Punk-Ikone

Justin Sane & Anti-Flag

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Anti Flag(Bild: Matteo Massa)

Wer in der Punk-Szene auch nur ein wenig bewandert ist, kennt die Jungs aus Pittsburgh, Pennsylvania garantiert. Seit 1993 kämpft die Polit-Punk-Band mit ihrer kraftvollen Musik gegen Rassismus, Sexismus, Kapitalismus, Homophobie, Krieg und vieles mehr. Ende September letzten Jahres brachten Anti-Flag ihr neues Album ‚American Reckoning‘ heraus, auf dem sie einige ihrer bereits erschienenen Songs akustisch zum Besten geben, plus drei nicht-akustische Coversongs.

Auf ihren Konzerten gibt es immer einiges zu sehen – zum einen natürlich weil die Jungs eine super-energetische Performance abliefern und zum anderen, weil sie meist noch diverse Organisationen wie Sea Shepherd, Amnesty International, Kein Bock Auf Nazis oder Peta im Schlepptau haben. Wir hatten das Vergnügen, Justin Sane – Gründungsmitglied, Gitarrist und Sänger der Band – in Hannover auf ihrer Europatour mit Silverstein, Cancer Bats und Worriers zu treffen.

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interview

Justin, wie kamt ihr auf die Idee, mit so einem großen Line-Up und Bands aus so unterschiedlichen Genres zu touren?

Als wir die Band gründeten, war die Musikszene in Pittsburgh sehr vielfältig. Wir waren und sind an allen Musikstilen interessiert. Silverstein machen Post-Hardcore, Worriers spielen Punk und Cancer Bats sind eher eine Metalcore/Thrash-Band. Wir mochten schon immer diese Vielseitigkeit, da all das unter den Oberbegriff Punk passt. Wenn wir für eine Tour nach Bands Ausschau halten, achten wir mehr auf die Ideale der Band, denn das ist für uns genauso wichtig wie der Sound. Diese zwei Aspekte sind für uns maßgeblich. Wir kennen Silverstein schon lange, genauso wie Cancer Bats. Worriers wiederum sind neue Freunde, aber wir wussten, wofür sie stehen. So kam dieses Line-Up zustande.

Du kommst für gewöhnlich nach der Show noch zu deinen Fans und unterhältst dich mit ihnen – warum? Das macht ja bei Weitem nicht jeder so.

Weil auch das ein Grund für uns war, eine Band zu gründen: Wir wollten Leute treffen! Der beste Teil des Tourens sind Situationen wie jetzt gerade – sich mit jemandem hinsetzen, sich zu unterhalten und etwas über das Leben des anderen zu erfahren. Du weißt, dass Musik die Grenzen zwischen Menschen niederreißt. Ich denke, dass das eins der Dinge ist, die Musik sehr gut kann: Sie öffnet neue Türen, damit Menschen sich treffen. Für mich ist dies hier mehr, als nur ein Konzert.

Schon als wir anfingen, war unser Ziel, eine Gemeinschaft aufzubauen und wenn ich jetzt sehe, wie jemand von Show zu Show fährt oder aber auch nur zu der einen Show in seiner/ihrer Stadt geht, dann sind das die Menschen, die in unsere Communitiy gehören. Das sind die Menschen, mit denen wir offensichtich etwas gemeinsam haben, weil wir uns für die gleichen Dinge interessieren. Und das sind auch die Menschen, die ich in meinem Leben haben möchte. Deshalb gehe ich hin und spreche mit ihnen!

Anti Flag
Justin Sane mit seiner ESP LTD EC-400 (Bild: Matteo Massa)

Ein wichtiger Aspekt eurer Shows ist eure Energie. Wieso habt ihr jetzt ein Studio-Akustik-Album produziert?

Als wir uns dazu entschieden haben, eine Band zu gründen, sollte es unbedingt eine High-Energy-Band sein und so wurden wir eine Punk-Band. Trotzdem spielen wir oft akustisch und einige Festivals fragen uns sogar, ob wir nicht spontan Lust hätten, auch ein Akustik-Set zu spielen. Und genauso spontan ist auch dieses Album entstanden. Es war nicht geplant!

Und was bei dieser ganzen Akustik-Sache einfach so toll ist, ist, dass die Musik und vor allem die Message hinter den Songs greifbarer werden. Der Song ‚The Debate Is Over‘ zum Beispiel handelt vom globalen Klimawandel und der Tatsache, dass wir als Zivilisation uns ändern müssen, da wir immer schneller auf die Erderwärmung zusteuern. Zusammengefasst haben wir mit dieser Platte die Chance ergriffen, die Songs, die für uns eine besondere Bedeutung haben, einem Publikum zu präsentieren, das die Songs ansonsten vielleicht verpasst hätte.

