Wer sich mit dem amerikanischen Blues-Gitarristen Derek Trucks unterhält, erfährt eine Menge über die seiner Meinung nach ursprünglichste Form von Musik:
In seinem eigenen Tonstudio in Jacksonville, Florida (das er gemeinsam mit Ehefrau und Bandkollegin Susan Tedeschi betreibt) verwendet der 40-Jährige fast ausnahmslos analoges Equipment, auf dem er in diesem Jahr sein neuestes Werk ‚Signs‘ aufgenommen hat. Auf der Bühne verzichtet er komplett auf Effektgeräte und reguliert seinen Sound ausschließlich über den Amp und die Tonabnehmer seiner roten Gibson SG.
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Interview
Derek, euer ‚Swamp Raga Studio‘ basiert schwerpunktmäßig auf einer analogen Bandmaschine. Sicherlich eine bewusste Entscheidung, oder?
Oh ja, absolut! Unsere Vision eines eigenen Studios war es, es komplett analog auszustatten. Zunächst betraf das nur die gesamte Peripherie mit Ausnahme der Bandmaschine, da wir keine geeignete finden konnten. Also mussten wir uns anfangs mit Pro Tools behelfen. Vor etwa sechs Jahren konnten wir dann eine alte 24-Spur-Studer auftreiben, allerdings dauerte es noch eine ganze Weile, bis wir die Maschine in einen einwandfreien Zustand gebracht hatten. Es mussten sämtliche Kanäle gereinigt und überholt werden, was viel Zeit in Anspruch nahm und vor Produktionsbeginn der aktuellen Scheibe ‚Signs‘ von unserem Techniker Bobby Tis und seinem Vater vorgenommen wurde.
Als alles inspiziert und justiert war, lief die Produktion nahezu störungsfrei. Gleich die ersten Probeaufnahmen klangen großartig, wobei es nicht nur um den Sound, sondern auch um das Spielgefühl ging. Ich glaube, dass man sich stärker aufs Spielen fokussiert, wenn man mit einer analogen Bandmaschine arbeitet.
Bei digitalen Aufnahmen ist es egal, wie viele Versuche man benötigt und ob man seine beste Performance abliefert, da alles endlos wiederholbar ist. Mit einer analogen Bandmaschine ist das völlig anders. Man konzentriert sich stärker und denkt intensiver über das nach, was man spielen möchte. Das Gleiche gilt für die gesamte Band, wenn die Basics eingespielt werden.
Aufgrund des Materialverschleißes muss man mit den vorhandenen Ressourcen schonend umgehen. Aber ich mag dieses konzentrierte Arbeiten, und ich mag es auch, wenn man die Bandmaschine zurückspult und das Ergebnis kontrolliert. Es erinnert mich an meine allerersten Aufnahmen als Musiker vor über 20 Jahren. Ich habe dieses Gefühl in all den Jahren immer sehr vermisst. Alles fühlt sich wichtiger an, wenn man auf diese Weise aufnimmt.
(Bild: Concord)
Passt irgendwie auch besser zur Tedeschi Trucks Band, wie ich finde.
Eine Band wie unsere sollte unbedingt so arbeiten. Einerseits weil es zu dieser Musik passt, andererseits weil wir tolle Instrumentalisten haben, die kein Autotune brauchen und bei denen nicht die Snare geradegerückt werden muss. Wenn eine Band von sich aus gut klingt, sollte man sie auch möglichst lebendig aufnehmen, anstatt sie mittels Pro Tools künstlich zu perfektionieren.
Bedeutet aber auch, dass man wirklich gut vorbereitet sein muss, wenn die Aufnahmen beginnen.
Das sind wir sowieso, auch wenn wir mit Pro-Tools aufnehmen würden. Wir sind da etwas oldschool, wir bereiten uns auf alles immer sehr sorgfältig vor. Aber es stimmt, diesmal waren alle noch fokussierter als bei früheren Aufnahmen, insbesondere beim Festlegen der möglichst besten Arrangements. Und wenn man als Band ein stimmiges Arrangement festgelegt hat, will man es natürlich auch möglichst beim ersten Mal perfekt abliefern.
Es gibt also First Takes auf der neuen Scheibe?
Ja, der Opener ‚Signs, High Times‘ ist ein First Take. Ich erinnere mich noch genau an den Moment, als wir ihn abgeliefert hatten und alle in der Band sofort wussten wussten, dass er großartig geworden ist. Wir haben den Song anschließend zwar noch ein, zwei weitere Male gespielt, aber die erste Version war die beste. Ich denke, dass wir in Zukunft stärker in diese Richtung arbeiten werden.
