Klassisch

Interview: Wolf Hoffmann & Accept

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Accept(Bild: Mineur)

Die künstlerische Fusion von Rock/Metal und Klassik hat eine lange Tradition. Auf ihren Spuren wandelten im Frühjahr 2019 auch die deutschen Schwermetaller Accept um Gitarrist und Klassikfan Wolf Hoffmann. Mit einem Mix aus seinen klassisch inspirierten Solostücken und den größten Hits der Band zogen Hoffmann, Accept und das ‚Orchestra Of Death‘ durch ausgewählte Hallen und feierten die gleichberechtigte Verschmelzung von Heavy Metal und Klassik.

Wir trafen uns mit dem 59-jährigen Saitenvirtuosen im Hamburger Mehr!-Theater, um ihn zu den Hintergründen dieses spektakulären Projekts zu befragen.

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Interview

Wolf, wie beginnt man ein solch monumentales Projekt eigentlich? Was waren die ersten Schritte?

Ganz am Anfang standen für mich und meinen Maestro Melo Mafali die Orchestrierungen der Stücke. Wir haben uns für eine Woche in meinem Studio verschanzt und sind sämtliche Songs durchgegangen. Melo hat das Ergebnis mit nach Hause genommen und alles in Reinschrift übertragen, sodass wir es dann dem Dirigenten aushändigen konnten.

Da Orchesterproben sehr teuer sind, fanden diese erst ganz am Ende der Vorbereitungen statt und wurden auf ein Minimum reduziert. Das funktionierte allerdings auch nur deshalb, weil Orchestermusiker komplett vom Blatt spielen können und eigentlich nicht proben müssten. Für mich ist das eine neue Erfahrung, denn ich kann nicht vom Blatt spielen. Deshalb habe ich mit meinen Accept-Musikern in Nashville geprobt und mich anschließend mit unserer Soloviolinistin in Deutschland getroffen.

Die Violinistin ist die größte Überraschung dieser Tour, oder?

Ja, könnte man so sagen. Da ein Großteil des Programms aus meinen Solonummern besteht, allesamt Instrumentalstücke, dachten wir, dass es schnell langweilig werden könnte, wenn sämtliche Solomelodien ausschließlich von meiner Gitarre gespielt würden. Durch Zufall haben wir die Inderin Ava-Rebekah Rahman gefunden, einen echten Weltstar, der unter anderem schon in der New Yorker Carnegie Hall gespielt hat.

Mit ihr hast du also gesondert geprobt?

Das musste ich machen, um herauszufinden, ob es überhaupt passt, und um festzulegen, wer welche Stimme übernimmt. Die erste Probe fand bereits im vergangenen Herbst statt und funktionierte auf Anhieb glänzend. Ava hat so etwas noch nie gemacht, noch nie mit einem Schlagzeuger, einer elektrischen Gitarre, einer Rockband gespielt. Deshalb musste sie sich erst an mich und meine Art zu spielen gewöhnen. Sie ist super sensibel und hat ein ultrafeines Gehör. Sie hört Unterschiede bei Parts, deren Feinheiten ich überhaupt nicht registriere, obwohl ich bei meinem Spiel auch ziemlich pingelig bin und auf Nuancen achte. Aber im Vergleich zu einer ausgebildeten Violinistin ist mein Gehör nur rudimentär geschult.

Accept
Wolf Hoffmann & Ava-Rebekah Rahman (Bild: Mineur)

Wie oft hast du mit der Violinistin gesondert geprobt und wie oft mit dem gesamten Orchester?

Im vergangenen Herbst vier und in diesem Frühjahr drei Tage lang, immer stramm durch, auch schon mal zehn Stunden am Stück. Mit dem Orchester kamen dann noch einmal zwei Tage hinzu. Das klingt zwar zunächst knapp bemessen, war schlussendlich aber ausreichend. Orchestermusiker sind sehr diszipliniert. Die spielen das Set einmal durch, und dann passt es eigentlich schon. Anschließend müssen nur noch ein paar Feinheiten abgestimmt werden.

Gab es während des Entwicklungsprozesses Momente, in denen du dich gefragt hast, weshalb du das alles auf dich nimmst? Die Frage, ob sich so etwas lohnt, darf man sich nicht stellen. Man macht es, weil man besessen davon ist und denkt, dass es nichts Geileres gibt. Aber natürlich gab es auch Tage, an denen ich gedacht habe: Oh Gott, was hast du dir da angetan? Wie viel leichter wäre dein Leben jetzt, wenn du die Finger davon gelassen hättest. Aber so darf man als Musiker nie denken.

