Comeback mit Überlänge

Test: Ibanez Iron Label RGIXL7 ABL

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Was für ein Kracher zu Beginn des Jahres 2019. Ibanez legt die XL-Serie – die auf dem Gebrauchtmarkt mittlerweile Kultstatus erreicht hat – wieder auf. Natürlich wird aber nicht die identische Gitarre wie damals in den frühen 2000ern wieder hervorgeholt; das gesamte Konzept wurde überarbeitet und die Instrumente mit einigen tollen Features ausgestattet. Die Variante für den Geldbeutel des kleinen Mannes aus der Iron-Label-Serie liegt uns nun zum Test vor.

(Bild: Dieter Stork)

Wenn wir hier über die preiswerte Version sprechen, dann sei gesagt, dass es sich bei der Iron-Label-RGIXL7 ja eher um ein Mittelklasse-Modell handelt – die RG2027XL schlägt immerhin mit satten € 1000 mehr zu Buche. Ibanez Iron-Label-Baureihe orientiert sich ja weitestgehend an den Wünschen moderner Metal-Gitarristen, was sich auch in der Ausstattung unseres Test-Modells deutlich niederschlägt. Aber auch damals beim erstmaligen Erscheinen der XL-Serie Anfang der 2000er-Jahre war klar, dass diese Baureihe sich vornehmlich an Gitarristen der härteren Gangart richten sollte. Wollen wir doch mal schauen, was sich in den 20 Jahren, in denen die Serie nicht auf dem Markt war, getan hat.

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Überlang

OK, was haben wir hier? Bereits rein optisch hebt sich die RGIXL7 ja deutlich von den Original-XL-Gitarren ab. Die auffällige Maserung des Eschekorpus – welcher die übliche RG-Kontur hat – in Kombination mit der unregelmäßig braunen Lackierung im Antique-Style, setzt moderne Akzente und holt die XL-Serie optisch in unsere Zeit. Der nur ganz dünn lackierte, dreistreifige Hals besteht aus einem dicken Stück Purpleheart-Holz, flankiert von zwei hellen Ahorn-Stücken, und weist das überraschend solide ausgefallene Nitro-Wizard-7-XL-Profil auf.

Mit einer Schwingungslänge von 686 mm und einer Halsbreite von 48 mm am Sattel gemessen, entspricht die RGIXL7 den üblichen Maßen, einer modernen 7-Saiter-Baritone. Das tiefbraune Macassar-Ebenholzgriffbrett wurde lediglich mit Bundmarkierungen auf der Zarge ausgestattet, welche im Dunkeln leuchten und hat eine dezente aber durchaus schöne Maserung. Für die Bundierung wurden 24 Jumbo-Bünde gewählt, die sauber eingepasst in ihren Kerben sitzen und an den Kanten sauber verrundet sind.

Die Rückseite des Halses mit dem Purpleheart Streifen (Bild: Dieter Stork)

Die Reversed-Kopfplatte wurde in passender Optik zum Korpus dünn lackiert und trägt neben dem Kunststoffsattel sieben sehr angenehm laufende MG-T-Locking-Mechaniken von Gotoh, welche genau wie die Gibraltar-Standard-II-7-Brücke schwarz lackiert sind. Bei den Tonabnehmern greift Ibanez auf Altbewährtes zurück und hat die bei DiMarzio eigens für Ibanez entwickelten Fusion-Edge-7-Tonabnehmer verbaut, die hier ohne Rahmen direkt in den Body geschraubt wurden. Diese Pickups kommen in einer ganzen Reihe der neueren Ibanez-Modelle zum Einsatz und sind abseits dieser Gitarren nicht im Handel erhältlich.

Beim restlichen Layout wird nicht lange gefackelt: ein Volume-Poti, ein Dreiweg-Schalter und ein Mini-Switch für die Coil-Tap-Funktion – das muss reichen. Auf der Rückseite finden sich lediglich die zwei kleinen E-Fächer, sowie die Einschlaghülsen zur Führung der Saiten durch den Korpus. Im Großen und Ganzen liefert Ibanez das, was man bereits aus der Iron-Label-Serie gewohnt ist. Hier bekommt man einfach eine gute Verarbeitungsqualität zu einem vergleichsweise geringen Preis bei einer tollen Ausstattung des Instruments.

XXL-Sound

Fühlen wir nun unserer Testgitarre klanglich etwas genauer auf den Zahn. In Punkto Spielkomfort fühlt sich das Instrument im Grunde an, wie eine alte Bekannte. Der RG-Korpus ist mit seinen großzügigen Shapings vollkommen unproblematisch zu bespielen und auch der Hals mit seinem Nitro-Wizard-7-XL-Profil erweist sich trotz der 27“-Mensur als völlig hürdenlos in der Handhabung.

Beim ersten Anspielen fällt schnell auf, dass die RGIXL7 wahrlich kein Leichtgewicht ist. Sicher – eine Baritone-Gitarre bringt ob des längeren Halses immer ein paar Gramm mehr auf die Waage. Die fast 4kg unserer Testgitarre sind allerdings wirklich nicht ohne; hier wären 300 Gramm weniger auch schön gewesen.

Akustisch gespielt, weiß die braune Schönheit mit einem extrem voluminösen Klangbild zu punkten, was unter anderem sicher daran liegt, dass das Instrument im A-Tuning mit entsprechender Saitenstärke (.10-.59) ausgeliefert wird. Der Sound ist groß und bauchig, und weiß mit viel Fundament und schönen, offenen Höhen zu punkten. Die Mitten treten ein wenig zurück und machen Platz für ein knackiges Attack und ein über die gesamte Mensur gleichermaßen ausgewogenes Obertonverhalten.

