GuitarDoc Lutz Heidlindemann fertigt unter dem Namen LUK in Berlin höchst bemerkenswerte Instrumente in kleinen Auflagen. Im Fall der November stand formal betrachtet die gute alte Tele Pate, aber der zweite Blick verrät es schon: Das bekannte Pattern wurde mit vollkommen neuem Leben ausgefüllt. Nur für Außenstehende ist überraschend, dass dabei historisch bedeutsames Tonholz zum Einsatz kam.
Lutz Heidlindemann ist ein Allrounder, ein Händler, Servicemann, Sachverständiger und Dienstleister für alles, was in Sachen Gitarre von Interesse ist. Überdies ist er aber auch ein Gitarrenbauer. Unter dem Label LUK erstellt Lutz handgefertigte Gitarren, für die er zum Teil alte Halbfertigprodukte ausgraben konnte („Schatz von Bubenreuth“, Höfner-Bodies der 60er-Jahre – LUK Franklin 68-Reihe). Grundsätzlich bringt der GuitarDoc aber auch in seinen anderen, stets klassisch angelehnten Designs hochwertige Materialien und abgelagerte Tonhölzer zum Einsatz. Dazu gewährt er seinen Kunden Zugriff auf alle möglichen Custom-Optionen.
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altes tonholz – moderne umsetzung
Neuer Wein in alten Schläuchen? Schlaucht der Schein von alten Bräuchen? Weint die Braut, oder ist’s nur Keuchen? Häh? Jedenfalls kam für das auf nur sechs Einheiten limitierte November-Modell, wie zuvor schon beim Modell Desire (Ausgabe 07/2017), Tonholz zum Einsatz, das Lutz Heidlindemann aus den Atelierbeständen eines Bildhauers kaufen konnte. Die einmalige Gelegenheit wurde für ihn zum „Schatz von Potsdam Mittelmark“, denn das seit 1960 gelagerte Holz umfasste echtes karibisches Swietenia Mahagoni, Macassar Ebenholz und Ostindischen Palisander. Die November Thinline weckt also schon deshalb hohe Erwartungen, da genau das Mahagoni Verwendung fand, auf dem der legendäre Ruf alter Gibson-Gitarren gründet.
Bei der November handelt es sich um eine Thinline-Konstruktion, die anstelle von unerwünscht den Klang beeinflussenden Hohlkammern lediglich seitlich Bohrungen in den Korpus gesetzt bekam, um das Gewicht zu optimieren. Dem einteiligen, plan belassenen Body aus altem Swietenia setzte der Gitarrenbauer die ebenfalls einteilige Decke aus selbigem Material auf (4,6 cm Gesamtstärke), welche ein in UV-Transparentdruck aufgebrachtes apartes Mapleprint-Motiv (Ahornblatt) ziert. Das Top ist zudem mit einem Streifen aus hellem Beelitzer Feldahorn eingebunden.
Der einteilige Hals aus der gleichen Partie ca. 300 Jahre alten Swietenia Mahagonis mit seiner Strat-style Kopfplatte ist ganz klassisch über eine Platte aufgeschraubt und bekam ein Griffbrett aus ebenfalls altem, spektakulär gemasertem Ostindischem Palisander aufgesetzt, das 21 schlanke, höchst akkurat verarbeitete Vintage-style Bünde (Wagner) beherbergt. Die ‚Clay Dot‘-Griffbretteinlagen hat man aus Ton selbst hergestellt. Die parallel herausgeführte Kopfplatte ist mit Kluson-Deluxe-Mechaniken besetzt, auf Stringtrees zur Saitenniederhaltung wurde verzichtet.
