Auf Tour sein ist Leben!

Interview: Lee Sklar

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(Bild: Marie Haacks)

Leland Sklar, der Name taucht überall auf! Er ist einer der legendärsten Studio-Bassisten, die die Musikwelt zu bieten hat. Seine Diskografie ist länger als der Abspann von so manchem Blockbuster: Toto, Billy Cobham, Steve Lukather, Diana Ross, The Doors, Neil Diamond, Ziggy Marley, Rod Stewart, Mike Oldfield, Dolly Parton, Art Garfunkel … – und mit Phil Collins ist er schon länger auf Tour als so manche Ehe hält!

Auch mit Anfang 70 ist klar, dass er der Welt mit viel Stil und Witz noch viele musikalische Jahre erhalten bleiben wird! Bei der letzten Deutschlandtour von Phil Collins trafen wir den Bassisten in Köln, wo gleich fünf Konzerte hintereinander in der Lanxess-Arena auf dem Plan standen. Natürlich alle ausverkauft! Die Menschen kamen von überall her nach Köln gepilgert! Selbst beim Interview kreisten einige Fans um uns. Auch ein junger Leland war dabei, er wollte unbedingt den Mann kennenlernen, dem er seinen Namen zu verdanken hat. Hier lernt auch ihr ihn ein bisschen kennen!

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Interview

Du warst schon mit vielen verschiedenen Künstlern auf Tour – ist es anders, mit Phil unterwegs zu sein?

Es ist irgendwie größer. Phil ist auf der ganzen Welt bekannt. Wenn ich mit anderen Musikern unterwegs bin, spielen wir öfter in kleineren Locations. Mit Phil hab ich andere Dimensionen kennengelernt: Hyde Park, Wembley-Stadion und sogar ein Fußballstadion in Dublin! Es ist eine größere Crew, eine größere Band, ach eigentlich ist alles gigantischer. Es ist angenehm, weil alle sehr gut in ihrer Arbeit sind. Phil ist ein Mensch, mit dem man ein angenehmes Arbeitsklima aufbauen kann. Wir haben uns 1981 kennengelernt und sind seither Freunde. Das macht viel aus und verleiht dem ganzen einen familiären Touch.

Das muss dann aber eine sehr außergewöhnliche und besondere Familie sein.

Ja, bei jedem Wiedersehen sind alle aufgeregt. Die Freude ist groß, man hat sich schließlich auch vermisst. Das macht es auch zu mehr als einem Job. Ich war schon mit Leuten auf Tour, wo keine richtige Bindung entstanden ist. Hier fühlt es sich eher wie ein großes Familientreffen an. Jeder hat etwas zu sagen! Ich würde mit Phil auf der Bühne stehen, bis wir da oben tot umfallen. Aber noch nicht!

Wie fühlst du dich denn jetzt gerade auf Tour?

Ich bin seit über 51 Jahren jedes Jahr mit verschiedensten Musikern auf Tour. Für mich gehört das Touren mittlerweile zu meinem Leben dazu. Es ergeben sich Möglichkeiten meine Freunde zu sehen, die ich über die Jahre in den Bands oder den verschiedenen Ländern gefunden habe. Es ist spannend, mir wird dabei nie langweilig. Wenn das Touren nicht wäre, würde ich mich mies fühlen. Zu Hause bei meiner Familie und meinen Hunden ist es auch schön. Ich bin gerne dort und kann mein Ding machen! Aber die Freude, auf der Bühne zu stehen und für ein Publikum zu spielen, ist eine andere. Manchmal sind Menschen im Publikum, die einen echt schlechten Tag hatten, vom Leben enttäuscht sind und gerade schwer zu kämpfen haben. Zu wissen, dass sie für einen Moment ihre Sorgen vergessen können, löst Glücksgefühle aus. Es ist ein Geschenk für beide Seiten.

Als Studio-Bassist wirst du dafür bezahlt, dass du das machst, was andere von dir erwarten. Was ist mit deinen eigenen Ideen, wolltest du je ein eigenes Projekt starten?

Ich habe das ein paar Mal probiert, es war jedoch nie erfolgreich. Da gab es zum Beispiel The Section, die Band von James Taylor und Jackson Browne. Wir haben uns danach auch ohne sie zusammengetan und als Opener für Shows gespielt. Trotzdem haben wir nur wenige Platten verkauft. In den 90ern war ich dann in der Band Barefoot Servants. Das war eine coole Band und eine tolle Zeit, ich hätte für immer so weiter machen können. Wir hatten kein gutes Plattenlabel und dann ist das auch irgendwann im Sande verlaufen. Es gibt immer wieder Zeiten, in denen ich neidisch auf andere Bassisten bin.

Manchmal bewundere ich Flea mit seinen Red Hot Chilli Peppers. Aber ich saß auch schon im Studio und habe mich mit Musikern unterhalten, die ihr Leben lang in einer Band gespielt haben. Oft gibt es dann so Unterhaltungen wie: „Wir haben sechs Alben, aber eigentlich haben wir Stoff für acht. Da muss ich dann immer schmunzeln. Ich habe ja schon an so etwa 26.000 Songs mitgewirkt.

