von Christian Braunschmidt, Artikel aus dem Archiv
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(Bild: Nuclear Blast)
Es ist sicher keine Übertreibung, wenn man behauptet, dass Behemoth aktuell zu den wichtigsten, aber auch umstrittensten Bands des extremen Metal zählen. Mit ihrem rasanten Mix aus verschiedenen Black- und Death-Metal-Elementen und der ständigen Provokation in Bezug auf Religion und Kirche, konnte sich die Band um Frontmann Adam Darski, genannt „Nergal“, in den letzten zehn Jahren als feste Größe etablieren. Nun sind die Polen mit ihrem neuen Album ,I Loved You At Your Darkest‘ nach vier Jahren wieder zurück.
Seit Anfang der 2000er-Jahre ist die in den frühen 90ern gegründete Band aus Polen unablässig auf Erfolgskurs. Das 2004 veröffentlichte ,Demigod‘ setzte völlig neue Maßstäbe in Sachen Härte und Atmosphäre – für Behemoth standen alle Zeichen auf Erfolg. Nach einer schweren Erkrankung Nergals im Jahr 2011 war die Band verständlicherweise zu einer ungewohnt langen Pause gezwungen, um die vollständige Genesung des Frontmanns sicherzustellen.
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Das im Jahr 2014 erschienene ,The Satanist‘ wirkte dann gleichermaßen wie ein Befreiungsschlag und eine Wiedergeburt der Band. Nicht weniger als drei volle Jahre tourten die Jungs mit der Platte und stellten damit unter Beweis, dass sie eine der am härtesten arbeitenden Bands ihres Genres sind. Lange war jedoch völlig unklar, wie und ob die Band nach solch einem Opus noch einmal ein neues Album erschaffen könnte. Wie es nun doch dazu kam und was in den letzten Jahren geschehen ist, erzählt uns ein sehr gut gelaunter Nergal, während er gerade im Auto auf dem Weg nach Gdansk ist, wo die Band eine an das aktuelle Album angelehnte Kunstausstellung ,Thou Art Darkest‘ eröffnet.
(Bild: Nuclear Blast)
interview
Nergal, was ist in den letzten vier Jahren passiert und wie ist ,I Loved You At Your Darkest‘ entstanden?
Ich weiß noch, dass kurz nachdem ,The Satanist‘ erschienen war, einfach keinerlei Musik mehr in mir war – zumindest keine extreme Metal-Musik. Damals war ich mir keinesfalls darüber bewusst, ob ich je wieder ein Behemoth-Album würde schreiben können. Ich hatte einfach alles, was ich machen wollte, auf diesem Album umgesetzt und war absolut zufrieden mit dem Ergebnis. Aber anstatt uns Sorgen zu machen, wie es für uns weitergehen würde, haben wir einfach diese gnadenlos lange Tour gespielt, die fast vier Jahre dauerte.
Nebenbei habe ich dann noch mein Nebenprojekt ,Me And That Man‘ an den Start gebracht und das Album ,Songs Of Love And Death‘ gemacht (was eher an einen düsteren Johnny Cash mit Gretsch-Gitarren und Upright-Bass erinnert, d. Red.). Erst nach all diesen Erfahrungen, der Tour, den vielen Reisen, kam das Verlangen, ein neues Behemoth-Album zu machen. Wir haben dann auch wirklich sehr viele Songs geschrieben, von denen es nur ein Teil auf das neue Album geschafft hat. Wir sind natürlich mittlerweile in der komfortablen Situation, dass uns niemand sagt, wann wir ein Album zu schreiben oder zu veröffentlichen haben. Meine absolut wichtigste Regel ist, nur dann Musik zu machen, wenn ich wirklich Lust darauf habe. Alles andere wäre unehrlich.
Ich kann mir gut vorstellen, dass die Fans das bei eurem neuen Album auch so wahrnehmen werden.
Das hoffe ich auch. Es wäre natürlich einfach gewesen ,The Satanist Pt. II‘ zu machen. Meine größte Angst als Künstler ist jedoch, mich zu wiederholen oder irgendwie stecken zu bleiben. Es war mir unglaublich wichtig, etwas Neues, Frisches zu machen. Manche finden, dass ,I Loved You At Your Darkest‘ unser zugänglichstes Album geworden ist, viele finden es aber auch sehr sperrig. Für mich bedeutet das, dass wir es geschafft haben, etwas für uns wirklich Neues zu machen.
War es denn schwierig, sich als Band auf die neuen Elemente in den Songs zu verständigen oder wart ihr euch schnell einig, wie die neuen Songs klingen sollen?
Das ging sehr schnell, die anderen beiden fanden meine Ideen von vornherein großartig. Der Song ‚If Crucifixtion Was Not Enough‘ zum Beispiel war wahnsinnig schnell fertig. Wir wollten einen gewissen Punk-Vibe haben; wir alle sind riesige Killing-Joke-Fans. Man darf nicht vergessen, dass Punk eine ganz wichtige, treibende Kraft für die frühen Thrash-Metal-Bands war; ohne Punk hätte es Slayer nie gegeben.
Ich hatte schon immer einen breiten Musikgeschmack, aber wenn ich dir vor zehn Jahren erzählt hätte, was ich alles so höre, hättest du davon wenig in unserer Musik wiedergefunden. Das ist heute anders; wir lassen unsere Einflüsse mehr zutage treten, ohne aber unseren Stil zu sehr zu verlieren. Natürlich liegen unsere Wurzeln im Black Metal, aber ich hoffe doch sehr, dass wir mehr als nur eine 08/15-Black-Metal-Band sind.
(Bild: Nuclear Blast)
Interessant, dass du Killing Joke ansprichst. Beim ersten Hören gab es mehrere Stellen, die mich an Killing Joke erinnert haben.
