Ihr Nachname lässt einen kurz stutzen, dann aber den ersten Gedanken schnell wieder verwerfen: Strauss? Sollte die grandiose Musikerin, die zur Zeit in Diensten von Alice Cooper ist, etwa eine Nachkommin des großen Johann Strauss sein? Nein, das kann nicht sein! Doch Nita Strauss bestätigt, dass ihre Familie in direkter Linie mit dem deutsch-österreichischen Komponisten verwandt ist. Und so kristallisiert sich langsam ein Bild heraus, das den momentan riesigen Hype um die 31-Jährige erklärt.
Denn in ihr bündeln sich fundiertes musikalisches Wissen, tadellose technische Fähigkeiten, weltweiter Erfolg und aufgrund ihrer Attraktivität ein perfektes Marketingprofil. Kein Wunder also, dass Ibanez die Chance beim Schopf gepackt hat, ihrer langjährigen Endorserin zum zehnten Jubiläum der Zusammenarbeit ein eigenes Signature-Modell zu widmen. Es nennt sich JIVA und fällt durch einige sehr geistreiche Features sowie einer gelungenen Optik auf. Zudem ist Ende November Nitas erstes Soloalbum ‚Controlled Chaos‘ erschienen. Anlass genug, sie zur neuen Scheibe, zur Ibanez JIVA und zu einigen Eckpunkten ihrer musikalischen Karriere zu befragen.
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interview
Nita, wie ist das, wenn man als Nachfahre eines so berühmten Komponisten wie Johann Strauss zur Welt kommt? Erdrückt einen die Last?
Als Kind realisiert man das natürlich zunächst gar nicht. Man lernt nur sehr schnell, dass man in einer musikalischen Familie aufwächst. Mein Vater ist ebenfalls Musiker, er hat mir die ersten Griffe auf der Gitarre beigebracht. Natürlich lief bei uns Zuhause ständig klassische Musik, auch die von Johann Strauss. Ich finde es natürlich toll, sein Nachfahre zu sein, denn das Wissen darum hat mir immer zusätzliche Energie verschafft, die dann mit dem Film ‚Crossroads‘ geradezu explodiert ist.
Aha!?
Ja, ich sah in ‚Crossroads‘ das Gitarrenduell von Steve Vai und wusste sofort: Das ist es, was ich machen möchte! Ich war damals gerade 13 und fand Steve unglaublich cool. Bis heute gehört es zu meinen vorrangigen Zielen, so cool zu wirken wie Steve Vai in ‚Crossroads‘. Man sieht den ungeheuren Spaß, den er beim Spielen hat, ich könnte jeden Ton seines improvisierten Solos nachsingen, so häufig habe ich es mir angeschaut. Es ist auch jetzt noch auf meinem iPad, ich schaue es mir nach wie vor regelmäßig an.
(Bild: Robert Downs)
Ist für eine Musikerin, die so viel auf Tournee ist wie du, die Produktion eines Soloalbums logistisch eine große Herausforderung? Wie, wo und wann hast du an deiner neuen Scheibe gearbeitet? Und was waren deine Visionen für die neuen Songs?
‚Controlled Chaos‘ wurde in Tourbussen, Hotelzimmern, Studios und überall dort produziert, wo ich ausreichend Platz für meinen Laptop gefunden habe. Als Musikerin, die permanent auf Tournee ist, muss man ständig auf der Suche nach Möglichkeiten sein, Songs schreiben und sie aufnehmen zu können. Beim Songwriting habe ich mich diesmal stärker von meinen innersten Gefühlen als von technischen Gesichtspunkten leiten lassen. Jeder Song hat seine eigene Geschichte und eine tiefere Bedeutung für mich. Meine Hoffnung ist, dass diese Scheibe nicht nur in der Gitarren-Community große Beachtung finden wird, sondern möglichst viele neue Hörerschichten erreichen kann, die mit instrumentaler Gitarrenmusik bislang noch nicht so sehr vertraut waren.
Wo und mit welchem Equipment hast du die Scheibe eingespielt?
Der Großteil der Aufnahmen fand mit dem Universal Audio Apollo Twin statt. Dadurch hatte ich die Möglichkeit, trotz der vielen Reisen und unterschiedlicher Rahmenbedingungen einen einheitlichen Sound für mein Album zu gewährleisten. Sämtliche Gitarrenparts sind mit meinem Ibanez-Signature-Modell JIVA eingespielt.
Wie hast du die Rhythmusgitarren, die Soli und die zusätzlichen Parts aufgenommen? Gibt es viele Overdubs auf ‚Controlled Chaos‘?
Nein, Overdubs gibt es bei mir generell nur sehr wenige. Es existieren zumeist pro Song jeweils eine Rhythmusgitarre links und rechts und darüber hinaus eine etwas tiefer angelegte Akkordbegleitung, hinzu kommen eine einzige Solospur und eine weitere Spur für zusätzliche Harmonieparts. Mehr nicht, denn ich wollte unbedingt eine hörbare Klarheit und Transparenz gewährleisten.
