Meilenstein 1982: Spliff – Herzlichen Glückwunsch

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(Bild: Sony)

1982 war die Neue Deutsche Welle auf ihrem Höhepunkt angekommen. Der Hype um diese tatsächlich neue und teils unkonventionelle Popmusik war sogar vorgedrungen bis zur ZDF-Hitparade mit Moderator Dieter Thomas Heck (R.I.P.), die bis dahin von klassischem Schlager dominiert war.

Die prägnant abgekürzte NDW war rückblickend eine bunte und diverse Szene, die aus schrillen Interpreten wie Frl. Menke oder Hubert Kah, klassischen Bands wie Extrabreit und der Spider Murphy Gang und progressiven Vertretern wie Grauzone mit ihrem scharfen Hit ,Eisbär‘, Ideal und dem Trio aus Großenkneten bestand.

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Von der Welle profitierten auch diejenigen, die – teils schon länger – als „Deutsch-Rocker“ unterwegs waren, wie Udo Lindenberg, Marius Müller-Westernhagen oder Bap. Punk-Madame Nina Hagen hatte bereits vorher mit Songs ,TV Glotzer‘ wichtige Impulse gesetzt.

Sie trennte sich Ende der 70er von ihrer Band und schlug eine Solokarriere ein. Reinhold Heil (kb,voc), Herwig Mitteregger (dr,voc), Manfred Praeker (b,voc) und Bernhard „Potsch“ Potschka (g,voc) machten als Spliff weiter.

Nach der englischsprachigen Rock-Oper ,The Spliff Radio Show‘ (1980), u. a. mit dem australischen Sänger Alf Klimek (aka Alf Klimax), entschloss die Band sich, als Quartett weiterzumachen. Alle vier teilten sich den Gesang und 1982 erschienen gleich zwei Alben. Im Januar überraschte ,85555‘ mit zwei Hits, zum einen der eingängigen und humorvollen Spaghetti-Hymne ,Carbonara‘ im Reggae-Feel und dem rockigen ,Déjà Vu‘ mit seinem knackigen Gitarren-Riff und dem kryptischen wie assoziationsreichen Text. Apropos, das Album war nach seiner Katalognummer benannt, was den merkwürdigen Zahlencode erklärt.

Spliff 1982: Herwig Mitteregger, Manfred Praeker, Reinhold Heil und Bernhard Potschka (Bild: WDR/Manfred Becker)

Im November ging es gleich weiter mit dem Zweitwerk ,Herzlichen Glückwunsch‘. Und das Titelstück startete mit einem fetten Gitarren-Riff, schließlich geht‘s dann mit Slap-Bass, Funk-Gitarren und ausladenden Keyboards/Synthsizer-Sounds in eine ruhigere Strophe, bevor es im Refrain wieder abgeht.

Der zweite große Hit dieses Albums hieß ,Das Blech‘, in der Rap-artiger Gesang und in einem langen Instrumental-Part unglaublich vielseitige Keyboards und Samplings für hohen Unterhaltungswert sorgen.

Das war schon sehr besonders, wie Spliff hier ihre Instrumente einsetzten, wie etwa in ,Tag Für Tag‘ mit seinen überbordenden Elektro-Sounds und dem verhallten Gesang. Erst spät kam die Gitarre mit einem Solo rein, das mit seinem Vibratohebel-Einsatz ein wenig an Jeff Beck erinnerte.

In ,Die Maurer‘ traf Kraftwerk-Monotonie auf Reggae, was schließlich im Refrain mit punkigen Off Beat-Gitarren befeuert wurde. Sehr abgefahren kam in ,S.O.S.‘ die Mischung aus einem stoischen Bass, Funk-Gitarren und experimentellen Vocals.

Auch ,Glaspalast‘ zählte zu den ausgefallenen Stücken des Albums, in dem sich über einem hypnotischen Groove harsch betonter Gesang, Klangflächen und anschwellende Sounds ausbreiteten.

Der Puls der Musik war meistens gerade, doch zwischen den Zählzeiten spielte Herwig Mitteregger virtuose wie musikalische Breaks und Fills, die ähnlich dynamisch rüberkamen wie das Spielt von Stewart Copeland (The Police).

Mittereggers Markenzeichen waren zudem die speziellen Sounds, die er mit den damals neuen Simmons SDS-V E-Drums produzierte. Manfred Praeker folgte den Grooves, daneben setzte er mit melodischen Wendungen viele eigene Akzente. Er benutzte u. a. einen schwarzen Yamaha BB1200S, sowie einen Yamaha Fretless.

Darüber, dazwischen und dadrunter setzte Herr Potschka neben fetten Riffs und Soli auch filigrane Rhythmus-Licks und Akkorde. Typisch für ihn waren opulente Hall- und Delay-Effekte. Potsch machte auf Nachfrage hin die folgenden Angaben zu seinem Equipment zu Spliff-Zeiten:

Gitarren: Fender Stratocaster Anniversary-Modell, Bj.1979, modifiziert mit einem Kahler Vibrato; diverse Yamaha-Gitarren, darunter die Modelle SC 600, SA 2000 und SG 1200. Bereits 1980 hatte sich Potsch einen eigenen Saitensatz in den Stärken .010, .013 .017,.026, .036 und .046 zusammengestellt.

Amps & Box: BGW-Endstufe (200 W), Ashly Model SC-40 Preamp, 4x10er-Celestion-Lautsprecher in einem CP-Case.

Effekte: Echo mit VCF-Pedal, Hall, Chorus, Flanger, Octaver, verschiedene Distortion-Pedale, Vox Wah-Wah, Pitch-Transposer, Schweller und mehr. Um Nebengeräusche der Pedale zu verhindern, wurden sie über eine eigens für Potsch gebaute Relaisstation geschaltet.

Potschka & Co waren nicht nur versierte Instrumentalisten und kreative Songwriter sondern auch noch extrovertierte Performer, wie man etwa in dem Mitschnitt auf der Live-DVD ,Spliff – Live@Rockpalast‘ (2012, mit Auftritten von ‘81 und ‘83) sieht.

1984 erschien das vierte Album ,Schwarz Auf Weiss‘, ein Jahr später war dann Schluss und alle Beteiligten verfolgten eigene musikalische Wege.

Potsch Potschka spielt Spliff! (Bild: InAkustik)

Nach den verschiedensten Projekten wendete sich Potsch 2015 mit ,Potschka In Rock‘ wieder härteren Klängen zu. In einem modernen Heavy-Sound vertonte er mit Sänger Sven Sander und anderen die Musik seiner alten Band neu. ,Spielt Spliff‘ (2018) bot die größten Hits der Band in neuen scharfen Versionen. Weitere Infos zu Bernhard Potsch Potschka, der am 1. März seinen 67. Geburtstag feiert, gibt‘s unter www.potschpotschka.com.

Im Interview verriet er übrigens noch, dass 2020 zum 40-jährigen Jubiläum der ,Spliff Radio Show‘ eine remasterte Version mit einem neuen Spliff-Song erscheinen werde. Spätestens dann wird sicherlich auch ,Herzlichen Glückwunsch‘ wiederentdeckt werden. Und natürlich lohnt es sich jetzt schon, nochmal reinzuhören.

Man sollte sich dabei unbedingt inspirieren lassen von der Kreativität dieser deutschen Ausnahmeband mit dem internationalen Sound. In diesem Sinne: Alles Gute – Toi, Toi, Toi!

 

(erschienen in Gitarre & Bass 03/2019)

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