(Bild: Dieter Stork)
Jeder kennt Dave Friedmans Brown Eye BE-100, oder? Anzunehmen, schließlich ist das Topteil innerhalb kürzester Zeit zum Inbegriff des modern heißgemachten Marshall-Plexi-Sounds geworden. Wenn etwas derart chartet, liegt es für die Macher natürlich nahe den Nimbus auf anderen Ebenen zu nutzen.
Friedmans erstes Projekt in dieser Richtung war/ist das BE-OD, ein Pedal in typischer Standard-Größe (ca. 65 x 120 mm), das in seinen Regelmöglichkeiten einem kompletten Preamp gleichkommt (Volume, Gain, Tight, Bass, Treble, Presence; Test und Soundfiles in G&B-Ausgabe 03/2017).
analog
Das neue „Deluxe“-Modell verfolgt diesen Ansatz auf Basis gleicher Technik noch konsequenter. Es stellt zwei komplette Kanalzüge bereit, regelbar sind jeweils die Parameter Volume, Bass, Mid Treble, Presence (kleines Trimmpoti) und Gain. Außerdem erlaubt es diesmal ein Dreiwege-Miniswitch namens Tight, die Wiedergabe der tiefen Frequenzen zu variieren – beim „kleinen“ BE-OD übernimmt diese Funktion ein Poti. Die beiden Kanäle sind identisch ausgestattet, aber funktional doch nicht gleich.
Dank einer True-Bypass-Schaltung entfernt sich das BE-OD Deluxe im Off-Status komplett aus dem Signalweg. Batteriebetrieb ist nicht vor-gesehen. Der DC-Input akzeptiert 9–18 Volt. Ein 2x9V-Splitter-Anschlusskabel gehört zum Lieferumfang, es müssen allerdings zwei isolierte 9VDC-Quellen bereitstehen, um die 18Volt-Option (höhere Dynamik) auf diese Art nutzen zu können.
Der Aufbau zeigt keine Besonderheiten. Im Alugehäuse mit angeschraubter Bodenplatte findet sich eine moderne analoge Schaltung, die sich um fünf ICs gruppiert und mehrheitlich mit SMD-Bauteilen umgesetzt ist. Beim Erzeugen der Verzerrungen sind vier Dioden beteiligt. Zwei Gain-Trimmer erlauben dem Anwender, weitere individuelle Abstimmungen vorzunehmen. Die Verarbeitung ist absolut tadellos und verspricht langlebige Funktion. Eine Sache irritiert aber: die Beschriftung der Klinkenbuchsen „In“ und „Out“ ist an der Bodenplatte aufgebracht. Ist das irgendein Insider-Joke, den ich nicht mitgekriegt habe?
(Bild: Dieter Stork)
feinherb
Friedmans Website macht im Infotext eine „mutige“ Ansage: „Der BE-OD Deluxe liefert einen authentischen Röhrenverstärker-Sound … “
Zack, schnellen die Augenbrauen hoch. Mit Halbleitern?! Das ist dichterische Freiheit der nur zu gerne optimistisch formulierenden US-Werbetexter, gelle? Nein, ist es nicht, bzw. nur wenig. Man muss zwar gewisse Abstriche hinsichtlich der Transparenz/Tiefe im Ton und der Detailtreue im Umgang mit dem Eingangssignal hinnehmen, ansonsten ist die Klangformung aber wirklich sehr röhrenähnlich – das kleine BE-OD hat es vorgemacht.
Ursächlich dafür sind u. a. sich aufbauschende Oberwellen in den Hochmitten, die lebendig variieren und so dem Tube-Sättigungsverhalten sehr nahe kommen. Außerdem liegt in den Distortionsounds viel Kraft, der Ausklang ist homogen, das Sustain wird unterstützt und die Verzerrungen setzen sich vornehmlich harmonisch zusammen. Die Abstammung und Nähe zum exklusiven BE-100-Head ist im Timbre der Sounds unüberhörbar.
