie Beck, Clapton und Page zur Ikone der elektrischen Gitarre erhoben zu werden.

Lester Polfuß, Künstlername Les Paul, hatte bereits in den 1930er-Jahren damit angefangen, über eine Elektrifizierung von Gitarren nachzudenken, welche die anfangs übliche Ausstattung von traditionellen Schlaggitarren mit lediglich aufgepfropftem Pickup ablösen könnte.

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Das Problem: Spieler hatten mit Feedbacks zu kämpfen, die sich bei nur provisorisch elektrisch erweiterten akustischen Archtops schnell einstellen. Anfang der 40er-Jahre erlaubte ihm die New Yorker Firma Epiphone die sonntägliche Nutzung ihrer Werkhallen und Werkzeuge für seine experimentellen Versuche. Les sägte dort den Korpus seiner Epiphone-Archtop kurzerhand der Länge nach mittig durch, fügte die Seitenteile über ein massives Kiefernkantholz von ca. 10 x 10 cm Stärke wieder zusammen, montierte den Hals mithilfe von Metallklammern auf den Mittelblock und setzte selbstgebastelte Tonabnehmer, Bridge und Saitenhalter auf den soliden Holzkern.

Nachdem er seine ‚The Log‘ getaufte neue Konstruktion auf der Bühne und im Studio zufriedenstellend erprobt hatte, fuhr er damit 1946 nach Chicago, um Maurice Berlin, Präsident der Chicago Musical Instrument Company (CMI) und seit 1944 Besitzer der Traditionsfirma Gibson, für eine serielle Fertigung zu gewinnen. Berlin war aber keineswegs von der Sinnhaftigkeit einer Serienproduktion überzeugt. Les Paul: „Sie lachten über die Gitarre.“

Auch Freddie King vertraute schon früh auf das neue Gibson Modell. (Bild: Real Gone Music)

Ursprung und Entwicklung eines Gitarrentraums

Als aber Leo Fender 1950 mit seiner Solidbody-Gitarre Esquire/Broadcaster, Anfang 1951 dann umbenannt in Telecaster, von Kalifornien aus geradezu explosionsartig von sich Reden machte und der neue Gibson-Präsident Ted McCarty den Zug in die Neuzeit nicht verpassen wollte, erinnerte man sich an den populären Lester und sein ‚The Log‘-Experiment. Der Mann versprach Aufmerksamkeit, hatte er sich doch auch schon durch die überaus erfolgreiche Umsetzung von Multitrack-Aufnahmen als moderner Klangtüftler einen Namen gemacht.

Bei einem Treffen im CMI-Hauptquartier in Chicago mit Maurice Berlin, dessen Stellvertreter Marc Carlucci und CMI-Anwalt Marv Henrickson wurde man sich schnell einig, unter dem Namen Les Paul eine Solidbody auf den Markt zu bringen. Auch arbeitete man die Spezifikationen für das neue Gitarren-Design bereits in Grundzügen aus.

(Bild: Franz Holtmann)

Wem welche Konstruktionsdetails im Einzelnen zuzuschreiben sind, bleibt indes umstritten. Während Les Paul den Großteil der Konstruktion für sich reklamierte, behauptete Ted McCarty, dass die Gitarre schon bei den Verhandlungen vom Gibson-Team so gut wie komplett entwickelt vorlag und Les lediglich die Bridge mit Trapez-Saitenhalter und die Farbgebung Gold, später auch Black für das Custom-Modell, beitrug. Die entsprechenden Patenterteilungen scheinen eher McCarty Recht zu geben. Die gewölbte Decke, als Unterschied zu den flachen Brettgitarren von Fender, geht übrigens auf CMI-Chef Berlin zurück, der Violinen liebte, aber auch wusste, dass Gibson im Gegensatz zu Fender über entsprechende Möglichkeiten und Werkzeuge verfügte.

1952 kam dann das erste Modell mit goldener Decke (Goldtop) und zwei P-90 Pickups heraus. Anfängliche Probleme – das lange Trapez-Tailpiece erwies sich als wenig zweckmäßig, die Saiten mussten unter der Bridge durchgeführt werden, Saitenbedämpfung mit der rechten Hand war somit nicht möglich.

(Bild: Franz Holtmann)

Verantwortlich dafür war ein zu flach gewählter Halswinkel (der später zu vielen Neck-Resets führte) – wurden dann im Laufe des Jahres 1953 korrigiert. Ein einteiliger ‚Wraparound‘-Stud-Bar ersetzte recht schnell das Trapez Tailpiece und gegen Ende des Jahres wurden die Les Pauls dann auch mit vergrößertem Halswinkel ausgeliefert, was schlicht bessere Einstellmöglichkeiten bot.

