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Test: BirdSong Amplification Kestrel & Falcon

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BirdSong Amplification Kestrel Falcon(Bild: Dieter Stork)

Seit die Boutique-Sparte aufkam, sind Replikas klassischer Verstärker ein wesentlicher Bestandteil des Marktsegments. Beste Qualität, Handarbeit, tendenziell hohe Preise. Das Angebot hat sich aber mit der Zeit in niedrigere Regionen ausgeweitet. BirdSong Amplification bemüht sich gar, so etwas wie Boutique-Qualität zu wahren Economy-Tarifen anzubieten.

BirdSong Amplification hat seinen Sitz in Belgien. Dort werden die Produkte aber nicht gefertigt. Logisch, bei den niedrigen Preisen. Sie kommen natürlich aus dem Land des Lächelns, China. Derzeit sind vier Tweed-Varianten erhältlich, die auf alten Fender-Schaltungen und –Modellen basieren, in Details aber verändert bzw. verbessert wurden. Neben unseren Testkandidaten sind im Angebot der 5F2A-Princeton/Champ-Klon Merlin (ca. € 352) und das Modell Peregrin, ein Remake des 5E3-Tweed Deluxe (ca. € 834).

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Traditionell

BirdSong hält sich in der Bauweise nahe am Vorbild – für den Ton wichtig, insbesondere in Hinsicht auf den typischen Solid-Pine-Gehäuseaufbau. Optisch sind kleinere, funktional unbedeutende Abweichungen zu erkennen. Kein Problem, oder? Angesichts der Preisgestaltung sollte und muss man schließlich bereit sein, gewisse Konzessionen zu machen. So finden sich natürlich auch bei den elektrischen Bauteilen keine Highlights, sondern Standardware, darunter immerhin Orange-Drop-Kondensatoren und wertige Keramik-Röhrenfassungen.

 

Vorsicht beim Transport, die 5U4G gehen leicht hops. (Bild: Dieter Stork)

Zur Technik des kleinen Kestrel: Ein 5F2-A-Tweed-Princeton mit 10“-Speaker (Celestion Ten 30) statt original 8-Zoll. Ein weiterer Unterschied findet sich in der Elektronik. Anstelle der 5Y3GT-Röhre ist eine 6Z4 verbaut, die chinesische Variante der EZ90. Die beiden anderen Röhren, eine 12AX7A(C5) und eine 6V6GTSTR, liefert Ruby Tubes.

Unser zweiter Kandidat, der Falcon, ist, zumindest auf dem Papier, das interessantere Objekt in diesem Test. Repliziert er doch eine erklärte Combo-Legende zum absoluten Niedrigpreis: den Low Power Twin mit der 5E8-A-Schaltung, Kostenpunkt ca. € 1176. Besonderheiten des 5E8-A-Konzepts liegen darin, dass in der Vorstufe zwei 12AY7-Röhren arbeiten, die Bass-/Treble-Klangregelung (als Kathodenfolger ausgelegt) hinter der zweiten Verstärkungsstufe liegt, und gleich zwei 5U4G-Röhren (weitläufig „Coke Bottle“ genannt, wegen des großen Glaskörpers) für die Gleichrichtung der AC-Spannung zuständig sind (vgl. Blackface-Fenders: 12AX7, Tone-Sektion hinter der ersten Triode an der Anode, beim BF-Twin Halbleitergleichrichter).

Der elektrische Aufbau ist beim Falcon im Großen und Ganzen vorlagenkorrekt ausgeführt. Birdsong hat sich aber entschieden, als Eingangsröhren zwei 12AX7 zu verwenden (jeder der vier Inputs – Bright 1/-2, Normal-1/-2 – hat seine eigene Triode). Was nichts anderes ist, als eine bei Fender-Tweeds weit verbreitete „Modifikation“, um mehr Gain/Verstärkung zu provozieren. Die Röhren sind sämtlich Made in China. Wie auch die diagonal angeordneten 12“-Speaker von Eminence, Typ EGTR-S1712, ein absolutes Niedrigpreismodell. Birdsong sagt dazu, dass der Kunde demnächst die (aufpreispflichtige) Wahl haben wird, andere Lautsprecher zu ordern.

Die Verarbeitung der beiden Combos ist im Großen und Ganzen zufriedenstellend. Das verhaltene Urteil fällt, weil im Detail doch die eine oder andere Schwäche erkennbar wird. Dies betrifft aber nur die Kosmetik bzw. vor allem das „rustikale“ Finish des Tweed-Bezugs. An Stellen, wo man erwartet, dass der Stoff auf Stoß geschnitten/geklebt wird, ist er beim Kestrel umgeschlagen, liegt doppelt. An „schwierigen“ Ecken und Kanten fasert hinten bei beiden Combos das Tweed-Material aus. Außerdem sind die beiden Amp-Chassis nicht optimal präzise eingepasst montiert, sodass die Rückwände unter Spannung stehen bzw. nicht sauber fluchtend im Gehäuse sitzen.

