Preisbrecher

Test: Harley Benton Fusion-II HH FR MN / Fusion-II HH FR Roasted

Anzeige
Harley Benton Fusion(Bild: Dieter Stork)

Modern aufgemachte ST-Style-Gitarre mit Korpus aus Mahagoni, Ahornhals mit Modern-C-Profil und Bundierung aus Edelstahl, Floyd-Rose-Vibrato, Alnico-Pickups, Grover-Mechaniken … das liest sich doch durchaus vielversprechend und sieht absolut respektabel aus. Aber kann das auch was? Wir halten mal rein …

Harley Benton ist die Hausmarke vom Musikhaus Thomann. Unter diesem Label sind preiswerte Electrics in großer Bandbreite zu finden. Das Fusion-II-Modell ist neben den vorgestellten Versionen mit zwei Humbuckern auch noch mit HSH-Pickup-Konfiguration zu haben.

Anzeige

Ergonomie & Zutaten

Mit den beiden Harley Benton Fusion-IIModellen liegen uns zwei nach modernen Standards gestaltete Instrumente der Gattung „solistische Kampfgeräte“ vor. Ergonomische Formgebung, 24-Bund-Hals, Vibrato-System und leistungsstarke Elektrik sind dafür die wenig überraschenden Grundzutaten – wenn man schon staunen will, dann über den niedrigen Preis, zu dem das möglich sein soll.

Schauen wir aufs Detail: Der Korpus aus dreiteilig gefügtem Mahagoni bekam jeweils ein Deckenfurnier aus geflammtem Ahorn aufgeleimt – auffällig schön gemacht ist die hochglänzende Bengal-Burst-Lackierung, aber ebenfalls tadellos die Gloss-Natural-Versiegelung der Roasted-Variante. Was von der Seite wie eine Decke aussieht, ist lediglich ein Fake-Binding, also der durch Abkleben vor dem Lackieren erhalten gebliebene Naturton des Korpusholzes. Konturen für die Armauflage vorn und eine Anlagebucht am Boden oben sorgen für den diesem Instrumententyp zugesprochenen Spielkomfort. Die Bodies sind ansonsten rundum hochglänzend lackiert, den Unterschied macht lediglich die Farbgebung.

Deutlichere Differenzen finden wir in der Beschaffenheit der Hälse: unseren Probanden ist zwar jeweils einer aus Ahorn mit Modern-C-Profil aufgeschraubt (vier in Hülsen geführte Schrauben, angepasste Korpusaufnahme), aber derjenige aus der Pro-Serie (Bengal Burst) verfügt über ein glanzlackiertes Griffbrett aus „Canadian Hard Maple“, der aus der Natural-Serie kommt mit einem aus „Roasted Maple“ (wärmebehandelter Ahorn). Anders als in der Specs-Liste zu lesen, scheint aber auch der Hals selbst einer „Roasted“-Prozedur unterzogen worden zu sein.

Harley Benton Fusion
Roasted-Maple-Griffbrett mit Bundierung aus Edelstahl (Bild: Dieter Stork)

Einen weiteren Unterschied finden wir in der Bundierung der Hälse: das helle Griffbrett der Bengal-Burst-Gitarre verfügt über 24 Jumbo-Bünde, das dunklere der Natural über 24 leicht schmalere Medium Jumbo Frets – allesamt aus Edelstahl und durchaus ordentlich verarbeitet. Wo das helle Griffbrett über schwarze Dots zur Lagenkennung verfügt, zeigt das Roasted Fretboard cremefarbene Inlays.

Die Köpfe sind im Matching-Headstock-Design der Korpusoptik entsprechend mit Ahorn-Furnieren belegt und lackiert, was bei der Bengal-Burst-Variante deutlich mehr ins Auge fällt. Von den 6-inReihe montierten Grover-Mechaniken mit kleinen Griffen werden die Saiten unter einem „String Tension Bar“ hinweg zur Klemmbrücke geführt (ohne Halsdurchbohrung aufgeschraubt), die zur Floyd-Rose-1000-Vibratoeinheit mit justierbarem Eindreh-Arm und Feinstimmern auf dem Korpus gehört.

Die identische Elektrik umfasst jeweils zwei Roswell HAF Humbucker mit Alnico5-Magneten, die wir ohne Kappen direkt in den Korpus geschraubt finden. Sie lassen sich über einen zwischen die Regler platzierten Mini Switch splitten, also mit einem Handgriff in Singlecoils verwandeln. Angewählt werden die Pickups konventionell allein oder zusammen mit einem Dreiwege-Kippschalter. Zur Kontrolle stehen jeweils die Regler Master Volume und Master Tone parat.

