Auf zum Strand

Hometraining: Americana – Surf-Gitarre

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(Bild: Martin Schmidt)

Aloha und herzlich willkommen zur neuen Workshop-Reihe. Unser Thema heißt Americana, also Musikstile, die tief in der amerikanischen Musiktradition verwurzelt sind. Spuren davon findet man im Jazz von Bill Frisell, dem Alternative-Country von Ryan Adams oder den Jayhawks und natürlich in den zahlreichen Retro-Genres wie Rockabilly, Surf und Western Swing.

Steigt man etwas tiefer in die amerikanische Musikgeschichte ein, findet man nicht nur viele großartige Songs, sondern auch jede Menge virtuoser Gitarristen, coole Licks und ganz andere musikalische Inspirationen als sie die üblichen Verdächtigen der amerikanischen Musikkultur bieten. Gegen den Bluesrock von Stevie Ray Vaughan, Eddie Van Halen-artigen Hardrock oder die Hot-Lick-Gunslinger aus Nashville ist nichts einzuwenden, aber erfunden und geprägt wurden die amerikanische Musik nicht von ihnen.

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Schon seit den 1920ern gab es jede Menge spannender Gitarrenmusik aus den Vereinigten Staaten, der wir uns in den kommenden Folgen nähern werden. Statt einer korrekten historischen Abfolge werde ich einfach diverse Stile aufgreifen und ihre wichtigsten Techniken, Stilmerkmale und Sounds vorstellen. Songs und Licks zum Nachspielen und Üben wird es natürlich auch geben. Aber jetzt Vorhang auf für das erste Genre, das mir persönlich sehr am Herzen liegt – die Surf-Musik Kaliforniens in ihren zahlreichen Spielarten.

surf’s up!

Surf-Musik entstand in den frühen Sechzigerjahren im Südwesten der USA an der kalifornischen Küste. Gespeist vom Instrumental-Rock der späten Fünfziger mit Künstlern wie Duane Eddy und Link Wray und den damals neuartigen Klängen der Instrumente, Amps und Effektgeräte von Leo Fender, entwickelte sich eine Musik, die den perfekten Soundtrack für die aufkommende Surf-Kultur der Beach-Cities bot.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und dessen in den Fünfzigern noch zu spürenden Folgen, hatte Amerikas Jugend Anfang der Sechziger endlich Zeit, Geld und die gesellschaftliche Stimmung, um eine eigene Jugendkultur zu entwickeln. Im Gegensatz zum Rock’n Roll war die Surf-Kultur weniger rebellisch, sondern konzentrierte sich auf den Spaß-Aspekt. Tagsüber surfen und abends feiern hieß die Devise, und Künstler wie Dick Dale, The Surfaris und die Belairs um Paul Johnson und Eddie Bertrand lieferten den Soundtrack für Parties im Rendezvous Ballroom in Balboa.

Bis auf wenige landesweite Hits blieb Surf-Musik jedoch ein lokales Phänomen und verschwand mit der British Invasion 1965 von der Bildfläche. Erst gegen Ende der Siebziger gab es im Zuge von Punk und New Wave ein erstes Revival. The B-52’s oder The Cramps griffen die twangigen Licks der originalen Surf-Musiker auf, während Jon & The Nightriders dem klassischen Surfsound eine Frischzellenkur verpassten.

Das Revival war jedoch nur von kurzer Dauer. Erst in den Neunzigern tauchte Surf-Musik wieder an der Oberfläche des musikalischen Ozeans auf. Quentin Tarantino verwendete in seinem Film ,Pulp Fiction‘ die Tracks ,Miserlou‘ und ,Surf Rider‘ und begeisterte plötzlich ein neues junges Publikum für den vergessenen Musikstil. Neue Surfbands wurden gegründet, Pulp-Fiction-Parties zogen ein beachtliches Publikum an, und die sogenannte Third Wave, die dritte Welle, von Surfmusik begann.

Mithilfe des Internets vernetzte sich die internationale Szene und ist bis heute in Form von Festivals, Foren, Fanzines und Underground-Labels aktiv. Die Bandbreite reicht dabei von authentischen Retro-Combos, die versuchen, den Geist der Sixties auferstehen zu lassen, bis zu äußerst progressiven Varianten, die den Surfsound mit Punk, Elektro, Jazz und anderen Musikstilen verbinden.

beach racer

Zur klanglichen Einstimmung gibt es ein Stück aus eigener Feder. ,Beach Racer‘ stammt von der ersten CD meiner Band The Razorblades und erschien 2003 auf dem Album ,Get Cut By The Razorblades‘. Mit 200 bpm hat der Track ein relativ hohes Energie-Level, ist aber abgesehen vom Tempo gut spielbar. Im Intro findest du ein abgedämpftes Riff, das auf dem B-Moll-Powerchord basiert. Durch die oktavierte Dopplung und den halligen Sound entsteht das typische surfige Pluckern – ein Sound, der an den Klang von Wellen im Ozean erinnert.

In Strophe und Refrain teilen sich die Gitarren klassisch in Lead- und Rhythmusgitarre auf. Die Rhythmusgitarre verstärkt mit Barré-Akkorden den Drum-Groove, während die Leadgitarre eine klare Melodie in B-Moll im hohen Register spielt. Die Melodie im B-Teil basiert auf einem Gmaj7-Arpeggio und sollte nahe am Steg angeschlagen werden, um den Genre-typischen Twang zu erzeugen. Viel mehr gibt es zum Track nicht zu sagen. ,Beach Racer‘ lebt wie die meisten Surf-Songs von Sound, Atmosphäre und einer leicht erkennbaren Melodie. Lange Solos und komplexe Gitarrenparts findet man in der klassischen Variante von Surf selten.

Ich wünsche viel Spaß beim Üben und einhören. In der nächsten Folge stelle ich dann die wichtigsten Spieltechniken der Surfgitarre vor.

Feedback, Kritik und Wünsche kannst du weiterhin unter martin@the-incrediblemr-smith.com loswerden.

(erschienen in Gitarre & Bass 01/2019)

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