Im Interview

Greta Van Fleet: Die Band der Stunde

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Greta Van Fleet(Bild: HerfitzPR)

Eine Rockband, die gleich mit ihrem Debüt Platz 1 der amerikanischen Album-Charts erreicht und auch in Deutschland bis auf Platz 3 vorstößt – wann hat es das zuletzt gegeben? Und wie ist das überhaupt noch möglich? Greta Van Fleet haben etwas von der letzten Bastion einer aussterbenden Zunft: vier Grünschnäbel, die das Prinzip einer altmodischen Rockband verfolgen und damit auf offene Herzen und Ohren stoßen. Zum Glück …

Tatort Los Angeles: Jake Kiszka, Gitarrist von Greta Van Fleet, empfängt in einer geräumigen Hotelsuite, in der er der geladenen Weltpresse Rede und Antwort steht. Ein Indiz dafür, wie groß die Band aus dem amerikanischen Provinznest Frankenmuth in den letzten zwei Jahren geworden ist: Auf die beiden EPs ‚Black Smoke Rising‘ und ‚From The Fires‘ folgten Support-Slots für die Foo Fighters, Bob Seger und Guns N‘ Roses. Außerdem Auftritte bei der Grammy-Party von Elton John sowie auf allen relevanten europäischen Festivals.

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Und nicht zuletzt ‚Anthem Of The Peaceful Army‘, das im Oktober erschienene Debüt der drei Kiszka-Brüder und ihres Drummers Danny Wagner. Ein Kollektiv, das zwischen 19 und 23 Jahre alt ist, seit 2012 zusammenspielt und soeben den Durchbruch geschafft hat. Mit zehn Songs, die auf lupenreinen Classic Rock im Sinne von Led Zeppelin, auf starke Blues-Anleihen, psychedelische Momente und Fantasy-Texte über ferne Planeten voller Liebe und Harmonie setzen.

Eine gelungene musikalische Realitätsflucht, die von der Kritik mit Skepsis, von einem zumeist jugendlichen Publikum jedoch mit Euphorie aufgenommen wird und die – zumindest musikalisch – aus der Feder eines kleinen, dürren Twens mit langen schwarzen Haaren, Skater-Outfit und schiefem Grinsen stammt.

Genau den stellt Gitarre & Bass zur Rede – und ist erstaunt über so viel Ehrgeiz, Reife und Fachkompetenz.

Greta Van Fleet(Bild: Universal)

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Jake, wie lange spielst du schon Gitarre?

Seit frühester Kindheit. Ich habe im Alter von drei Jahren angefangen. Mein Vater spielt schon so lange ich denken kann, und ich habe ihm oft dabei zugeschaut, genau wie meinem Großvater, der Akkordeon-Spieler war. Seine Art des Spielens hatte einen gewaltigen Einfluss auf uns – genau wie seine Plattensammlung. Eben lauter Blues- und Soul-Scheiben, aber auch Folk, ein bisschen Jazz, R&B und Soul. All diese Sachen, die er so rumliegen hatte.

Du wirst oft mit Jimmy Page verglichen. Ein Kompliment, das dir schmeichelt – oder geht es dir eher auf die Nerven?

Das ist sehr schmeichelhaft – natürlich. Also, in einem Atemzug mit Led Zeppelin genannt zu werden, ist eine Riesenehre! Es gibt nichts Besseres. Obwohl: Wer weiß, ob uns das nicht doch irgendwann zu viel wird – weil es gerade von allen Seiten kommt. Aber momentan ist es noch in Ordnung. Led Zeppelin war schließlich eine der größten Rockbands aller Zeiten und deswegen haben sie uns natürlich auch beeinflusst. Keine Frage. Nur: Wir sind keine Kopie und kein Rip-Off – das ist uns wichtig.

Soll heißen: Ihr habt den klassischen amerikanischen Blues einfach genauso für euch entdeckt, wie die Musiker vor 50 Jahren?

