(Bild: Stefan Woldach)
Er wuchs im Schatten seines berühmten Vaters Leon Bibb auf. Als Kind saß er auf den Knien von Bob Dylan, lernte von Pete Seeger Banjo spielen und durfte auf der Gitarre von Bukka White spielen. Heute ist der Mann mit Hut selbst ein Star des 12- Takt-Genres. Und mit ‚Global Griot‘ auf der Suche nach den Wurzeln des Blues.
Ein „Griot“ ist in Westafrika in etwa das, was man im europäischen Mittelalter einen „Trobador“ (und später in der modernen Gegenwart „Troubadour“) nennt: ein umherziehender Sänger und Musiker, der neben Liedern und alten Überlieferungen auch gleich noch den neuesten Klatsch mitbrachte.
Dass Eric Bibb sein neues Album ‚Global Griot‘ nennt, passt zum Weltmusiker, oder besser Weltenbürger, der seit Jahrzehnten um den Globus reist, um die Musik seiner Vorfahren, den Blues, zu spielen, aber auch, um die Musik seiner afrikanischen Herkunft und Heimat mit einzubinden. ‚Global Griot‘ zeigt vorzüglich die Bezugsund Berührungspunkte zwischen traditioneller afrikanischer und amerikanischer Musik.
interview
Eric, du warst gerade für einen Grammy für das Album ‚Migration Blues‘ nominiert. Die Themen Vertreibung, Flucht und Migration sind aktueller und dramatischer denn je.
Genau. Und wir Musiker sind in der glücklichen Position, unsere Meinung öffentlich kundtun zu können. Wenn ich auf Tour bin, treffe ich auf andere Kulturkreise und kann mithelfen, Vorurteile abzubauen. Ich lerne die Menschen und ihre Sichtweisen kennen.
Es geht darum, die Menschen zusammenzubringen. Wir müssen über Landesgrenzen hinausdenken und dürfen uns nicht abschotten. Wir Musiker sind wie Botschafter, die solche Themen in die Welt hinaustragen können. Gerade in diesen schwierigen Zeiten. Da haben wir Politikern einiges voraus.
In ,Global Griot’ geht es dir darum, die Musik Westafrikas, die Instrumente, Lieder und Geschichten in Beziehung zum Blues zu setzen.
Ja, aber es ging mir auch darum, das mit befreundeten Musikern aus Westafrika umzusetzen, mit Solo Cissokho aus dem Senegal, oder Habib Koité aus Mali zum Beispiel – wundervolle Kollegen, die die sogenannte „Weltmusik“ populär gemacht haben. Afrikanische Musik interessiert mich generell und speziell die westafrikanische Musik mit ihrer besonderen Geschichte, die nicht nur meine eigene kulturelle Identität und meine Wurzeln betrifft. Die Sklaverei war eine dramatische Erfahrung. Und dort liegen schließlich die Wurzeln des Blues. Für mich war diese Auseinandersetzung eine spirituelle Reise zur Musik meiner Vorväter. Gleichzeitig eine heilende Erfahrung. Und eine Befreiung.
Wenn man afrikanische Gitarren-Licks hört und ihren Groove, entdeckt man schnell den Bezug zum Blues.
Das ist in der afrikanischen Musik allgegenwärtig. Hör dir nur Gitarrenmusik aus Mali an, von Ali Farka Touré. Es gibt Musiker in Westafrika, deren traditionelle Musik ist verblüffend nahe am Blues! Du hörst sofort die Verbindung. Oder Kora-Musik aus dem Senegal: da entdeckst du direkte Bezüge zum Fingerpicking von Mississippi John Hurt. All das ist unglaublich spannend.
Auch ‚Human River‘ hat einen Blues-Vibe, mit Resonatorgitarre und Slide.
Da spiele ich eine Resonatorgitarre die der Peter Wahl aus Neustadt gebaut hat. Das ist die Gitarre auf dem Cover meines Albums ‚Migration Blues‘. Sie basiert auf einer alten Otwin 12-String. Peter baut liebevoll alte akustische Gitarren aus den Zwanziger- und Dreißigerjahren um und verpasst ihnen einen Resonator. Ich treffe auf meinen Reisen immer wieder wundervolle Gitarrenbauer. Etwa Wolfgang Teller aus Neunkirchen, er hat mir eine Contra-Bassgitarre gebaut. Oder Daniel Stark aus Oldenburg, der mir eine wundervolle Jazz-Fusion-Nylonstring gebaut hat.
Du bist mit der Musik der New Yorker Folk-Szene der 60er aufgewachsen, dein Vater Leon hat dich zu Proben und Auftritten mitgenommen, von Pete Seeger, Joan Baez, Josh White, Bob Dylan und vielen anderen. Das war bestimmt unglaublich inspirierend.