Es freut mich sehr, das zu hören. Ich erzähle dir mal ein kleines Geheimnis: Letztes Jahr haben wir uns in Warschau mit Jaz Coleman (Sänger von Killing Joke, Anm. der Red.) im Backstage bei einer Show getroffen. Er ist ja ein sehr gefragter Dirigent und es war geplant, dass er die Orchestrierung auf ,I Loved You At Your Darkest‘ umsetzen sollte. Er hatte sogar schon zugesagt aber leider hat es dann aufgrund verschiedener Terminprobleme nicht geklappt. Der Killing-Joke-Vibe ist also kein Zufall.
Ich bin der absolute Anti-Gothic-Fan, ich finde diese Musik „pathetic as fuck“. Aber ich muss gestehen, dass es auch hier ein paar gute Bands gibt. Ich liebe zum Beispiel Fields Of The Nephilim oder Sisters Of Mercy. All diese Bands haben uns auf jeden Fall beim Schreiben des neuen Albums beeinflusst.
Diese Einflüsse hätten wir vor zehn Jahren hier wahrscheinlich nicht diskutiert oder?
Auf keinen Fall. Ich meine, ein Album wie ,Demigod‘ ist bis heute eines meiner liebsten Behemoth-Alben. Aber wir waren damals einfach andere Menschen und haben uns seitdem weiterentwickelt. Ich habe neulich gehört, dass es eine neue AC/DC-Platte geben wird. Da erwarte ich nichts anderes, als ein richtig gutes AC/DC-Album. Ich bin aber auch ein Riesen-Fan von Bands wie Nine Inch Nails oder Marilyn Manson – diese Bands wiederum überraschen einen jedes Mal. Klar, wir sind eine Metal Band und Metal ist ein sehr konservatives Genre.
Ich hoffe einfach unsere Fans verstehen, dass wir niemals zweimal das gleiche Album aufnehmen wollen. Es geht uns darum, unser Leben in der Musik zu reflektieren. Und Leben ist nun mal immer in Bewegung, es steht nie still.
Lass uns doch mal ein bisschen über die Produktion von ,I Loved You At Your Darkest‘ sprechen. Wie seid ihr das dieses Mal angegangen?
Die Grundidee war ähnlich wie damals bei ,The Satanist‘. Wir wollten alles so natürlich und organisch wie möglich haben. Zum Beispiel haben wir beim Schlagzeug vollständig auf Trigger verzichtet. Beim letzten Album war zumindest noch die Bassdrum getriggert. Damals haben wir auch alle Gitarren gereampt, auch darauf haben wir dieses Mal vollständig verzichtet. Wir haben einfach von vorne herein versucht, einen richtig guten Sound einzufangen.
Manchmal, wenn wir einen Song fertig eingespielt hatten und einen schnellen Mixdown gemacht haben, klang das alles schon richtig gut. Als wir dann die Tracks Matt Hyde zum Mixen geschickt haben meinte er: „Um Himmels willen, die Spuren klingen so viel besser als damals bei The Satanist.“ Das hat mich natürlich sehr glücklich gemacht. Wir haben einfach mit sehr viel Liebe zum Detail gearbeitet.
Konntest du denn deine neue Signature-Gitarre schon auf dem Album spielen?
Hmmm … lass mich mal überlegen … nein, ich glaube, sie war zu dem Zeitpunkt noch nicht fertig. Aber ich bin mir nicht mehr ganz sicher. Wir haben echt viele Gitarren benutzt, darunter verschiedene ESPs, Gibson SGs, eine Fender Stratocaster und ein paar Jackson-Modelle. Wir haben einfach herumprobiert, was für den jeweiligen Song funktioniert.
Dein neues ESP-Signature-Modell unterscheidet sich ja schon sehr stark von seinem Vorgänger. Wie kommt es zu diesem Wandel?
Weißt du, ich hatte den Gedanken, dass alles was wir machen ja im Grunde dem Blues und der frühen Rockmusik entspringt. Unser neues Album ist insgesamt auch deutlich rockiger. Ich wollte einfach eine Gitarre, die zu unseren neuen Songs passt und etwas klassischer aussieht.
Wie sieht es denn mit den Verstärkern aus? Auf einem deiner Instagram-Live-Videos war neben deinen Peaveys neulich mal wieder dein Bogner Uberschall zu sehen.
Ja, den liebe ich auch nach wie vor sehr. Weißt du, ich war früher immer ein Mesa-Boogie-Typ. Irgendwann, so um das Evangelion-Album herum, gefiel mir der typische Mesa-Sound einfach nicht mehr, es war einfach nicht mehr mein Ton. Heute ist es vor allem mein Peavey 6505 den ich benutze. Im Studio haben wir auch alles recht einfach gehalten. Vielleicht mal ein Booster, um den Amp noch etwas zu pushen, aber das war es dann auch schon.
Meinst du denn, dass es aufwendig wird, die neuen Songs in euren Live-Sound zu integrieren? Ihr benutzt ja schon deutlich weniger Verzerrung als früher.
Nein, das sollte kein Problem darstellen. Wir benutzen zwar ein paar mehr verschiedene Sounds auf dem neuen Album – wie zum Beispiel dieser Crunch-Sound am Anfang von ,Bartzabel‘ – aber alles in allem wird das recht einfach umzusetzen sein. Wir benutzen auf jeden Fall unsere ESP-Instrumente für die Shows, ich meine und Orion sein neues Signature-Modell. Seth, unser anderer Gitarrist, hat ein paar Custom-Modelle von ESP, aber für sein eigenes Signature-Modell muss er wohl noch ein bisschen mehr Gas geben.
Vielen Dank für das nette Gespräch und viel Erfolg bei eurer Ausstellung in Gdansk.