Zwischen dem schlanken Sattel aus Knochen und der ABM Wraparound Bridge aus Glockenmessing schwingen die Saiten mit einer Mensur von 648 mm Länge. Elektrisch wird die November durch zwei in Nickel-Kappen aufgehängte Amber P-90-Soapbars, Spezialanfertigungen von Wolfgang Damm. Zwei Pickups, aber kein Schalter? Nun, Lutz Heidlindemann mag es pur. Verbaut ist lediglich ein CTS Pot als Pan (double Treblebleed 470 Pf), also ein Blendregler für stufenlose Mischverhältnisse zwischen den zwei Polen Hals- und Steg-Pickup.
Neben dem einmaligen Tonholz lassen auch alle zugeführten Komponenten und die minutiöse Verarbeitung bei der November Thinline nichts mehr zu wünschen übrig. Geliefert wird im festen Hiscox Case, dem ein Zertifikat in Ledertasche beiliegt.
jurassic world guitar?
Instrumente aus dem Tonholz der Golden Era des Gitarrenbaus fertigen zu dürfen, das ist eine seltene Gelegenheit und gleicht einer Zeitreise, versetzt es den damit beschenkten Gitarrenbauer doch in die außergewöhnliche Lage, den Nimbus der sagenumwobenen Materialien durch eigenes Wirken zu erkunden. Aber kann er ihn auch bestätigen?
Die November Thinline ist mit ihren 3,3 kg zunächst einmal eine Gitarre von angenehmem Gewicht und dank ihres rundlichen, sehr schön gewichteten Halsprofils mit tief eingerichteter Saitenlage auch höchst komfortabel zu spielen.
Die Korpusbohrungen nehmen eher wenig Einfluss auf das allgemeine Klangbild der November. Ihr akustisches Tonvermögen setzt aber schon einmal ein großes Ausrufungszeichen, begeistert mit vitaler Schwingfreude und einer warmen Herznote in der beeindruckend offenen Darstellung transparent aufgelöster Akkorde.
Die von Wolfgang Damm speziell angefertigten P-90-Soapbar-Pickups in der November sind für eine puristische Wiedergabe mit nur einem CTS Blend Pot ausgelegt und das lässt eine entsprechend unverstellte Tonwandlung erwarten.
Über den Hals-Pickup (Rechtsanschlag des Reglers) hören wir bei klar eingestelltem Amp straff durchzeichnete Akkorde, deren differenzierte Stimmen sich harmonisch zu Klängen von dreidimensionaler Tiefe addieren. Stramm und eher schlank im Bass, gut ausgebildet und leicht kehlig in den Mitten und von feinen, quecksilbrigen Höhen ergänzt, perlen Akkorde leichtfüßig unter den Fingern weg. Die Ansprache ist überaus sensibel, was dem Akkordarbeiter geradezu ideale Bedingungen an die Hand gibt. Gehaltene Noten zeigen dann auch noch einen ebenmäßigen Tonverlauf, schnell gespielte Linien profitieren von dem akzentuiert hervorgehobenen Anschlag, der für eine höchst griffige Darstellung sorgt.
Im Overdrive ist dann nicht so sehr der fette weiche Sound Thema, sondern eher ein nicht so stark am dominanten Grundton orientierter Klang, der mit einem provokanten dunklen Raunen jede Menge Ambiente vermittelt. Damit lassen sich wunderbar knurrende Powerchords erzielen, die auf besondere Art organisch elektrisch tönen und zu fauchen vermögen wie eine Raubkatze. Das gilt auch für den ungewöhnlich charaktervollen Solo-Sound, dessen pointiert durchdrückende Spitzen wiederum von einem lebhaften Obertonspektrum flankiert auftreten. Der Ton erscheint dadurch weich eingebettet, ohne dass seine Präsenz Schaden nehmen würde. Ihr merkt schon: die Angelegenheit ist höchst delikat und mit Worten schwer einzufangen!