Auch wenn wir angesichts des Preisniveaus nicht die letzte Widmung für das kleinste Detail erwarten können: Die aus Indonesien stammenden Instrumente weisen ein durchaus ansprechendes Niveau serieller Fabrikfertigung auf.

Harley Benton Fusion
Matching Headstock mit Floyd-Rose-Klemmsattel (Bild: Dieter Stork)

Auf der Höhe der Zeit

Die Fusion-II-Modelle aus der Pro Serie orientieren sich an aktuellen Modern-Strat-Entwicklungen. Gewisse Ähnlichkeiten mit Ausführungen etwa der Ibanez AZ Series oder der Suhr Modern sind da nicht weiter überraschend. Diese Kategorie von Electrics wendet sich an den ambitionierten Spieler, der für seine solistischen Vorträge komfortable Spielbedingungen mit großem Tonumfang, ungehindertem Griffbrettzugang bis hinauf zum 24. Bund und einem verstimmungsfreien Vibrato fordert. Im Prinzip kann ihm all das auch die HB Fusion-II bieten. Schauen und hören wir uns also an, wie gut ihr das gelingt.

Zunächst einmal sind unsere Testkandidaten mit jeweils ca. 3,9 kg nicht gerade leicht. Dass bei diesem Preis die begehrten leichten Tonhölzer zum Einsatz kommen, kann man auch nicht wirklich erwarten. Davon abgesehen finden wir in den Modellen die vorgenannten Forderungen weitgehend erfüllt. Die kraftvoll gestalteten, erfreulich komfortabel profilierten Modern-C-Hälse spielen sich mit ihren Bundierungen aus Edelstahl und tief eingerichteten Saitenlagen auf jeden Fall richtig gut.

Vom akustischen Klangambiente her liegen die Gitarren nicht bemerkenswert weit auseinander. Akkorde erweisen sich als schlüssig und transparent aufgelöst, Schwingverhalten und Sustain liegen überdies fraglos im grünen Bereich.

Was können die Pickups nun daraus machen? Verbaut sind Roswell HAF Humbucker ohne Kappen. Die arbeiten mit Alnico-5-Magneten und treten bei beiden Modellversionen mit maßvollem Output und ausgeglichenen Werten von ca. 8,0 kOhm bis 8,4 kOhm an.

Humbucker mit Coil-Split-Option (Bild: Dieter Stork)

Die Bengal Burst Fusion-II übersetzt mit diesen Pickups die ausgeglichene akustische Substanz in kraftvolle, klar zeichnende elektrische Sounds. Akkorde erscheinen bei unverzerrter Wiedergabe transparent in ihre Stimmen gegliedert, die Frequenzverteilung stimmt und die Tonfarbe ist besser als erwartet. Das lässt sich auch vom Steg-Pickup sagen, der nicht zu viel komprimiert und durchaus offene Höhen liefert. Selbst die Ansprache ist angesichts des massiven Floyd Rose Vibratos erfreulich gut und auch in Sachen Tonlänge gibt es keine Klagen.

Gehen wir in die Zerrabteilung, so zeigt sich der Humbucker in der Halsposition auch härteren Attacken mit stabilem Bass gewachsen. Powerchords gehen keineswegs aus dem Leim, sondern überzeugen mit straffer Kontur und guter Präsenz. Melodiespiel profitiert von einer achtbaren Tonfestigkeit, schnell gespielte Noten werden präzise umgesetzt und von einer leichten Perkussion durchaus plastisch in Szene gesetzt. Die letzte Sweetness ist zwar nicht zu haben, aber niemand hat uns in dieser Hinsicht ja auch einen Rosengarten versprochen. Mal ganz abgesehen davon, dass süße Vintage-Seeligkeit nicht für jeden Spieler das Ziel seiner Träume sein muss.

Schalten wir auf den Steg-Pickup, so öffnet der Ton sich im Höhenbereich deutlich, springt auch leicht vor, steht aber immer noch in einem guten Verhältnis zu seinem Kollegen am Hals. Die Umsetzung ist achtbar offen und stimmlich transparent, damit ist auch in rhythmischer Hinsicht gut arbeiten. Im Overdrive kann sich das Attack-Verhalten dann absolut sehen lassen. Die Töne federn nach akzentuiertem Anschlag schnell in Stellung, erweisen sich als standfest und durchaus dynamisch steuerbar. Trotz einer leichten mikrofonischen Empfindlichkeit bei High Gain Settings ist die mit den Roswell-Pickups erreichte Tonqualität für ein Instrument dieser Preiskategorie doch wirklich beachtlich.