Die Klangregelmöglichkeiten stellen eine gesunde Variabilität bereit, wobei sich die Presence-Bereiche als willkommenes Extra erweisen. Der knappe Herstellerhinweis, das Gain-Niveau unterscheide die beiden Kanäle, entpuppt sich als Understatement. Tatsächlich treffen zwei eigene Charaktere aufeinander. Der grüne, im Gain heißere Kanal (oben) – im Prinzip identisch mit dem kleinen BE-OD – klingt raumgreifend und voluminös, hat viel Boost in den oberen Mitten, beißt, schreit, singt, lässt sich leicht zu Obertönen provozieren und verkörpert so den modernen britischen Sound. Der blaue Kanal tönt erheblich erdiger, fetter unten herum, grober kratzend in den Höhen, was in der Summe eine klassischere Note hervorbringt.
resümee
Das BE-OD Deluxe öffnet neue Dimensionen. Es liefert die gleiche elegante Brownie-Attitüde wie das kleine BEOD Pedal zuzüglich einer zweiten, nicht minder charakterstarken Sound-Ebene. Pedal-Tonformung auf höchstem Niveau, klanglich variabel noch dazu. Keine Frage, das BE-OD Deluxe ist uneingeschränkt empfehlenswert. Und sicher nicht zu teuer, wenn man sich das (hohe) Preisgefüge auf dem Sektor der Boutique-Pedale vor Augen hält.
PLUS
• starke Sounds, sehr ausdrucksstark, variabel
• Tight-Schalter, Presence
• Verarbeitung/Qualität
Hinweise zu den Soundfiles:
Für die Aufnahmen kam ein Kondensatormikrofon mit Großflächen-membran zum Einsatz, das C414 von AKG, nahe platziert vor einem Celestion Vintage30 in einer konventionellen 4×12-Box. Den Grundsound lieferte der Clean-Kanal meines Diezel VH2-Head.
Die Clips wurden pur, ohne Kompressor und EQ-Bearbeitung über das Audio-Interface Pro-24DSP von Focusrite in Logic Pro eingespielt und abgemischt. Das Plug-In „Platinum-Reverb“ steuert die Raumsimulationen bei.
Die Instrumente sind eine Fender-CS-Relic-Strat-1956 (m. JB-Humbucker v. Seymour Duncan am Steg) und eine Steinberger GL4T (EMG-aktiv, aber m. passivem Humbucker v. Seymour Duncan am Steg).
Clips 1 – 6: Das BE-OD Deluxe kann man, dank der Dreibandklangregelungen in beiden Kanälen (Blue Channel + Green Channel) variabel einstellen. Und natürlich auch schlank machen in den unteren Frequenzen. Ich habe es für die Clips aber vorgezogen, den Ton fett zu halten. Damit man hört wie ausgesprochen kraftvoll das Pedal seine Sounds formen kann.
Clip 7 präsentiert mein „Referenz-Riff“ (RefRiff), das ich einspiele, damit man den Charakter (die Verzerrungen selbst sind hier gemeint, nicht die Frequenzkurve) der von uns getesteten Produkte quasi auf einer neutralen Ebene vergleichen kann.
Ich wünsche viel Vergnügen, und…, wenn möglich, bitte laut anhören, über Boxen, nicht Kopfhörer! 😉
Fragen, Anregungen und ja, auch Kritik sind wie immer stets willkommen. Nachrichten bitte an frag.ebo@gitarrebass.de. Es klappt nicht immer, aber ich werde mich bemühen möglichst kurzfristig zu antworten.
Text + Musik: Ebo Wagner (GEMA)
Für mich sind diese sound-files eine wirklich nützliche Ergänzung zu den üblichen Tests. Die ausführlichen und oft schon poetischen Beschreibungen des Klangs von Gitarren, Verstärkern und Effekten im Text sind zwar oft unterhaltsam zu Lesen aber am Ende doch wenig aussagekräftig.
Was für den einen “klar” oder “brilliant” ist, ist für den anderen harsch oder schrill. “Fett” kann auch als dumpf empfunden werden, “holzig” oder “warm” kann dann auch schon fast alles bedeuten…
Ganz viele der Diskussionen über Vintage-Tugenden und Tonholz-Voodoo können bei nüchterner Betrachtung auf solche semantischen Missverständnisse reduziert werden.
Deshalb sagt ein Beispiel eben mehr als tausend Worte.
Einen kleinen Vorschlag hätte ich aber für Tests von Verstärkern oder Pedalen wo es um Verzerrung geht: bitte demonstriert hier dich auch bitte wie der Klang auf das Volume-Poti reagiert.
Für mich ist bei Amps und OD Pedalen eigentlich das wichtigste Kriterium, ob die Verzerrung sich mit dem Volume-Poti steuern lässt.
Ich würde das mit einer Gitarre mit treble-bleed Schaltung oder 50s-wiring demonstrieren. Die Ergebnisse sind zwar recht variabel, abhängig von den Pickups und eben dem wiring der Gitarre, da aber viele Gitarristen genau so ein setup verwenden wäre das Ergebnis für viele sicher aussagekräftig.
Das BE OD is zB in dieser Hinsicht nicht so dynamisch unterwegs wie zb ein Fulltone OCD oder ein Vahlbruch Saphire Drive.