Und genau wie vor ihnen die sogenannte British Invasion, die sich ebenfalls auf das konzentriert haben, was die Meister hinterlassen haben. Also von Howlin‘ Wolf über Muddy Waters, Elmore James, Lightning Hopkins, B.B. King, Albert King und natürlich die Leute aus der Folk-Welt – wie Arlo Guthrie, Woody Guthrie, Bob Dylan, Joan Baez, Joni Mitchell, etc. Die Liste lässt sich endlos fortsetzen. Ganz zu schweigen vom Soul einer Aretha Franklin und was da noch alles eingeflossen ist. Die Beatles, The Who, die Stones und Led Zeppelin haben das aufgesaugt wie ein Schwamm.

Insofern war das die Basis für das, woraus sie dann etwas aufregendes Eigenes gemacht haben. Denn: Der gesamte Katalog von Led Zeppelin besteht aus Sachen, die neu waren – oder zumindest neu arrangiert. Die es so noch nicht gegeben hat und die bis zu diesem Zeitpunkt auch gar nicht möglich gewesen wären. Insofern haben auch sie uns wahnsinnig viele tolle Sachen hinterlassen. Und es ist quasi unsere Aufgabe, wenn nicht sogar Pflicht, das aufzugreifen, davon zu lernen und unsere eigene Interpretation voranzutreiben. Deshalb bin ich auch der Meinung, dass die beste Art nach vorne zu schauen eigentlich darin besteht, auch mal zurückzublicken.

Darf man fragen, was euch als weiße Kids aus dem gutbürgerlichen, provinziellen Frankenmuth überhaupt an den alten Blues-Jungs fasziniert? Was ist so cool an ihnen?

Ich schätze, das hat mit der Suche nach kreativer Identität oder Reife zu tun – damit, etwas Anspruchsvolles und Erwachsenes machen zu wollen. Denn diese alten Blueser waren sehr geduldig und gelassen, was ihr Spiel betraf. Das war wirklich sehr durchdacht. Und ich merke ja selbst, welche Macht ich mit meinem Instrument über das Publikum habe.

Im Ernst: Die Energie, die ich auf der Bühne habe, sorgt dafür, dass ein paar Zuschauer regelrecht ausflippen. Was mich wiederum dazu veranlasst, wie ein durchgeknallter Wahnsinniger zu spielen. Das mache ich jetzt, da ich jung bin, natürlich sehr gerne und koste es richtig aus. Aber in der Zukunft, über die ich mir sehr wohl Gedanken mache, will ich eben auch ein ruhiges, durchdachtes Spiel entwickeln. Und das ist definitiv etwas, das man von den alten Kerlen lernen kann.

Die letzten beiden Jahre sind für euch sehr rasant verlaufen, sodass ihr euch vermutlich immer wieder vergewissern musstet, ob das alles wahr ist, was euch da widerfährt, oder?

Keiner von uns hätte je damit gerechnet, dass uns die Veröffentlichung von zwei EPs und einem Album an den Punkt führen könnte, an dem wir jetzt sind. Das wäre uns nie im Traum eingefallen. Wir dachten eher: „Wir veröffentlichen die EPs, gehen auf Tour und machen dann in aller Ruhe das Album.“ So war der Plan, und da war eigentlich keine Eile im Spiel. Aber dann ist alles wahnsinnig schnell passiert. Wir sind an immer mehr Orte gereist, haben in immer größeren Hallen gespielt und immer mehr Leute getroffen. Was unglaublich aufregend war – und ist.

Und was uns dabei auf dem Boden der Tatsachen hält, ist allein unsere Familie, die immer bei uns ist – und der Umstand, dass wir Brüder sind. Sprich: Wir stehen uns nahe, wir vertrauen einander und sind sehr bodenständig. Wir verbringen immer noch möglichst viel Zeit zu Hause bei Freunden und Familie. Und sie wiederum kommen zu unseren Shows, was immer sehr lustig ist.

Greta Van Fleet(Bild: rawpic)

Was ist mit Greta van Fleet, eurer Namensgeberin aus Frankenmuth? Besucht sie euch auch manchmal auf Tour?