Mit umgelegtem Mini Switch erschließen wir uns auch noch eine zweite Klangebene. Die Pickups bieten uns nun tendenziell klassische Singlecoil-Sounds, die am Hals nicht ganz das Niveau einer guten Strat erreichen und am Steg mit scharfem Twang tendenziell sogar Richtung Tele tendieren. Zusammen mit dem Kehlklang der zusammengeschalteten Einzelspulen haben wir auf jeden Fall drei weitere brauchbare Sounds an der Hand.

Bei der Natural Fusion-II mit Roasted Maple-Hals bleibt prinzipiell in tonfarblicher Hinsicht, aber auch von der ganzen Attitüde her alles in der Familie. Will sagen, der geröstete Hals mit seiner leicht differierenden Bundierung setzt seine Akzente nur dezent. Die Sounds sind etwas abgerundeter, im Bass etwas trockener, bleiben aber grundsätzlich in der Nähe der unbehandelt blassen Schwester (die mir in ihrem aufreizenden Tigerstripe-Outfit auch schon wieder lächelnd ein Auge zukneift).

Letztere kommt alles in allem etwas frecher rüber, aber das kontert unser Barbecue Girl locker mit gut gerundeten Sounds im Humbucker-Modus. Die etwas weichere Artikulation hat durchaus etwas für sich, wirkt sich auch auf die ebenfalls angelegten Singlecoil Sounds eher positiv aus, aber keine Sorge, im Gain-Betrieb kann die Natural Fusion-II auch Brett! Vor allem über den Steg-Pickup macht sich die etwas weniger scharfe Bissigkeit gut, aber das bleibt wohl Ansichts- oder Geschmackssache wie bei der Currywurst, für die manche Lokale mit Recht ja auch Gradeinteilungen von ‚Anfänger‘ bis ‚extrem scharf‘ (nur mit ärztlichem Gesundheitszeugnis) anbieten.

Das Floyd Rose arbeitet so verstimmungsfrei wie wir uns das nur wünschen können. Down Bendings bis die Saiten wie weichgekochte Spaghetti auf dem Griffbrett liegen sind ebenso problemlos stimmstabil ins Werk zu setzten wie Up Bendings bis zu einer Quarte hinauf. Zum Schutz der Feinstimmerzylinder ist in die entsprechende Ausfräsung hinter dem System ein Gummi-Pad eingeklebt.

Floyd Rose Vibrato (Bild: Dieter Stork)

Resümee

Mit den Fusion-II-Modellen schickt Harley Benton moderne Double Cutaway Electrics ins Rennen, die auf der Höhe der Zeit operieren.

Die vorgelegten Varianten unterscheiden sich vornehmlich durch ihre Halsbeschaffenheit. Der eine ist aus kanadischem Ahorn mit Ahorngriffbrett und Medium Jumbo Bünden ausgestattet, der andere ist aus Roasted Maple und kommt mit etwas stärkerer Jumbo-Bundierung. Unbedingt beachtlich, dass man ihnen jeweils 24 Bünde aus Edelstahl eingesetzt hat, erfreulich aber vor allem, dass sie mit ihrem Modern-C-Profil und gut gemachtem Setup erstaunlich erwachsene Spieleigenschaften zu bieten haben.

Sogar die Leistung der recht ausgeglichen tönenden Roswell Humbucker muss man überraschend vital nennen, sind ihnen doch neben kraftvollen Humbucker-Sounds auch noch respektable Singlecoil-Klänge per Coil Split abzugewinnen.

Wen das hohe Gewicht von ca. 3,9 kg und das Image einer Billiggitarre nicht schreckt, der erhält mit der Fusion-II – und die preiswertere Version steht der Roasted Maple-Schwester kaum nach – auf jeden Fall eine Gitarre mit unverschämt gutem Leistungspaket für eigentlich viel zu wenig Geld. Das wirft Fragen auf? Ja klar, aber die musst du dir selbst beantworten.

PLUS

  • klassisch modernes Design
  • Schwingverhalten/ Sustain
  • ausgeglichene Pickups
  • kraftvoll-variable Sounds
  • Edelstahlbünde
  • Halsprofil
  • Roasted Maple (Natural)
  • Spieleigenschaften
  • Floyd Rose
  • ordentliche Verarbeitung

MINUS

  • mit 3,9 kg etwas schwer

(erschienen in Gitarre & Bass 05/2019)

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.