Tweed an sich très chic, aber hier etwas ausgefranst (Bild: Dieter Stork)

Respektabel

Es gibt bestimmt Kollegen, die den Tweed-Princeton unbedingt mit 8“-Lautsprecher haben wollen, nachvollziehbar, das hat ja einen eigenen Charme. Im Prinzip ist ein Zehnzöller aber ein sehr sinnvolles Upgrade. Er macht den Ton „erwachsener“, weil einfach mehr Fülle und Kraft entstehen. Natürlich gibt es kultiviertere (und teurere) Lautsprecher auf dem Markt als den Celestion Ten 30, er macht seine Sache in dem Kontext hier jedoch ziemlich zufriedenstellend. So gelingt es dem Kestrel, den typischen Charakter des Tweed-Princeton weitgehend authentisch abzubilden. Nicht mit der ganz optimalen Frische und Luftigkeit, dennoch durchsichtig, füllig und markant in den Mitten. Und der kleine Combo hat sogar so etwas wie eine Basswiedergabe.

Zudem erweist sich die Ansprache als so schön nachgiebig, wie man es von diesem Tweed-Combo erwartet. Auch sein Sättigungsverhalten ist arttypisch geschmeidig und reizvoll ausgebildet. Zu einem hohen Prozentsatz macht ja genau das die kleinen Fender-Tweeds von anno dazumal aus. Weit bis voll aufgedreht erzeugt der Kestrel satte, tragfähige Overdrive-Verzerrungen, die angemessen dynamisch auf den Spieler reagieren. Bei niedrigen Volume-Stellungen kredenzt der Combo einen warmen Cleansound.

(Bild: Dieter Stork)

Etwas weiter aufdrehen und man landet in seiner feinen „haarigen“ Zwischenwelt, wo die Sättigungen subtil das Klangbild beleben. Also Daumen hoch, der Kestrel hat den Hörtest mit „gut“ bestanden.

OK, damit kommen wir zum Haupt-Act der Veranstaltung. Auftritt des Falcon. Die Twin-Tweed-Bühne, kein Pappenstiel sich hier zu behaupten. Der niedrige Eintrittspreis nimmt aber von vorneherein etwas Druck raus, nach dem Motto „ …muss ja gar nicht so ganz nah dran sein“. Und der Falcon kann ja auch gar nicht richtig den Ton treffen, alleine schon wegen der Lautsprecher. Ja, wirklich, ist das so? Von wegen.

Kleiner Exkurs. Den Tweed-Twin gab es ehedem mit dem P12R oder dem P12Q von Jensen und der Eminence S1712 ist dem heutigen P12Q im Frequenzgang recht ähnlich. Dessen Senke bei ca. 400 Hz fehlt dem Eminence, aber die zweite Senke bei ca. 1,5 kHz und die darauf folgende steile Spitze bei ca. 2 kHz samt allmählich abfallendem Plateau bis ca. 5 kHz haben viel Ähnlichkeit. Bleibt auf dem Papier als wirklich veritabler Unterschied, dass der Jensen einen Alnico-Magnet hat, der Eminence aber einen aus Ferrit. Theoretische Erwägungen, die ein Stück weit erklären, warum sich die beiden Eminence letzten Endes doch recht wacker schlagen. Im Clean-Bereich sogar ziemlich souverän.

Die Qualität des Tweed-Twin, Details sehr feingliedrig darzustellen, vor allem auch den Charakter des Instruments, kommt weit entwickelt zur Geltung, Strat und Tele blühen schön auf. Na gut, die oberen Frequenzen wirken etwas steif bis angestrengt, eine gravierende Schwäche lässt sich daraus aber nicht ableiten. Die Freude am Hörerlebnis überwiegt, da die Clean-Klangbilder voluminös, fast schon plastisch sind, bei Bedarf mit kräftigem Bassgehalt. Die Ansprache ist ausgesprochen präzise definiert und trotzdem im Spielgefühl angenehm.

Wie oben beim Kestrel schon beschrieben, gleitet auch der Falcon besonders homogen in die Sättigung hinein. Sensitiv noch dazu, daher umso reizvoller, denn es resultiert daraus u. a. hohe Ausdrucksstärke. Die feine Kompression im Attack ist typisch für das Vintage-Schaltungskonzept und einer der Gründe, warum die Combos so geschätzt werden. Es ist daneben auch bezeichnend für die Signalqualität, wie klar, anhaltend und deutlich lange Noten ausklingen. Variierend je nach Output der Pickups, wachsen die Anzerrungen bereits im zweiten Drittel der Volume-Steuerung in dichteren Overdrive hinein, nur wenig später geht der Sound ins Maximum hinein – viel heftiger als es mit 12AY7-Röhren in den Eingängen möglich wäre.