Anti Flag
Links: Justin Sanes Mesa Boogie Triple Rectifier mit Orange PPC Box
Rechts: Chris #2 Bass-Anlage mit Orange 8×10“-Box und Quilter Class-D-Topteil
(Bild: Matteo Massa)

Auf ‚American Reckoning‘ sind drei Coversongs zu finden. Gab es noch weitere Songs, die ihr für das Album covern wolltet?

Der Grund für die Coversongs war der Fakt, dass wir eine Punkband sind (lacht) und neben den Akustik-Liedern zwar trotzdem etwas zusammen als Band aufnehmen, aber keine neuen Songs schreiben wollten. Einer der Hauptgründe, wann und wo wir das Album produziert haben, war der, dass meine Mutter an Krebs erkrankt war und im Sterben lag. Deswegen konnte ich Pittsburgh nicht verlassen und ich wollte mir nicht den Druck machen, mich fragen zu müssen, ob ich die richtigen Songs beisammen habe.

Ich habe den Jungs sogar gesagt, dass ich eher dafür bin, ins Studio zu gehen, weil es womöglich eine gute Ablenkung sein könnte, die ich auch brauchte. Mein Gedanke war, dass wir ein paar coole, kreative Dinge auf die Beine stellen könnten, aber meine Zeit war eben begrenzt. Ich hatte nicht den Raum, mich ans Songwriting zu setzen. Also kamen wir auf die Idee, dass jeder einen Song wählt, den er schon immer mochte. Ich entschied mich für den Cheap-Trick-Song, Chris #2 nahm den Buffalo-Springfield-Song und Pat den von Generation X. Es sind einfach Lieder, die wir lieben.

Anti Flag
Chris Head mit seiner Gibson SG Standard (Bild: Matteo Massa)

Was ist die Idee hinter der Trilogie ‚American Spring‘, ‚American Fall‘ und ‚American Reckoning‘? Gibt es überhaupt einen Grundgedanken?

Ich denke vor allem, dass es wirklich clever war! (lacht) Natürlich ist ‚American Spring‘ vom arabischen Frühling inspiriert, der auf Aufständen basiert, in denen die Menschen ihre Regierung zur Verantwortung ziehen wollten, um die Welt für sich, ihre Familien und andere Menschen etwas besser zu machen. ‚American Fall‘ ist in dem Sinne sicherlich sehr zweideutig, weil es nach ‚American Spring‘ kommt. (lacht) Außerdem dachten wir, dies sei ein interessanter Albumtitel und passe super dazu, wo wir uns als Gesellschaft zuküntig sehen – mit einem Präsidenten wie Donald Trump. Und dann entstand daraus irgendwie eine Art Serie, wobei sich alles sehr organisch entwickelte. Es begann mit ‚American Spring‘ und ging von da aus einfach weiter.

Anti Flag
Chris #2 mit seinem Fender USA Precision Bass. (Bild: Matteo Massa)

Also war das alles nicht von Anfang an geplant. Könntest du dir denn vorstellen, irgendwann ein neues Solo-Projekt zu starten?

Ja, das könnte ich definitiv. Ich sage das auch oft, aber dann mache ich es nicht. Ich arbeite sogar immer mehr und mehr an Songs. Sie sind einfach zu speziell wegen des Todes meiner Mutter und auch wegen anderer persönlicher Dinge in meinem Leben. Diese Songs passen nicht so gut zu dem, wofür Anti-Flag steht, weswegen ich sie auf jeden Fall mit einem anderen Projekt veröffentlichen würde. Darüber nachgedacht habe ich zumindest auch schon!

Zuletzt noch eine Frage, die eigentlich an Chris #2 gerichtet ist: Hast du eine Ahnung, warum er als Bassist so weiche Plektren benutzt?

Oh, das kann ich dir leicht beantworten: Weil ich ihm das Bass-Spielen beigebracht habe! Ich habe ihm beigebracht, die soften Plektren zu nutzen. (lacht) Das ist echt witzig! Er war ursprünglich Gitarrist und kein Bassist und ich habe ihm tatsächlich beigebracht, wie man Bass spielt und eben auch, wie man die Pleks hält. Ich habe ihm empfohlen, weiche Pleks zu nutzen, weil ich wusste, dass wir sehr hart spielen würden und ich persönlich fand es einfacher, dafür weiche Pleks zu nutzen. Mit harten Plektren scheint es außerdem schwerer, sich auf der Bühne zu bewegen.

Vielen Dank für das Interview!

Anti Flag(Bild: Jake Stark)

(erschienen in Gitarre & Bass 03/2019)

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