Zumal einige Schwierigkeiten ja noch vor uns liegen: Wir fliegen unter anderem nach Russland und spielen mit Fremdorchestern. Das bedeutet: Wir kommen dort an, treffen nachmittags erstmals das Orchester und spielen noch am gleichen Abend zusammen die Show. Das wird sportlich. Natürlich sind es Orchester, die Erfahrungen mit solchen Hybriden haben. Es hätte wenig Sinn ergeben, Orchester aus dem reinen Klassikbereich zu verpflichten. Aber Geschichten wie unsere setzen sich ja weltweit immer mehr durch, zumal reine Klassikorchester das Problem haben, dass ihnen das Publikum wegstirbt.

Zudem werden auch Orchestermusiker immer jünger und daher offener für solche Rock- oder Metal-Geschichten. Daher war es nicht sonderlich schwierig, interessierte Orchester für unser Vorhaben zu finden. Vor 20 oder 30 Jahren wäre das vermutlich noch deutlich mühsamer gewesen.

(Bild: Matthias Mineur)

Wie war für dich während der ersten Shows das Gefühl auf der Bühne? Und wie lange hast du gebraucht, um dich wohlzufühlen?

Nicht lange. Aber ich weiß, was du meinst, denn ich kenne das Gefühl natürlich von Festivals, bei denen man kalt und ohne Soundcheck auf die Bühne muss. In unserem Fall hatten wir aber einen Soundcheck und die Gelegenheit, uns einzunorden. Insofern fühlte sich nichts fremd an, als die Show startete.

Verändert dieses Projekt dein Verhältnis zur Klassik, vor allem auch als Gitarrist?

Gute Frage! Zurzeit kann ich das noch gar nicht beurteilen. Auf jeden Fall erweitert es den Horizont und man bekommt eine andere Sichtweise.

Wenn eine klassische Violinistin deine Melodien spielt, denkt man dann: So hätte man den Part also auch interpretieren können!

Oh ja, absolut! Außerdem ist es eine super Genugtuung zu registrieren, wie schön meine Melodien klingen, wenn sie mit Orchesterbegleitung gespielt werden. Man hat sich irgendwann einmal eine simple Melodie auf der Gitarre ausgedacht, und plötzlich wird sie durch das Orchester auf eine Art Podest gehoben, weil alles viel wertiger klingt.

Wobei sich deine Melodien vermutlich auch besonders gut für ein solches Orchesterprojekt eignen.

Ja klar, ich hatte immer schon ein Faible für Klassik. Das erkennt man nun natürlich. Andererseits gibt es aber auch reine Riff-Metal-Songs wie ‚Restless & Wild‘, die sich hierfür nicht eignen.

Musstet ihr als Band auf der Bühne eigentlich eure Sounds verändern, damit sie mit dem Orchester harmonieren?

Wir mussten mit der Lautstärke mächtig runter, und Mark (Tornillo, Sänger der Band, Anm. d. Verf.) muss In-Ear benutzen, was ihm anfangs gar nicht gefiel. Aber jeder muss nun einmal kleine Kompromisse eingehen.

Framus Signature W-HFMN 01 Flying Fortress, Baujahr 2012
Hoffmanns Framus Signature Blind Rage, Baujahr 2014
Framus Wolf Hoffmann Signature Solid Black Satin, Baujahr 2018
Framus Wolf Hoffmann Signature Chaos Star mit Evertune Bridge, 2017
Framus Wolf Hoffmann Signature Chaos Star mit Floyd Rose, Baujahr 2017

Welches ist auf der Bühne das von Natur aus leiseste Instrument?

Letztendlich meine Gitarre, weil sie auf der Bühne gar nicht stattfindet, da mein Sound von draußen kommt. Natürlich sind auch so kleine Violinen super leise. Erstaunlicherweise ist auch das Orchester ziemlich leise. Deshalb wird jedes Instrument per Mikrofon einzeln abgenommen, wodurch die Gefahr von Übersprechungen natürlich sehr groß ist. Man muss also eine moderate Bühnenlautstärke fahren, damit es überhaupt funktioniert.

Mir war von Anfang an wichtig, dass Band und Orchester künstlerisch und klanglich auf dem gleichen Level sind. Wenn ich eine Figur spiele und das Orchester dann die Gegenfigur übernimmt, müssen beide Figuren exakt gleichlaut sein. Metal und Klassik sollen eins zu eins auf Augenhöhe stehen.

Hoffmanns Gitarrentechniker auf der Klassik-Tour: Dennis Eisermann (Bild: Matthias Mineur)

Dies alles klanglich, künstlerisch und optisch umzusetzen, ist verdammt schwer, weil sich diese Welten von Natur aus eigentlich nicht unbedingt vertragen. Daher ging es zum Beispiel auch darum, wer wo sitzt und wie mikrofoniert wird, wer wen beim Dirigieren sieht. Alles schwierige Herausforderungen, zumal wir überwiegend in Hallen spielen, die nicht unbedingt für Metal-Konzerte, sondern für Orchester und den dafür notwendigen Platz prädestiniert sind.