(Bild: Dieter Stork)

Die beiden Ton-Potis Bass und Treble betätigen sich dabei zunehmend mehr als Gain-Regler, als dass sie noch den Toncharakter formen könnten. Tja und dann ist er da, dieser „ultimative“, vollfette Vintage-Ton, der ohne High-Gain in der Vorstufe trotzdem beim Solieren so dicht singt und dabei gar nicht vordergründig verzerrt wirkt.

Anders als bei Mehrklängen und Akkorden, wo man die Distortion wirklich erlebt, untermalt von einer rotzigen Note, irgendwie schmutzig aber doch prägnant und definiert. Ja, wie der Gegen-Check mit anderen Boxen/Lautsprechern Speakern ergab – der Amp selbst liefert den Tweed-Twin-Ton mit Plastizität und viel Kultur, die Eminence-Speaker weitgehend auch, man merkt ihnen aber an, dass sie in diesem Bereich (hoher Leistung) an ihre Grenzen stoßen. Etwas gepresst und verhangen, nicht optimal transparent, kommt manche Feinheit nicht zur Geltung. Das mag und wird sich vermutlich nach einiger Einschwingzeit noch bessern.

Alternativen

Natürlich gibt es alternative Optionen. Allen voran natürlich die entsprechenden Modelle von Victoria, quasi das Nonplusultra in der Sparte, aber eben auch zwei bis dreimal höher im Preis als die BirdSong Combos. Auf ähnlichem Niveau bewegen sich die Tweed-Modelle von Audio Amp Co. aus unseren deutschen Landen und die Replikas von TAD. Fender hat den Tweed Twin als „57 Custom Twin Amp“ im Programm, auch zum Kurs von deutlich über € 2000. Allerdings: Vergleichsprodukte, die ähnlich niedrigpreisig angesetzt sind wie die BirdSong-Combos, werden (derzeit) auf dem Markt schwerlich zu finden sein.

Resümee

Sieh an, hier zeigt es sich mal wieder: es braucht nicht unbedingt die teuersten Bauteile, um Vintage Klangfarben bzw. Tweedsounds gediegen zu reproduzieren. So bietet der Kestrel nicht nur gemessen am Preis einen hohen Gegenwert, sondern macht auch absolut gesehen eine gute Figur. Der Falcon ist so wie er hier im Test mit den Eminence-Lautsprechern aufspielte, auch schon ein sehr einladendes, faires Angebot.

Er würde aber zweifelsfrei von anderen, besseren Speakern profitieren. Und selbst wenn er dann um € 200 höher läge, bliebe das Preis-Leistungs-Verhältnis noch immer ausbalanciert. Gewisse Schwächen im Finish der Gehäuse muss man aber bereit sein hinzunehmen. Das Kennenlernen eines BirdSong Combos ist im Übrigen – zumindest derzeit – für den potentiellen Käufer „failsafe“: Der Versand ist in beide Richtungen, hin und retour kostenlos.

PLUS

  • Sound: authentisch, typische Klangfarben
  • sehr harmonische, markante Übersteuerungen
  • Dynamik, Ansprache
  • Verarbeitung (m. Einschränk.)

MINUS

  • Finish der Gehäuse

(erschienen in Gitarre & Bass 06/2019)

 


Hinweise zu den Soundfiles

Für die Aufnahmen kam ein Kondensatormikrofon mit Großflächenmembran zum Einsatz, das C414 von AKG, nahe platziert vor den Combos.

Die Clips wurden pur, ohne Kompressor und EQ-Bearbeitung über das Audio-Interface Pro-24DSP von Focusrite in Logic Pro eingespielt und abgemischt. Das Plug-In „Platinum-Reverb“ steuert die Raumsimulationen bei.

Die Instrumente sind eine Fender-CS-Mike-Landau-Strat-1968, eine Steinberger GL4T (EMG-aktiv, aber m. passivem Humbucker v. Seymour Duncan am Steg).

Ich wünsche viel Vergnügen! Wenn möglich, bitte laut anhören – über Boxen, nicht Kopfhörer! 😉

Fragen, Anregungen und ja, auch Kritik sind wie immer stets willkommen. Nachrichten bitte an frag.ebo@gitarrebass.de. Es klappt nicht immer, aber ich werde mich bemühen möglichst kurzfristig zu antworten.

Text + Musik: Ebo Wagner (GEMA)

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Und wieder mal eine erneute lauwarme Fender Kopie, der wieder mal ach so toll ist im Sound und alles besser machen will. Das wird doch langsam langweilig, die ewigen Fender als auch Marshall Kopien.

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