Im Herbst 1955 kam dann die Tune-o-matic Bridge mit Stop Tailpiece zum Einsatz, welche dann auch noch die Kalibrierung einzelner Saiten erlaubte und von vielen Spielern als definitive Lösung begrüßt wurde. Auf jeden Fall haben aber auch die von Ende 1953 bis Ende 1955 gebauten Goldtop-Gitarren mit einteiligem Wraparound Tailpiece ihren ganz besonderen Reiz und repräsentieren bereits alles, was an einer Les Paul begehrenswert ist.

Das hier dargestellte Exemplar aus dem Jahr 1955 ist bis auf ein Refret und die Installation von Repro-Tunern (Schutzmaßnahme – Originale liegen im Koffer) im Originalzustand. Der Korpus wurde wie der einteilige Hals der Gitarre aus leichtem Hondurasmahagoni gebaut, die Gitarre wiegt damit angenehme 3,9 kg. Das einfach eingebundene, goldfarbene Ahorn-Top präsentiert sich mit einem wunderbaren Weather Checking und feinem Crackling der Nitrolackierung. Bemerkenswert gut erhalten ist das mit Crown Inlays ausgestattete Rio-Palisandergriffbrett.

(Bild: Franz Holtmann)

Die Intonation über das einteilige Wraparound-Bridge-Tailpiece mag nicht perfekt sein, lässt aber grundsätzlich stimmige Mehrklänge auch noch in höheren Lagen zu und hat Vorteile durch den direkten Tontransport auf den Korpus. Die akustisch sehr dezidiert transparent aufgelösten Basis Sounds dieses Modells werden durch die beiden P-90 Pickups ungemein kraftvoll, trocken und mit großartiger Strahlkraft ins elektrische Licht gesetzt.

(Bild: Franz Holtmann)

Kein Wunder, dass dieser absolut ausdrucksvoll perlenden Klangpotenz grundlegender Referenzcharakter zugesprochen wird. Ein gut erhaltenes Exemplar zu finden, ist heute nicht leicht, vor allem aber ist es richtig teuer. Nicht ganz verwunderlich, denn 1955 wurden im Gibson-Werk in Kalamazoo lediglich 862 Exemplare gebaut, bei einer Gesamtproduktion von etwa 2300 Godtops mit Stud Tailpiece.

 

(erschienen in Gitarre & Bass 05/2019)

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Für mich ist das eine sicher interessante Gitarre – besonders für Sammler – aber sie verkörpert nicht das was ich mir von einer Les-Paul erwünsche.
    Da finde ich den Sound von Humbucker sehr viel besser und typischer für LP als der mit “großartiger Strahlkraft” beschriebene P90 Sound.
    Dass das Wraparound Tailpiece den Klang intensiver rüber bringt als die später bis heute verwendete Tune-o-matic Bridge mit Stop Tailpiece halte ich für Theorie, und müßte um die Behauptung zu beweisen bei einem Vergleichstest an einer Gitarre auf die beides dann nacheinander montiert würde, verglichen werden. Und die Nachteile bei der Intonation sehe ich nicht als vernachlässigbar.
    Und das Gewicht mit 3,9kg ist ja auch nichts so ungewöhnliches für eine LP.
    Wenn man schon paar gute Les Pauls hat ist diese sicher eine schicke Ergänzung, hat für mich aber eher etwas museales.

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    1. Du schreibst:
      “Dass das Wraparound Tailpiece […] halte ich für Theorie, […] Vergleichstest […] Nachteile bei der Intonation […]”

      Der Reihe nach. Vor langer Zeit, als die wenigen verfügbaren Gold Tops noch bezahlbar waren, und sie tatsächlich noch regelmäßig zum Einsatz kamen, kam es immer wieder vor, dass das tailpiece und andere hardware ausgetauscht wurde. Wovon Franz hier schreibt, beruht auf den Erfahrungen, die Profis über Jahrzehnte gemacht haben. Das ist ganz banale Empirik, da muss man nicht nochmal bei. 🙂

      Was die Intonation betrifft: für den seltenen Fall, dass heute eine Gold Top tatsächlich bei einer Aufnahme zum Einsatz kommt, tauscht man das tailpiece vorübergehend gegen ein passendes kompensiertes aus. Nach der Aufnahme wird wieder das Original eingehängt, und das wars.

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  2. Sind die Volume Keramik Kondensatoren tatsächlich original?

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