Hatten die Umstände auch einen Einfluss auf deinen Gitarrensound?

Nein. Wir haben lediglich ein paar Nummern in Drop-D gestimmt, alles andere ist wie bei einer regulären Accept-Show, also meine Framus-Signature-Gitarre und mein Kemper-Amp.

Schon seit vielen Jahren Wolfs Sound-Zentrale: der Kemper Amp (Bild: Matthias Mineur)

Mit den exakt gleichen Presets?

Ja. Allerdings variieren die immer ein klein wenig von Song zu Song, aber das mache ich bei Accept-Shows nicht anders. Natürlich würde es mich auch mal reizen, mit anderen Amp-Sounds zu experimentieren. Aber für mich ist diese Kombination mit Kemper und meinen Framus- Gitarren perfekt, sodass es wenig Sinn macht, nach Alternativen zu suchen.

Letzte Frage: Was wird nach dieser Tour bleiben, an Erinnerungen, Erfahrungen, aber auch Auswirkungen auf dein weiteres musikalisches Leben?

Vermutlich nicht viel. Es sei denn, ich produziere noch mal eine reine Klassikscheibe. Das würde mich tatsächlich auch sehr reizen, aber ich wüsste nicht, wie ich das zeitlich unterbringen sollte. Ideen hätte ich. Zum Beispiel fiel mir gestern Abend im Hotelzimmer auf, dass ich gerne mal den ‚Bolero‘ spielen würde. Aber habe ich auch die Zeit, um noch mal ein solches Projekt anzuschieben?

Um auf deine Frage zurückzukommen: Auf Accept wird das alles keine Auswirkungen haben. Jedenfalls keine bewussten. Denn so etwas kopfmäßig zu steuern, hat sich in der Vergangenheit nie als praktikabel herausgestellt. Ich gehe immer intuitiv und gefühlsmäßig an Dinge heran. Wenn etwas gut klingt, halte ich daran fest, und wenn nicht, dann verwerfe ich es wieder.

Danke Wolf, für die interessanten Einblicke in dein Orchester-Projekt!


Martin Motnik

Der neue Accept-Bassist

Die sogenannte ‚Symphonic Terror Tour‘ von Accept war zugleich die erste Konzertreise der Band mit ihrem neuen Bassisten Martin Motnik, der für den vor wenigen Monaten ausgestiegenen Peter Baltes, Gründungsmitglied und gemeinsam mit Hoffmann bis dahin einzig verbliebenes Originalmitglied, gekommen ist. Natürlich haben wir das Angebot gerne angenommen, als weltweit allererstes Magazin ein ausführliches Interview mit dem freundlichen Ludwigshafener zu führen und stellen ihn und seinen bisherigen Lebensweg vor.

Interview

Martin, gab es bei dir eine Art musikalische Früherziehung?

Ja, die fand mit der Blockflöte in der Grundschule statt, aber ich hatte immer schon einen Hang zur Gitarre. Im Alter von sieben bekam ich von meinen Eltern eine akustische Gitarre, zwei Jahre später von meinem Erstkommunionsgeld die erste elektrische. Mein sechs Jahre älterer Bruder fand aber ebenfalls Gefallen an der Gitarre und spielte sie häufiger als ich selbst, was natürlich zu kleinen Streitigkeiten führte. 1985, als ich 13 war, brachte mein Bruder einen Bass mit nach Hause, vermutlich in der stillen Hoffnung, dass ich das Instrument wechseln würde. Tatsächlich fühlte ich mich auf dem Bass sofort deutlich wohler als auf der Gitarre. Der breite Hals, die dicken Saiten, so richtig Masse in der Hand, mir hat das sofort sehr gefallen.

Kannst du dich noch an das Modell erinnern?

Es war ein Squier Precision, eine Sonderedition, bei der alles etwas kleiner war als bei den Standardmodellen, was später zu Problemen führte, da man keine Ersatzteile finden konnte. Das war zu der Zeit, als das Soloalbum ‚Eat ´Em And Smile‘ von David Lee Roth veröffentlicht wurde, mit Billy Sheehan am Bass. Sheehans Spiel hat mich tief beeindruckt, er ist bis heute mein großes Vorbild. Im gleichen Jahr habe ich übrigens auch die Reunion-Tour von Deep Purple in Mannheim gesehen.

Du bist erst über einen „seriösen“ Beruf zurück zur Musik gekommen, richtig?