Bild: Matthias Mineur
Dereks Gibson SG Standard 1962 Reissue
Bild: Matthias Mineur
Eine echte Rarität: Trucks 1958 Silvertone Artist
Bild: Matthias Mineur
Ihre Gibson Les Paul 1960 Clapton Beano Reissue
Bild: Matthias Mineur
Die 1970er Fender Stratocaster Sunburst mit Palisandergriffbrett ist ein Geschenk ihres Mannes.
Kannst du mal kurz beschreiben, wie du deine Gitarren im Studio aufgenommen hast?
Grundlage war immer meine Gibson SG, meistens in Kombination mit einem Fender Deluxe und einem Fender Vibroverb. Das Setup war also ziemlich simpel. Wir standen alle im gleichen Raum, ich hatte zwei Mikrofone, plus ein Mikro für die gesamte Band. Beim Mischen haben wir meine Gitarren dann mit einem alten Super Reverb und einem Echoplex gereampt, um etwas mehr Tiefe zu bekommen. Außerdem habe ich bei ein oder zwei Songs zusätzlich ein Leslie eingesetzt.
Welche Saitenstärke spielst du auf deiner SG?
.011, .014, .017, .026, .036, .046, eine Art Hybrid aus einem 10er- und einem 11er- Satz, übrigens alles in Open-E gestimmt. Bei einigen wenigen Songs verwende ich auch andere Tunings, aber die Mehrzahl der Songs spiele ich in Open-E. Ich habe schon seit Jahren kein Standard-Tuning mehr gespielt, ich weiß nicht einmal, ob ich das überhaupt noch könnte. (lacht)
Weshalb hast du vor Jahren von Standard- auf Open-E-Tuning gewechselt?
Als ich zehn Jahre alt war, zeigte mir irgendjemand Open-E und alles daran schien für mich Sinn zu ergeben. Danach fing ich an, Open-E auch ohne Slide zu spielen, und es klang irgendwie anders, einzigartig. Man konnte damit zwar keine Standard-Licks spielen, aber genau das war für mich auch das Besondere. Ein glücklicher Fehler, um es mal so zu nennen.
Bist du eigentlich ein Effektpedal- Hasser? Außer einem Tuner findet man bei dir auf der Bühne nichts, nicht einmal ein Volume- oder Wah-Wah-Pedal?
Nein, ich hasse sie nicht, und im Studio setze ich ja gelegentlich auch welche ein. Aber auf der Bühne brauche ich keine, sie lenken mich nur von meinem Spiel ab. Für mich geht es dann nur um die Verbindung zwischen Gitarre, Pickup und Amp, und dass sie gemeinschaftlich etwas artikulieren. Für mich ist mein Instrument wie eine menschliche Stimme, und ich kenne keinen Sänger, der seine Stimme mit zu vielen Effekten verfremden möchte. Generell habe ich aber nichts gegen Pedale. Einige meiner Lieblingsgitarristen haben bis zu 30 davon vor sich liegen. (lacht) Aber für mich ist das nichts, ich mag diesen puren Sound, so wie bei B.B. King oder Duane Allman.
Du regelst also alles komplett über den Volume- und Tone-Poti?
Ja. Ich spiele den ganzen Abend an ihnen herum.
Mit welchem von beiden schwerpunktmäßig?
Mit dem Volume-Poti. Den Tone-Poti setze ich manchmal wie eine Art langsamen WahWah-Effekt ein oder nutze ihn, um die Dramaturgie eines Solos steigern zu können. Mit einer SG und den beiden Tone-Poti komplett geschlossen, erhält man diesen Clapton-Ton aus ‚Have You Ever Loved A Woman‘, oder den Santana- Woodstock-Ton. Man kann aus einer Gitarre eine Menge Effekte herauskitzeln, ohne dass man dafür Pedale braucht. Ein Toggle-Switch ist auf eine gewisse Weise ja auch ein Kill-Switch, mit einem offenen und einem geschlossenen Pickup, dazu kommen Feedbacks, Detuning einzelner Saiten, es gibt viele Möglichkeiten den Sound zu beeinflussen.
Ist dein Gitarrensound von Konzert zu Konzert unterschiedlich oder fährst du auf der gesamten Tour eine feste EQ-Einstellung?
Der Sound variiert von Konzert zu Konzert, immer abhängig von der Beschaffenheit der Halle. Es gibt Orte, in denen sich die elektrische Spannung des Venues mehrmals täglich ändert, unter anderem abhängig davon, ob die Klimaanlage gerade eingeschaltet ist oder nicht. Deshalb sind ausgiebige Soundchecks für uns ein wichtiges Ritual. Wir nehmen uns dafür jeden Tag ein- bis eineinhalb Stunden Zeit und nutzen sie, um Songs zu proben, die wir an diesem Abend neu ins Programm nehmen wollen.