Ich hatte eine magische Kindheit. Ich liebte Musik schon als Kind. Und all diese Künstler bei uns im Wohnzimmer kennenzulernen, die, wie ich später herausfand, Legenden waren, das war schon unglaublich. Ich bin heute dankbar, dass ich das erleben durfte. Allein Pete Seeger und Bob Dylan! Es ist kein Wunder, dass ich heute solche Musik spiele.
Du sagst: „Ich stehe auf Musik die einen zum Tanzen bringt!“ Worin liegt das Geheimnis eines Grooves?
Nun, einen Groove im Wechselbassspiel der Bassnoten mit dem Daumen durchzuhalten – das ist es, was alle meine Helden draufhatten. Denk nur an Bukka White oder Lightnin‘ Hopkins. Die haben auf ihre Gitarren eingedroschen, wie auf ein Piano! In den „Juke Joints“ wo sie gespielt haben, wurde nämlich getanzt!
Du hast in deiner Karriere viele verschiedene Acoustics gespielt: Fyldes, Lowdens, Lottonens, Preston-Thompsons, und zwar in verschiedenen Bauformen, Materialien und Korpusgrößen. Bestimmt ein Song das jeweilige Instrument?
Obwohl ich einige Dreadnought-Size-Gitarren besitze, ist meine bevorzugte Korpusgröße das Orchestra Model. Das ist am angenehmsten zu spielen. Parlour-Gitarren mag ich auch. Es können neue Gitarren sein, die für mich gebaut wurden oder Vintage-Instrumente. Mich sprechen die verschiedensten Gitarren an. Ich bin Sammler und rechtfertige meine Lust damit, dass ich mir sage, dass ich auf dieser Gitarre einen großartigen Song schreiben werde! (lacht) Wenn sie dann aber zu lange im Koffer liegt, verkaufe ich sie wieder.
Was hast du auf ‚Global Griot‘ gespielt?
Meine Peter Wahl 12-String, dann meine Aria AP-STD II Parlour und meine Fylde Signature Sixtring, die ich liebe. Dann ein altes französisches Sixstring-Banjo wie es Django Reinhardt gespielt hat, bevor er zur Gitarre wechselte. Und noch ein Vega Banjo aus den 30er-Jahren. Aktuell auf Tour habe ich meine Aria Parlour dabei, die ich auf Open G stimme, dann eine Larson Prairie State OM, die ich einen Halbton tiefer stimme, weil ich die Saitenspannung angenehmer finde. Und schließlich meine Waterloo Jumbo King von Bill Collings. Diese Gitarren sind nach dem Vorbild der Instrumente aus den 2oer- und 30er-Jahren gebaut, sind unter anderem leiterverbalkt und haben dadurch einen eigenen, mittenbetonten, kraftvollen Ton. Ich mag diese Gitarren unglaublich gern. Abgenommen werden sie über einen Fishman Blackstack Pickup, ganz einfach passiv, da muss ich mich nicht um einen Batteriewechsel kümmern.
Live spielst du deine Gitarren über einen Roland Jazz Chorus 120.
Wie viele Gitarristen möchte auch ich einen verstärkten Sound, der die Gitarre so natürlich wie möglich wiedergibt. So wie sie eben klingt, nur lauter. Mein Sound soll auch nicht nach Mikrofon klingen, das ist eine Sache, die ins Studio gehört. Ich habe viel mit passiven Pickups, mit Piezo-Pickups und Verstärkern experimentiert. Und: ich mag einen leichten Chorus-Effekt. Gerade bei afrikanischer Musik passt das. Also toure ich mit einem Roland Jazz Chorus 120, da muss ich mich nicht mal ums Effektgerät kümmern! (lacht) Ein guter Sound, nur für meinen Geschmack ein bisschen zu fett. Deshalb schicke ich das Signal über eine DI-Box und mische das Signal mit dem des Amps. Das funktioniert für mich gut.
Vielen Dank fürs Gespräch!
www.ericbibb.com
discografie
River Road (1980)
Good Stuff (1997)
Me To You (1998)
Spirit & The Blues (1999)
Home To Me (1999)
Roadworks (2000)
Painting Signs (2001)
Just Like Love (2002)
Natural Light (2003)
Sisters & Brothers (2004)
Friends (2004)
A Ship Called Love (2005)
Living’, Lovin’ And Doin’ (2005)
Praising Peace (2006)
Diamond Days (2007)
An Evening With Eric – Live (2007)
Get Onboard (2008)
Spirit I Am (2008)
Live à FIP (2009)
Booker‘s Guitar (2010)
Troubadour Live (2011)
Deeper In The Well (2012)
Brothers In Bamako (2012)
Jericho Road (2013)
Eric Bibb And The North Country Far (2013)
Eric Bibb In 50 Songs (2014)
Blues People (2014)
Blues Detour (2014)
Lead Belly’s Gold (2015)
The Happiest Man In The World (2016)
Migration Blues (2017)
Global Girot (2018)