Gehen wir mit Linksanschlag des Blendreglers auf den Soapbar Pickup am Steg, so engt sich das tonale Spektrum erwartungsgemäß stark ein, bleibt aber dennoch harmonisch stimmig, ja geradezu seidig aufgelöst im Akkord. Die Bässe nehmen nun eine recht schlanke, staubtrockene Position ein, der obere Mittenbereich zeigt sich leicht betont, optimal ergänzt um festen Höhenbiss. Dabei ist die kompakte und dennoch stimmlich feingliedrige Umsetzung von Akkorden zu loben. Der Ton ist leicht zu erzeugen, federt schnell in Position. Ausdruck und klangfarbliche Darstellung lassen sich überdies mit dem Plektrum in ihrer Intensität ausgesprochen differenziert steuern.
(Bild: Dieter Stork)
Im Zerrmodus kommen wir in der Position Steg-Pickup nun zu Sounds von geradezu umwerfender Qualität. Zunächst schlagen uns Powerchords mit knochigknurriger Attitüde in Bann. Die leichte Reizbarkeit der Saite lässt sich in voller dynamischer Bandbreite ausnutzen, mit tänzelndem Plektrum sind hier alle möglichen Abstufungen zu erzielen. Aber auch das Solospiel wird von dieser perkussiv aufreißenden Schnellkraft optimal unterstützt. Mit der Vehemenz eines Rasiermessers drückt der Ton durch, beißt sich durch jeden Mix. Schnell gespielte Linien kommen mit einer perkussiv hervor gehobenen Struktur zum Ohr. Der Sound ist von ungemeiner Präsenz und seiner aufreizenden Kehligkeit zum Trotz doch absolut zupackend. Wow!
Mit dem Blendregler lassen sich dann auch noch gleitende Übergänge zwischen den Pickups erzielen. In feinen Abstufungen breiten wir damit tonfarbliche Facetten aus, die zu grazil perlendem Ausdruck finden, mit sanfter Hohlkehle aber Akkorde immer offen und frei strahlen lassen – auch das: superb!
Klingt das nun angelehnt alt? Keineswegs, sondern einfach nur hochklassig frisch! Am Ende müssen wir die offene, auf direkten Tontransport ausgelegte Elektrik einfach nur loben. Auch wenn mir persönlich der regelbare Output gelegentlich fehlte, so sind die dadurch erzielten Vorteile nicht von der Hand zu weisen.
resümee
Mit seinem LUK-Modell November Thinline schlägt Lutz Heidlindemann einen Bogen von der Golden Era des elektrischen Gitarrenbaus der 50er/60er-Jahre bis in die Jetztzeit. Das gelingt ihm durch den Einsatz historisch relevanter und Klang prägender Tonhölzer, die nur noch extrem selten aufzufinden sind. Die November wartet demgemäß mit Korpus und Hals aus altem Swietenia Mahagoni auf, auch das Griffbrett besteht aus ebenfalls antikem, besonders schön gemasertem Ostindischem Palisander.
Reizvoll ist die Umsetzung in einer Tele-style Konstruktion mit geschraubtem Hals plus P90 Soapbars von Amber Pickups, welche das alte Tonholz in einen neuen Zusammenhang stellt. Das Ergebnis jedenfalls ist schlagend und zeigt, welches Potential in alten Materialien wie auch in der konzeptionellen Auslegung und Variation generell steckt. Die fabelhaften Spieleigenschaften sowieso vorausgesetzt, müssen wir in der November Thinline vor allem die puristische Klangkonzeption feiern, in der zu aktuellen Bedingungen verarbeitete originäre Tonhölzer mit der Vision bisher noch nicht realisierter Möglichkeiten zu neuer Blüte gebracht werden – Chapeau!
Teuer? Ja klar! Wer ein solch exklusives und unikales Instrument begehrt, der wird sich über den hohen Preis kaum wundern.
PLUS
• alte Tonhölzer
• Design/Optik
• Schwingverhalten
• Amber P-90 Pickups
• höchst präsente Sounds
• Hals/Bundierung
• Spieleigenschaften
• Verarbeitung
• eng limitierte Verfügbarkeit