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Guitar Guru: Höfner 455
von Guitar Guru, Artikel aus dem Archiv
Hast du Fragen zum Thema „alte und/oder merkwürdige Gitarren“? Wir beantworten sie auf dieser Seite. Monat für Monat. Diesmal geht es um eine Höfner 455.
? Liebes GB-Team, ich habe von einem Bekannten eine Archtop-Gitarre geschenkt bekommen. Dem Label auf der Decke nach handelt es sich um eine Höfner, ich bin mir aber nicht sicher, ob das auch wirklich so ist. Deshalb wende ich mich jetzt einfach mal an euch. Mich würde interessieren, ob es sich lohnt, das Instrument instand setzen zu lassen, zumal der Hals am Fuß gebrochen und ein großes Stück aus seiner Aussparung im Korpus gezogen ist.
Um welches Modell handelt es sich? Eine 456? Baujahr ca.? Welchen Preis erzielen überholte Instrumente dieser Art? Mit welchen Kosten muss ich für eine gute Reparatur rechnen? Was ist von den verbauten Mechaniken zu halten? Vermutlich nicht original, oder? Sollte ich die austauschen, wenn ja gegen welche? Und was sollte sonst unbedingt gemacht werden?
Achim (G&B-Leser)
! Bei deiner Gitarre handelt es sich tatsächlich um eine Höfner, und zwar um das Modell 455, aus den 1950er-Jahren (nicht später, da sie noch keinen Halsstab hat). Erkennbar ist das an der Rhomboid-förmigen Einlage auf der Kopfplatte, den Block-Inlays des Halses sowie daran, dass der Body vorne und hinten Bindings hat. Bei den Hölzern handelt es sich um laminiertes Ahorn.
Dieses Modell reiht sich in die Höfner-Archtops der 1950er- bis 1970er-Jahre qualitativ und preislich im unteren Drittel ein – es gab noch einige billigere Modelle, aber dieses ist leider keinesfalls ein Top-Modell und heute nicht besonders gesucht. Zu deinen sonstigen Fragen: Im jetzigen Zustand schätze ich den Wert der Gitarre auf unter € 100, maximal etwas darüber, da es sich wie gesagt nicht um eines der gesuchten hochklassigen Modelle handelt.
Der Halsbruch ist wirklich übel, da er sich weit in den Hals hineinzieht – um das ordentlich wieder hinzubekommen, braucht es einen erfahrenen Gitarrenbauer. Will man die Bruchstelle sauber kaschieren, wäre eine Neulackierung nötig. Daneben braucht es auch einen Neck-Reset und eventuell eine Hals-Begradigung – denn was auch immer zu dem Schaden geführt hat, hat vermutlich auch den Hals gebogen. Vor 1960 hatten deutsche Gitarren keinen Halsstab, weshalb die meisten auch ganz ohne Schaden, allein vom Saitenzug, eine Bananen-Krümmung im Hals aufweisen.
Zudem sehen mir die Bünde nicht original aus – die sind etwas zu klein für das Griffbrett und wurden anscheinend schon mal ersetzt. Da die beiden E-Saiten wohl nicht mehr sauber aufliegen und intonieren dürften, wäre hier also auch eine Neubundierung nötig.
Die Brücke ist nicht mehr komplett, nur der obere Aufsatz ist vorhanden – allerdings kann man die leicht austauschen, Ersatzbrücken findet man bei allen Onlinehändlern für teilweise unter € 10. Die Mechaniken sind japanisch oder koreanisch und aus den frühen 1970er-Jahren – leider nicht die besten. Der Austausch ist allerdings nicht schwer und das geringste Problem bei der Wiederbelebung der Gitarre, ich rate zu einem entsprechenden Satz von Schaller mit 8mm-Achsen, der etwa € 40 kosten sollte. Es geht auch billiger beim Chinesen, dann aber nicht so hochwertig.
Ob man das fehlende Schlagbrett ersetzt, muss jeder selbst wissen – nötig ist es für die Funktion der Gitarre nicht, außer, man braucht als Spieler die Ablage für die Finger. Wenn du mit ihr in diesem Zustand zu einem Gitarrenbauer gehst und sie wieder flottmachen lassen willst, musst du mit mehreren hundert Euro rechnen. Vor allem wegen der Halsreparatur und der Neubundierung – das übersteigt den Wert der Gitarre bei Weitem. Denn dieser läge auch in perfektem Zustand bei maximal € 350.
Da sich die Reparatur kaum verheimlichen ließe (sollte man auch nicht), sähe ich als realistisch erzielbaren Preis auf dem Markt für die Gitarre nach der Restaurierung nur maximal € 200-250. So weh mir das tut, muss ich also eigentlich davon abraten und auch ein seriöser Gitarrenbauer wird das tun, außer er nimmt die Sache sportlich und sieht sie als zu meisternde Herausforderung. Wenn dein Herz nicht an ihr hängt, lass es lieber und kauf dir für weniger Geld ein entsprechendes funktionstüchtiges Instrument.
Guitar Guru
(erschienen in Gitarre & Bass 02/2019)
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