Da weiß ich dann immer, dass ich meinen Job sehr liebe und zufrieden bin, auch wenn ich anders vielleicht mehr Geld verdienen würde und es manchmal leichter wäre. Ich bereue es nicht, diesen Weg eingeschlagen zu haben. Ich habe Freunde, die seit Jahrzehnten eine Uhr unter ihrem Tisch haben, die die Zeit bis zu ihrer Pensionrunterzählt. Die fragen mich dann, wann es bei mir endlich soweit sei, aber ich will gar nicht. Ich würde das als Rentner einfach als Hobby weitermachen. Warum also aufhören?

Bei der Vielfalt der Genres für die du engagiert wirst, gibt es doch sicher auch deine persönlichen Favoriten und Albträume, oder?

Ich habe es echt nicht so mit New Funk und Slappen. Ich kann das nachmachen aber nicht fühlen. Ich habe Freunde, die manche Stile einfach viel besser spielen als ich es je könnte. Wenn mich jemand anruft, der solch einen Auftrag hat, dann leite ich sie immer direkt weiter. Mein Herz hat immer schon dem Rock und Hard Rock gehört. Ich bin aber auch begeistert von emotionaler Musik. Balladen, in denen es auch mal mehr um den Sänger geht. Ich versuche, jedes Genre für das zu mögen, was es ist. Das öffnet einem viele Türen!

(Bild: Marie Haacks)

Instrumente

Du spielst Signature-Bässe von Warwick und Dingwall. Was gefällt dir an den doch sehr unterschiedlichen Instrumenten?

Mein Dingwall-Bass begleitet mich seit 16 Jahren und ist für mich zu einer wichtigen Instanz geworden. Ich habe damals lange nach einem 5-Saiter gesucht, der zu mir passt. Auf der NAMM habe ich dann Sheldon Dingwall getroffen und er erklärte mir das Fanned-Fret-System seiner Bässe. Das System orientiert sich an Pianos und man hat die Saitenlängen unterschiedlich gewählt. Oft klingt die B-Saite wie ein Fremdkörper, aber bei meinem Bass klingt es durch das besondere System harmonisch.

Auch auf Tour mit Phil Collins spiele ich ihn zu etwa 60 Prozent, sonst spiele ich meinen Warwick Star Bass ohne Bünde und meinen Signature Warwick Sklar Bass. Ich bin kein Gear-Head, der Tonnen von Bässen lagert. Ich mag Dinge die funktionieren und deshalb wird sich bis zu meinem Lebensende auch nicht mehr so viel an meinem Bass-Kleiderschrank ändern. Dazu gehört auch mein Euphonic Audio Amp.

Wechselst du deine Saiten auf Tour häufig?

Ich wechsle meine Saiten generell nicht so häufig, ich finde sie klingen besser, wenn sie alt sind. Die werden erst gewechselt, wenn sich das, was aus dem Bass herauskommt, nicht mehr nach dem anhört, was ich wollte.

Dann bin ich ein bis zwei Wochen total angepisst, weil sie sich so neu anhören. 2004 war ich mit Phil auf Tour und es war das erste Mal in meinem Leben, dass ich einen Bass-Techniker hatte. Der Arme war total unterfordert, weil er nie etwas zu tun hatte. Vorher war er bei einer Band mit einem Bassisten der etwa zehn Bässe dabei hatte und sie fast täglich neu besaitet haben wollte.

Am Ende hat er für uns alle gearbeitet und ich wollte zum Abschied ein Foto von ihm machen, da ich ihn echt gern hatte. Er hat mir den Stinkefinger gezeigt und so begann meine Sammlung von Stinkefinger-Fotos. Mittlerweile sind es richtig viele: Phil, Caterer, Busfahrer, Crew-Mitglieder von verschiedenen Tourneen und viele, viele andere. Jetzt sind es über 10.000. Tja, jeder braucht ein Hobby, oder? (lacht)

Du hast einen „Producer-Switch“ an deinem Bass. Was macht der?

Der funktioniert super, der macht einfach nichts. Oft wird man im Studio nach Dingen gefragt, die überhaupt keinen Sinn machen. Da wird man dann beispielsweise gefragt, ob man etwas schimmernder spielen könne.

Ich habe dann festgestellt, dass es die Produzenten beruhigt, wenn man diesen nutzlosen Schalter umlegt und das gleiche einfach nochmal spielt.

Danke für das Interview, Lee!

 

(erschienen in Gitarre & Bass 04/2019)

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Der Mann ist einfach eine Klasse für sich! Hut ab Mister Solar und Danke für viele unvergesslich schöne Konzertmomente!!

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  2. Echt super, Mr. Sklar!
    Producer Switch???✌!
    Geschichten, die das Leben schreibt!
    Aber, wenn die’ s so haben wollen ????!

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  3. Die Stars im Hintergrund , die man sonst nicht so wahrnimmt .
    Klasse Bericht !!!
    Die Sache mit dem Producer Switch ist wirklich klasse.
    Da sieht man mal wieder …..LOL

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  4. Ich kenne ihn *nur* als Bassisten bei James Taylor oder Jackson Browne – aber da fand ich immer, daß er mit seiner Baseline vielen Stücken richtig Rückgrat verpaßt hat. Toller Typ.

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