(lacht) Das tut sie tatsächlich. Etwa, als wir das letzte Mal in Michigan gespielt haben – im Fillmore in Detroit. Da ist sie mit ihrem Ehemann und ihrer Familie aufgetaucht. Ist das nicht unfassbar? Sie ist über 80!

Warum habt ihr überhaupt ihren Namen – wenn auch in leicht abgewandelter Form – übernommen?

Weil wir dachten, dass es nett wäre, einen Bandnamen zu haben, der keinerlei Rückschlüsse darauf zulässt, wie wir klingen. Der einfach in der Luft hängt. Bei dem man auch denken kann: „Ist das eine weibliche Sängerin?“ Denn er sagt nichts, aber auch gar nichts über die Musik. Ganz abgesehen davon, ist es wirklich ein wunderbarer Name. Und deshalb haben wir sie gefragt, ob wir ihn verwenden können. Sie hat uns ihren Segen gegeben.

Mittlerweile habt ihr ein festes Produzententeam, zu dem u. a. Al Sutton zählt – der Tontechniker von Kid Rock. Wie wichtig ist er für euch und euren Sound?

Er und Marlon Young sind an allem beteiligt, was wir tun – genau wie Herschel Boone, der ebenfalls in der Band von Kid Rock spielt. Sie bringen eine unglaubliche Erfahrung mit. Weil sie genau wissen, wie man einen Song umsetzt. Und weil sie uns dabei helfen, unsere Ideen zu strukturieren. Darin sind sie unschlagbar und wir nehmen ihre Hilfe gerne an. Sie sind so etwas wie unser A-Team.

Waren sie es, die das Blackbird, eines der besten Studios in Nashville, für die Aufnahmen zu eurem Debütalbum vorgeschlagen haben?

Ja, sie kennen den Besitzer. Und nachdem wir ein paar Sessions in einem wesentlich kleineren Studio namens Rust Belt in Detroit bestritten hatten, wurde uns klar, dass wir einen Ort mit mehr Ressourcen brauchen. Also sind wir da hin. Und das war eine gute Entscheidung, weil es einen positiven Effekt auf den Sound hatte.

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Was für Gitarren spielst du?

Eine Gibson Les Paul Standard (SG) von 1961 – meine erste richtige Gitarre! Davor hatte ich eine klapprige akustische First Act und eine Squire, auf der ich so lange gespielt habe, bis ich den nächsten Schritt machen konnte. Ich habe immer gewechselt, wenn ich einer Sache entwachsen war – bis ich bei einer SG Standard mit P-90- Pickups gelandet bin. Da war ich zwölf – und habe dann auch ernsthaft angefangen zu spielen. Dabei bin ich geblieben. Einfach, weil sie mir erlaubt, alles zu machen, was ich gelernt habe. Und weil ich weiß, wie ich das darauf hinbekomme.

Momentan habe ich eine Les Paul (SG) von 1961 und mit der toure ich auch. Ich habe gerade noch eine weitere 61er erworben, und fühle mich sehr angezogen von PAFPickups. Ihr Sound ist großartig. Und live verwende ich noch ein paar andere Sachen – aber hauptsächlich ist das meine Gitarre, diese 61er Les Paul (SG).

Greta Van Fleet
Gitarrist Jake Kiszka mit seiner 1961er Gibson Les Paul Standard – ab 1963 und bis heute als SG bekannt. (Bild: Stefan Brending)

Wie steht es mit Verstärkern und Effekten?

Ich bemühe mich, so wenig Effektgeräte wie möglich einzusetzen, um mich mehr auf die Performance konzentrieren zu können und darauf, was sich als Musiker überhaupt mit einer Gitarre und einem Verstärker anstellen lässt. Deswegen bin ich eher minimalistisch, was Pedale betrifft. Ich habe ein Holy Grail Reverb, ein WahWah-Pedal und ein Preamp-Boost-Pedal für Lead-Sachen. Ich spiele über einen Marshall Astoria.