Denn unsere Setliste ist bei jeder Show anders. Außerdem sind wir häufig monatelang unterwegs und nutzen die Soundchecks, um uns zu treffen, Dinge zu verabreden, Songs neu zu arrangieren oder um sie für uns selbst zu festigen. Wenn wir in Amerika auf Tour sind, richten wir uns häufig einen kleinen Proberaum im Backstage-Bereich ein, nur mit minimalistischen Drums, Bass, Gitarre und Keyboards, und proben in der Zeit zwischen Soundcheck und Gig. Uns gefällt das, weil man auf Reisen sowieso viel zu viel sitzt und Zeit totschlägt. Da sind solche Zeitvertreibe eine willkommene Angelegenheit. Hier in Europa geht das leider nicht, da wir das zusätzliche Equipment nicht transportieren können.
Bild: Matthias Mineur
Susan Tedeschi
Bild: Matthias Mineur
Bei Susan Tedeschi findet man nur Fender Super Reverb – als Top und als Combo.
Komponierst du auch unterwegs?
Manchmal. Aber das meiste Material entsteht in Tourneepausen, wenn wir zu Hause sind. Mir fällt es leichter, kreativ zu sein, wenn die Anspannung einer Tour von mir abfällt. Man braucht immer etwas Zeit, um von dem Erlebten etwas Abstand zu bekommen und Dinge reflektieren zu können.
Wie lange brauchst du am Abend, um dich auf der Bühne wohlzufühlen? Und was sind die wichtigsten Voraussetzungen dafür?
Natürlich vor allem ein guter Sound. Normalerweise brauche ich ein paar Minuten, um den Sweet Spot zu finden, aber mitunter ist er auch vom ersten Ton an da. Wir spielen meistens zwei Sets, und normalerweise beginne ich mich am Ende des ersten Sets richtig wohlzufühlen und bin dann gleich zu Beginn des zweiten Sets total entspannt. Aber auch das ändert sich von Abend zu Abend. Auf dieser Tour gab es bereits mehrere Konzerte, bei denen vom ersten Ton an auf der Bühne alles perfekt war. Das hat natürlich auch etwas mit dieser fantastischen Band zu tun, die immer ein gewisses Level garantiert und mit der man sich nie unwohl fühlt.
Was machst du, wenn du beim Konzert nicht so richtig reinkommst?
Das kommt selten vor, aber wenn es passiert, dann verlässt man sich einfach darauf, dass die Band nach außen gut klingt. Man ist ja auch nicht jeden Tag gleich gut drauf. Generell kann ich mich aber an keine Show erinnern, bei der wir als Gesamtband nicht überzeugen konnten.
Zumal unser Repertoire so breit aufgestellt ist, dass es immer zwei, drei Songs oder ein komplettes Set gibt, bei denen der Funke überspringt. Ich habe jeden Abend Momente, in denen ich denke: Okay, das fühlt sich gerade richtig gut an! Manchmal sind es die ruhigen Passagen, manchmal auch die lauteren Stücke, aber irgendetwas gelingt immer besonders gut.
Gibt es nach Konzerten regelmäßig Manöverkritik?
Ja, meistens sogar direkt nach der Show. Wenn etwas schiefgelaufen ist – oder etwas besonders gut war – sprechen wir sofort darüber. Natürlich nicht, wenn jemand einfach nur einen Fehler gemacht hat, der am kommenden Abend nicht wieder vorkommt, sondern nur, wenn es sich um konzeptionell falsche Dinge handelt. Oftmals weiß man ja selbst nicht einmal, weshalb sich etwas seltsam anfühlt. Dann versucht man herauszufinden, wo es möglicherweise hakt, und stellt es beim nächsten Soundcheck ab. Und wenn gar nichts hilft, wird der betreffende Song erst einmal beiseitegelegt.
Ahnst du während der Aufnahmen eines neuen Studioalbums schon, welche Songs live funktionieren werden und welche nicht?
Normalerweise spürt man das. Aber natürlich irrt man sich auch mal. Um das herauszufinden muss man es ausprobieren. Mitunter erlebt man dabei große Überraschungen, übrigens in beide Richtungen. Zumal man nie ganz genau weiß, welche Songs den Zuschauern besonders gefallen, was ja auch immer abhängig vom Sound und von der Atmosphäre einer Halle ist. Letztendlich geben wir jedem unserer Songs eine Chance und schauen, wie er sich auf der Bühne anfühlt. Am Tag seiner Veröffentlichung haben wir das neue Album zum Beispiel komplett gespielt, von Anfang bis Ende, und waren überrascht, dass ausnahmslos alle Nummern gut ankamen.