Spieglein, Spieglein an der Wand...

Test: Nick Page Alu Gott

Anzeige
(Bild: Dieter Stork)

Aluminium harmoniert mit Holz wie nur wenige andere Materialien im Instrumentenbau. Es liefert eine ultradirekte Ansprache, ein sagenhaftes Sustain und vermittelt darüber hinaus ein exklusives Gefühl von Wertigkeit.

Alu-Spezialist Nick Page hat mit unzähligen Instrumenten gezeigt, was man klanglich und auch optisch aus dem Material herausholen kann – mit seinem Alu-Gott-Bass treibt er es nun auf die Spitze!

Anzeige

Dabei hatte Nick eigentlich gar nicht geplant, diesen Bass zu bauen; zum fertigen Alu Gott kam er vielmehr wie die Jungfrau zum Kind – aber eins nach dem anderen …

Ein Kunde hatte einen seltenen Aluminiumhals der US-Firma Electrical Guitar Company (Test des Series-Two-Modells in Ausgabe 08/2015) ergattert – ein Hersteller, der sich komplett auf Voll-Aluminium – Instrumente spezialisiert hat und außerdem in unregelmäßigen Abständen streng limitierte Schraubhälse verkauft, die aus massiven Alu-Blöcken gefräst werden.

Man hätte diesen Hals nun auf einen schnöden Fender-Style-Body schrauben können, und wahrscheinlich wäre ein gutes Instrument dabei herumgekommen – aber warum die Ansprüche nicht höherschrauben? Es sollte also ein echter Custom-Bass um den Hals entstehen und da es nun mal um Aluminium ging, war Nick natürlich der erste Ansprechpartner.

Seine Gitarren-Kreationen tragen häufig Alu-Decken mit extrem aufwendig gestalteten, eingeätzten Mustern, die nicht nur die Optik sondern auch den Klang seiner Instrumente bereichern.

Das erfordert natürlich eine ganze Menge Entwicklungsarbeit und Expertise – schließlich verbindet sich das Aluminium nicht freiwillig mit dem Holzkorpus und auch Shapings müssen dem harten Material mühevoll abgerungen werden.

Inspiriert durch den ersten, ebenfalls mit Aluminium überzogenen Nick Page Bass, den Gott 4 (Unser Masterpiece in Ausgabe 01/2012), der an niemand geringeren als Lemmy Kilmister ging, entstand so der erste Gott-Bass mit Voll-Alu-Hals.

(Bild: Dieter Stork)

Style Gott

Dass dies kein einfaches Projekt werden würde, kündigte sich schon früh an: Der Hals benötigt nämlich eine ganz andere Halstaschen-Geometrie als es bei Nicks Gott-Bass-Design eigentlich vorgesehen ist.

Die Form musste also leicht abgeändert und komplett neu gezeichnet werden, um dem Halsfuß und auch dem höheren Gewicht des Halses Rechnung zu tragen – das Teil sollte schließlich nicht Kopflastig werden.

Nach mehreren Holz-Experimenten stellte sich ein zweiteiliger Sumpfesche-Korpus als perfekter Partner für den pfundigen Hals heraus – sowohl in Sachen Klang als auch Balance.

Während Korpus-Rückseite und –Zargen in einem hauchdünnen 2-Tone-Sunburst von gelb nach braun lackiert und minutiös geaget wurden, ziert eine ca. 2 mm starke Aluminiumdecke mit einem fein eingeätzten Paisley-Muster die Vorderseite. Im Mittelpunkt ruht ein ebenfalls aus Aluminium gefertigtes, rundes Schlagbrett, das entfernte Stingray- oder auch Zemaitis-Assoziationen weckt und das gleiche Muster wie die Decke trägt.

Anders als Hals, Tonabnehmer und Brücke wurde die Decke leicht mattiert, sodass sie sich harmonisch in die fein rissige Lackierung einfügt. Besonders bemerkenswert ist auch das Arm-Shaping, bei dem das gebogene Aluminium nahtlos der fließenden Holzkontur folgt – eine beeindruckende handwerkliche Leistung!

Als Steg kommt das hochwertige B-Style-Modell von Hipshot zum Einsatz – eine deutlich massivere Alu-Version des Fender-Blechwinkels mit erhöhten Kanten, die die einzelnen Reiter am seitlichen verrutschen hindern. Die Saiten werden außerdem durch Schlitze auf der Oberseite eingehängt und müssen nicht umständlich von hinten durchgefädelt werden.

20 Medium-Jumbo-Bünde aus unverwüstlichem Edelstahl thronen auf dem auf Hochglanz polierten Hals, der übrigens komplett auf einen Halsspannstab verzichtet. Die recht dezente Halskrümmung ist direkt in das Griffbrett gefräst worden und verändert sich bei verschiedenen Saiten-Stärken und Stimmungen nicht – Alu ist schließlich extrem steif.

Am ebenfalls aus Aluminium gefertigten Sattel misst der Hals gut 41 mm – ein Hauch schmaler als bei einem normalen Preci, jedoch ein gutes Stück schlanker im Profil. Als Hommage an die Travis-Bean Alu-Instrumente der 70er-Jahre ist die in der Mitte ausgeschnittene, kompakte Kopfplatte zu sehen – Beans Gitarren hatten hier einen T-förmigen Ausschnitt. Natürlich spart dieses optische Detail auch Gewicht, genau wie die vier hochwertigen, gekapselten Gotoh-Tuner.