Warum hast du dich für den entschieden?

Der Chicago Music Exchange, ein Laden, in dem wir Stammkunden sind, hat ihn mir mit den Worten übergeben, ich solle ihn einfach mal ausprobieren, und wenn er mir gefällt, solle ich ihn mit auf Tour nehmen. Wenn nicht, würden sie mir etwas anderes anbieten, was mir vielleicht besser gefällt. Denn zu der Zeit habe ich nach Amps gesucht, die mir den Sound liefern, den ich mir vorstelle. Und das war dann das allererste Mal, dass ich durch einen Röhrenverstärker gespielt habe.

Vorher hatte ich immer Transistor-Kram. Doch als ich dann die 61er Les Paul bekam und sie über den Marshall gespielt habe, war das ein Erlebnis, das mein Leben nachhaltig verändert hat. Ich fing an, Sachen zu spielen, von denen ich gar nicht wusste, dass ich überhaupt in der Lage dazu war. Sprich: Es war der perfekte Verstärker – und die perfekte Kombination. Deshalb bleibe ich dabei. Genau wie bei meinem Bletchley, einem weiteren Boutique-Amp. Die Firma ist im Süden von Detroit beheimatet und der Amp klingt zwar sehr nach Marshall, hat aber doch seine eigene Persönlichkeit. Davon habe ich auf Tour auch immer ein paar dabei. Ich lasse sie über ein 4×12″-Marshall-Cabinet laufen. Ich kombiniere sie quasi.

Wie sieht es denn mit Akustik-Gitarren aus?

Ich habe eine akustische 12-saitige von Martin, auf der ich gerne Songs von John Denver anstimme – im Ernst. (kichert) Deshalb habe ich sie mir zugelegt. Aber auch wegen Leo Kottke oder Leadbelly. Es ist ein wunderbares Instrument. Du schlägst einen Akkord an und es klingt toll. Es katapultiert dich an einen anderen Ort.

Greta Van Fleet
Bassist Sam Kiszka mit seinem Fender Mexico Precision Bass (Bild: Stefan Brending)

Ist das die Intention, die ihr mit eurer Musik verfolgt: Dem Hörer eine Zuflucht zu bieten bzw. ihn auf eine Reise zu schicken?

Es hat tatsächlich etwas davon: Es geht darum, etwas zu kreieren, das das Leben nicht zu bieten hat. Und Musik ist nun einmal ein Mittel zur Flucht – auch bei uns. Wir legen sie so an, dass sie dich an die unterschiedlichsten Orte führt – wenn du dich nur darauf einlässt. Wie im Video zu ‚When The Curtain Calls‘: Es zeigt eine Welt, die wir uns erträumt haben – mit dem Berg der Sonne, der von einem Ring umgeben ist, und auch auf dem Album-Cover zu sehen ist. Eine schöne neue Welt voller fremder Wesen.

Und in der seid ihr die Peaceful Army, die friedliche Armee?

Das ist so etwas wie unsere Mission. Nämlich das Konzept, Menschen zu vereinen und zusammenzuführen – durch Liebe und Frieden. Eine ganz simple Sache. Und weil die Leute in so großen Mengen zu unseren Konzerten strömen, hat es wirklich etwas von einer Armee, mit der wir unsere Musik teilen. Eine unglaubliche Sache.

diskografie

Black Smoke Rising-EP (Lava/Universal, 4/2017)
From The Fires-EP (Lava/Universal, 11/2017)
Anthem Of The Peaceful Army (Lava/Universal, 11/2018)

(erschienen in Gitarre & Bass 02/2019)

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Ich bin von dieser Band begeistert! Und ich bin schon 68 Jahre alt. Die Stimme von Josh hat eine Superqualität und ebenso das Gitarrenspiel von Jake.
    Ich war schon auf 3 Konzerten (Berlin, Berlin und Wien) und immer sehr zufrieden. Nun freue ich mich auf das Konzert in München, meinem Geburtsort.
    Weiter so, Jungs!

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