Elektrisch gespielt bestätigt sich dieser Klangeindruck weitestgehend. Im cleanen Kanal weiß vor allem der Halstonabnehmer mit einem warmen und vollen Klang zu punkten. Trotz des nicht gerade geringen Outputs ist der Sound dennoch transparent und klar genug, um auch in den tieferen Lagen komplexere Akkorde noch ausreichend aufzulösen. Gesplittet erweist sich der Humbucker als erstaunlich gut – der Sound wird noch einmal deutlich durchsichtiger und offener in den Höhen. Schaltet man nach hinten auf den Stegtonabnehmer, nimmt die Lautstärke erheblich zu und es wird klar, wie viel Dampf der verbaute Fusion-Edge-Pickup auf dieser Position hat. Der Amp geht sofort in einen bissigen Crunch-Sound über und die RGIXL7 zeigt, wofür sie eigentlich gedacht ist.

Die tolle Maserung des Bodys (Bild: Dieter Stork)

So soll es sein, ich gehe in den Overdrive-Kanal und staune nicht schlecht: hier fliegen wahrlich die Fetzen! Der Steg-Humbucker hat gewaltig viel Leistung und liefert ein Bassfundament, das seinesgleichen sucht. Gepaart mit dem tiefen Tuning und der langen Mensur, entsteht ein druckvoller Sound, der den akustisch gespielten Eindruck in sofern bestätigt, als dass auch hier die Mitten ein gutes Stück zurück-treten und den Weg für ein sattes Tieftonverhalten und ein bissig nach vorne schnellendes Attack frei machen. Die Höhen sind gleichermaßen offen wie durchsetzungsstark und sorgen dafür, dass auch hier in den tieferen Lagen genug Transparenz für komplexere Akkorde erhalten bleibt.

Ich habe im Test die tiefe A-Saite sogar einmal um einen Ganzton nach unten gestimmt, sodass die Gitarre im Drop-G-Tuning war. Selbst hier war die klangliche Auflösung immer noch gut, wobei es sicher ratsam ist, den Bassgehalt am Verstärker ein wenig anzugleichen. Klar: Wer auf der Suche nach einem mittigen, eher klassisch-rockigen Ton ist, wird mit den wirklich äußerst modern ausgerichteten Fusion-Edge-Pickups wahrscheinlich nicht so glücklich werden. Die Stärken der RGIXL7 liegen einfach ganz klar in den modernen High-Gain-Sounds unserer Zeit und weniger in den mittigen Rock-Brettern vergangener Tage.

Übrigens: Auch im Distortion-Betrieb macht die Split-Funktion der Fusion-Edge-Pickups eine bemerkenswert gute Figur. Sicher kann ein gesplitteter Humbucker niemals einen echten Singlecoil-Tonabnehmer ersetzen; für den Live Betrieb oder eine kurze Clean-Passage ist der Ton jedoch mehr als ausreichend.

Alternativen

Der Markt für Gitarren mit erweiterter Mensur ist ja in den letzten Jahren beachtlich gewachsen; dementsprechend groß ist auch die Auswahl, wenn man nach Alternativen zur RGIXL7 sucht. Wer es beispielsweise ein wenig bunter und abgefahrener haben will, könnte die ebenfalls von Ibanez produzierte RGD71ALMS aus der Axiom-Label-Serie ins Auge fassen. Wem die Fächerung der Bünde und die aktiven Pickups etwas zu viel des Guten sind oder wer es grundsätzlich etwas unauffälliger mag, der könnte die A2.7C von Solar in Betracht ziehen. Hier finden wir eine vergleichbar gute Ausstattung jedoch mit einer um 0,5“ kürzeren Mensur, zu einem etwas höheren Preis. Zu guter Letzt sei gesagt, dass man natürlich auch den Gebrauchtmarkt nach einer alten Ibanez-XL-Gitarre abgrasen kann. Hier muss man sich mitunter leider auf mittlerweile recht hohe Preise einstellen.

Wer sich ein wenig ausführlicher mit der Geschichte der Ibanez-XL-Serie auseinandersetzen möchte, dem lege ich die Kolumne „Extended Range Guitars: Ibanez XL 7-Strings“ meines Kollegen Simon Hawemann aus der Ausgabe 01/2019 ans Herz.

Resümee

Alleine die Tatsache, dass diese Gitarre überhaupt existiert, ist Grund genug zum Jubeln. Ibanez-Fans weltweit haben seit Jahren mit steigender Sorge um das eigene finanzielle Überleben die Preise auf dem Gebrauchtmarkt beobachtet und sehnsüchtig auf eine Neuauflage dieses Baritone-Klassikers gewartet. Der Hersteller hat mit der RGIXL7 alles richtig gemacht und bietet – parallel zur deutlich teureren RG2027XL – ein wirklich bezahlbares Model an, welches sich aber in keinster Weise vor höherpreisigen Extended-Range-Gitarren verstecken muss. Hier stimmt von der Materialwahl, über die Verarbeitung bis hin zum Klang der Gitarre einfach alles und ich möchte jedem, der eine bezahlbare, moderne Baritone-Gitarre sucht, dringend raten, die RGIXL7 einmal anzutesten.

PLUS
• Verarbeitung
• Optik
• charakterstarke Tonabnehmer
• Hardware
• Spielbarkeit trotz langer Mensur

(erschienen in Gitarre & Bass 06/2019)

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