Das stimmt. Ich habe in Ludwigshafen an einem humanistischen Gymnasium Abitur gemacht, an dem es sehr viele richtig gute Musiker gab. Einer von ihnen dirigiert mittlerweile das Symphonieorchester in Linz, ein anderer ist erster Geiger im Karlsruher Symphonieorchester. Die beiden sind nach der Schule auf ein Konservatorium gegangen, was ich mir damals aber nicht zutraute. Stattdessen habe ich eine Banklehre absolviert und dort anschließend noch weitere zwei Jahre gearbeitet. 1996 kam ich über meinen Bruder zur Band The Winners (Hit: ‚Go For Gold‘), die den Soundtrack zur Fernsehserie ‚Klinik unter Palmen‘ geschrieben hat und mit der ich auf die Philippinen zum Videodreh flog. Daraufhin habe ich bei der Bank gekündigt, mich an der Uni für BWL eingeschrieben und in der Mannheimer/Heidelberger Gegend in Bands gespielt. 2002 bin ich nach München umgezogen und habe bei ProSieben/SAT.1 meine Diplomarbeit geschrieben. Anschließend habe ich bei der Gothic-Metal- Band Darkseed, danach bei The Rocks und schließlich bei Eisbrecher gespielt.

Das Orchestra Of Death beim Konzert (Bild: Matthias Mineur)

Dann kam Los Angeles.

Richtig. Ich wollte eine andere Szene kennenlernen und bin als Tourist mit meinem Bass nach L.A. geflogen. Dort habe ich als sogenannter Back-Tomato mit unterschiedlichen Musikern gejammt, unter anderem in einem Projekt mit dem AC/DC-Schlagzeuger Chris Slade, und Erfahrungen gesammelt. Offiziell durfte ich in Amerika nicht arbeiten, da ich nur ein Touristenvisum besaß. In L.A. war ich zweimal, mit kurzer Unterbrechung, weil ich erst einmal wieder raus aus den USA musste. Während meines zweiten Aufenthalts bekam ich einen Anruf vom Hannoveraner Lars Lehmann, der mir mitteilte, dass Uli Jon Roth einen Bassisten für seine Amerikatournee sucht. Also bin ich zurück nach München geflogen, habe mir ein Künstlervisum besorgt und die Tour gespielt.

Was hat dich anschließend nach Las Vegas verschlagen?

Es hieß, dort gäbe es für Musiker mehr Jobs und das Leben sei günstiger. In Las Vegas habe ich die Website www.studiobassist.com gestartet und als Freelancer gearbeitet. Insgesamt war ich sechs Jahre in der Stadt und habe in verschiedenen Coverbands den Strip rauf und runter gespielt. 2009 und 2012 war ich zwei weitere Male mit Uli Jon Roth in Amerika auf Tour.

2015 bekam ich das Angebot, zunächst als Bassist, dann als Musical Director auf ein Kreuzfahrtschiff zu gehen. Dort war ich nicht nur für meine Band, sondern auch für die anderen Acts der Cruise organisatorisch verantwortlich. Als ich nach vier Jahren wieder zurück an Land wollte, bin ich im Februar 2019 nach Nashville gezogen.

Wo rein zufällig auch Wolf Hoffmann wohnt, dein heutiger Chef bei Accept.

Das war natürlich mehr als nur glücklicher Zufall. Ein Freund hatte mir erzählt, dass Peter Baltes bei Accept ausgestiegen sei, also bin ich auf die Website der Band gegangen und hab eine E-Mail geschrieben. Ich bekam eine Antwort von Wolf und die Einladung zu einer Jam-Session. Diese Session hat dem Wolf offenbar gefallen, sowohl menschlich als auch musikalisch, sodass er seinen Drummer Christopher Williams hinzuzog und wir zu dritt gejammt haben. Anschließend hat Wolf mich für Accept verpflichtet.

Ursprünglich wurdest du als Nachfolger für Peter Baltes, nicht aber für die Orchestertour verpflichtet.

Für die Orchestertour hatten Accept eigentlich schon einen anderen Bassisten, der bereits in Wacken und bei einer Cruise dabei war (Daniel Silvestri, Anm. d. Verf.). Ich kenne die Hintergründe nicht so genau, aber bei einem Meeting vor drei Wochen wurde ich gefragt, ob ich auch die Orchestertour machen kann. Und damit ging die Arbeit los! Ich hatte eineinhalb Wochen Zeit, um die 22 Songs zu lernen, davon neun klassische Arrangements und 12 oder 13 Accept-Nummern.

Danke Martin, und alles Gute!

(erschienen in Gitarre & Bass 08/2019)

 

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