Mit welcher Rhythmusgruppe hast du die Songs eingespielt? Wer hat ‚Controlled Chaos‘ produziert?
Sämtliche Gitarren und Bässe stammen von mir. Das Schlagzeug wurde von Josh Villalta eingespielt, die Keyboards von Katt Scarlett, das Cello in ‚The Show Must Go On‘ stammt von Tina Guo. Produziert wurde ‚Controlled Chaos‘ von mir selbst, engineert haben die Songs Travis Huff und ich, gemischt wurden sie von Mike Plotnikoff, das Mastering hat Brian Lucey übernommen.
Seit wenigen Monaten steht dein erstes eigenes Signature-Modell in den Läden. Wie kam es dazu und mit welchem Anspruch bist du an die Entwicklung herangegangen?
Zunächst einmal: Ich fühle mich zutiefst geehrt, der erste weibliche Signature-Künstler in der langen Geschichte von Ibanez zu sein. Die ersten Ideen zur JIVA wurden bereits 2017 entwickelt, final umgesetzt wurden sie dann 2018, also in meinem zehnten Jahr als Ibanez-Endorserin.
Weshalb schwörst du ausgerechnet auf Ibanez?
Ibanez-Modelle fühlten sich für mich immer schon wie die perfekten Gitarren an. Ich habe so ziemlich jedes Modell jeder anderen großen Company getestet, doch als ich mit etwa 19 zum ersten Mal eine Ibanez in die Hand nahm – es war eine RG120, die mich gerade einmal 200 Dollar gekostet hatte – spürte ich, warum alle behaupten, dass sich diese Gitarren so einfach spielen lassen. Ich meine, die größten Künstler spielen Ibanez: Paul Gilbert, Joe Satriani, Steve Vai, alle.
Mit welcher grundsätzlichen Idee hast du die Entwicklung deiner Ibanez JIVA begleitet?
Mein Ziel war es, eine Gitarre mit hochwertigen Features, hochwertigem Holz und einer Reihe möglichst unterschiedlicher Klangmöglichkeiten zu entwickeln, und das alles zu einem auch für normale Gitarristen erschwinglichen Preis. Ich wollte auf keinen Fall eine Art Sammlermodell kreieren, sondern ein Instrument, das von echten Musikern gekauft und auch gespielt wird. Ich denke, dass ich dieses Ziel erreicht habe.
Welches sind die wichtigsten Features?
Mahagonikorpus, Quilted-Maple-Decke, das Finish nennt sich „Deep Space Blonde“. Ich habe so etwas noch nie bei einer anderen Gitarre gesehen. Dazu kommt ein Ebenholzgriffbrett mit fluoreszierenden Side-Dots.
(Bild: DiMarzio)
Besonders schön sind auch die Inlays mit der Herzschlag-Frequenz.
Ja, das gefällt mir auch ausnehmend gut, zumal der Gag ist, dass der Herzschlagrhythmus mit höheren Bünden immer schneller wird. Ich finde, es ist ein tolles Gleichnis.
Sind die in der JIVA verbauten DiMarzio-Pickups deine Signature-Modelle?
Ja, jedenfalls die beiden äußeren. Der Pickup in der Mitte nennt sich ‚True Velvet‘ und wurde mir von Larry DiMarzio empfohlen.
Zu ihm hast du ein außergewöhnlich gutes Verhältnis, oder?
Oh ja, absolut. Er ist einer der innovativsten Menschen, die ich kenne, und ein absoluter Trendsetter. Mein Freund Josh und ich haben ihn irgendwann in Los Angeles zum Essen getroffen und mit ihm über die Idee meiner Signature-Gitarre gesprochen. Ursprünglich wollte ich ja ein komplett schwarzes Modell, aber Larry meinte: „Schau dich mal an, du bist immer schwarz gekleidet, hast aber blonde Haare. Weshalb denkst du nicht über ein Black-to-blonde-Finish nach?“ In diesem Augenblick machte es bei mir Klick und ich wusste, wie die JIVA aussehen soll, nämlich black to blonde. Dieses Gespräch mit Larry war symptomatisch für ihn, weil er immer wieder auf ganz neue Ideen kommt und auch vor Risiken nicht zurückschreckt.
Wie sieht dein aktuelles Bühnenequipment in der Alice Cooper Band aus? Unterscheidet es sich signifikant von deinem Solo-Equipment?
In der Band von Alice Cooper spiele ich einen Marshall JVM410H und den Rocktron-Preamp Prophesy II, der durch einen All-Access-MIDI-Controller auf dem Bühnenboden angesteuert wird. Auf meiner kommenden Solotour werde ich aber wohl mit einem Boss GT-1000 spielen.
Gibt es die Chance, dass du mit deinem Soloalbum auch auf Europatournee kommst?
Am 16. November wurde ‚Controlled Chaos‘ weltweit über Sumerian Records veröffentlicht. Drei Tage später startete bereits meine Solotour durch die USA mit Angel Vivaldi und Jacky Vincent! Und natürlich werden wir auch in Deutschland und im Rest von Europa 2019 auf Tournee kommen.
Danke für das nette Gespräch und alles Gute für deine Solotournee!