Für den elektrischen Ton ist ein Custom-Pickup aus dem Hause Häussel verantwortlich: Unter der verchromten Thunderbird-Kappe verbirgt sich ein P-Tonabnehmer mit Alnico-Magneten, der klassische Sounds – natürlich mit entsprechender Alu-Würzung – verspricht.

Was man von außen nicht sehen kann: Die einfache passive Schaltung aus Volume- und Tone-Poti beherbergt im E-Fach einen fetten NOS-Wima-Kondensator mit 33 nF.

Überhaupt muss man Nicks Liebe zum Detail würdigen – das fängt beim stilvoll geätzten Alu-E-Fach Deckel und Gurt-Pin-Unterlagen an und geht über die perfekt geagete Neckplate bis hin zu den gretschigen arretierbaren und ebenfalls „gealterten“ Gurthaltern, die ganz ohne Gegenstück am Gurt funktionieren – großes Kino!

(Bild: Dieter Stork)

Alu Herz

Ein Bass mit so einer opulenten Optik weckt natürlich hohe Erwartungen an die Performance – und eines vorweg: auch hier wird man nicht enttäuscht! Mit einer wesentlichen Grundregel der Physik muss man sich jedoch auseinandersetzen: Aluminium ist zwar ein relativ leichtes Metall, aber immer noch deutlich schwerer als die meisten Holzarten und so bringt der Alu Gott stolze 5 kg auf die Waage.

Das hohe Grundgewicht ist allerdings unvermeidlich und der Konstruktion geschuldet, schließlich braucht der schwere Hals ein gewisses Gegengewicht als Korpus, damit der Bass am Ende nicht kopflastig ist. Und tatsächlich hängt der mächtige Viersaiter perfekt ausbalanciert am Gurt; alle Lagen sind gut erreichbar und dank des Bauch-Shapings schmiegt sich der Bass angenehm an den Körper.

Für einen Open-Air-Gig bei frostigen Temperaturen ist der Alu Gott jedoch nichts: Aluminium nimmt deutlich stärker als Holz die Temperatur seiner Umgebung an – am besten lässt man den Bass also vor der Show schon mal unter den Scheinwerfern „vorglühen“. Dann wird man jedoch mit einem ganz besonderen Spielgefühl belohnt – die spiegelglatte Oberfläche spielt sich extrem schnell und dank perfekt verrundeter Bundenden steht auch langen vertikalen Wegen auf dem Griffbrett nichts im Weg.

Mitverantwortlich für das entspannte Handling ist auch das hervorragende Setup mit einer flachen, absolut schnarrfreien Saitenlage, die auch bei tieferen Tunings trotz der fehlenden Justagemöglichkeiten am Hals erhalten bleibt – Halskrümmung und Bundierung wurden hier absolut perfekt aufeinander abgestimmt.

Schon trocken gespielt löst das viele Aluminium alle Versprechen ein: Ein Ton wie ein Klavier – so viel Transparenz, Sustain und knackiges Attack kennt man von keinem konventionellen Holzbass. Der Sound ist außerdem von einer auffälligen Gleichmäßigkeit geprägt, jede Note spricht mit der gleichen Lautstärke und Schwingintensität an, wobei gerade Letztere absolut bemerkenswert ist.

Trotz dieser vermeintlichen HiFi-Attribute fehlt es dem Alu Gott keineswegs an Wärme: Der Eschekorpus steuert hier merklich seinen Anteil bei und unterfüttert die dichten, singenden Obertöne mit einem erdigen Fundament. Anders als bei den meisten anderen Instrumenten dieser Gewichtsklasse ist der Ton außerdem deutlich weniger gedämpft und komprimiert.

Da der Hals einen relativ großen Teil des Gewichts ausmacht, ist der Korpus für einen 5-kg-Bass erstaunlich leicht und schwingfreudig, was dem Bass eine besondere Lebendigkeit beschert.

Am Verstärker überträgt der Custom-Häussel-Pickup all diese Facetten mit einer markanten P-Bass Oldschool-Note, die den Ton mit noch mehr Charakter anreichert, ohne ihn dabei zu sehr zu verfärben.

Fette Preci-Tiefmitten treffen hier auf glasige Obertöne und einen aggressiven Hochmitten-Biss, der den Bass besonders bei perkussiven Spieltechniken präsent im Band-Mix platziert.

Das nicht enden wollende Sustain sorgt dafür, dass der Schub aus dem Tiefton-Keller stets konstant und kraftvoll kommt; typisch für die Pickup-Position und -Bauart ist außerdem der Allround-Charakter mit dem sich der Alu-Gott in so ziemlich jeden Musik-Stil einfügt.

Mit einem enormen Praxiswert punktet zuletzt die Höhenblende, die den Ton über den ganzen Regelweg extrem gleichmäßig weicher und geschmeidiger macht, sodass man dem Alu-Hybriden auch ganz klassische P-Bass-Sounds entlocken kann.

(Bild: Dieter Stork)

Resümee

Nick Page hat mit dem Alu Gott einen exzentrischen Grenzgänger mit enormer Praxistauglichkeit und hohem Suchtpotential geschaffen: Die Art und Weise, wie hier Aluminium und Holz zu einer perfekten Symbiose finden, ist handwerklich herausragend, überaus kunst- und geschmackvoll und dabei auch noch absolut Band-tauglich. Fans von Piano-String-Sounds werden von der Offenheit und Auflösung begeistert sein, mit der dieser Viersaiter seinen Charakter-Ton formuliert.

PLUS

  • Konzept
  • Verarbeitung
  • Optik
  • Charakter-Sound/Sustain
  • Detail- und Obertonreichtum
  • Spielbarkeit

MINUS

  • Gewicht (konstruktionsbedingt)

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.