Amp Station

Rare Bird! 1954 Fender Pro Amp

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1954 Fender Pro Amp

Irgendwo in meinem Haus hängt ein altes schwarzweiß-Foto des berühmten Musiker-Fotografen Ernest C. Withers von B.B. King aus den frühen Fünfzigern. Der King of Blues trägt da unter dem hellen Sacko kurze Hosen, lange Socken und schicke, zweifarbige Lederschuhe. Natürlich fehlt auch die Krawatte nicht. Er spielt auf einer blonden Gibson ES-5 und direkt neben ihm am vorderen Bühnenrand steht ein Fender-Tweed-Combo im sogenannten Wide-Panel-Design. Die ersten Tweed-Amps hatten die berühmte TV-Front, die wie ein Fernsehbildschirm aussah, danach folgte etwa 1953 das Wide-Panel-Design und schließlich das wohl bekannteste Narrow-Panel-Design ab etwa 1955.

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Bei B.B.s Verstärker handelt es sich um ein heute extrem seltenes Tweed-Pro-Modell mit der Bezeichnung 5C5. Es wurde nur von 1953 bis 1954 gebaut. Im Grunde war der frühe Tweed Pro eine größere Version des Tweed Deluxe. Er hatte größere Trafos und ein größeres Gehäuse mit einem Jensen 15-Zoll-Lautsprecher. Bestückt war er mit zwei 6L6, die aufgrund der geringen Spannungen des Netztrafos und der Kathoden-Bias-Schaltung jedoch nicht mehr als etwa 18 bis 22 Watt aus dem Combo holten. Zu dieser Zeit war der Pro allerdings schon ein großer Luxus-Amp. Nur wenige Musiker konnten sich so ein Traumgerät leisten, doch B.B. King spielte seit jeher nur das Beste.

Jedes Mal, wenn ich an dem Foto vorbeigehe, überlege ich, wie B.B. an diesem Abend wohl geklungen haben mag. Seine Gitarre erinnert an T-Bone Walker, der zu dieser Zeit das gleiche Modell verwendete, und mit dem Tweed Combo hatte er wahrscheinlich auch einen ganz ähnlichen Sound. Amerikaner, die B.B. damals noch live erlebt hatten, berichteten mir, dass er, wenn er laut spielte, einen „fuzzy“-Ton hatte, was sicher auf die Instabilität der Schaltung dieses Verstärkers zurückzuführen war. Außerdem kann man davon ausgehen, dass er noch dicke Saiten mit umwickelter G-Saite spielte.

Auf den frühen Aufnahmen aus dieser Zeit klingt er schon etwas schmutziger und singender als T-Bone Walker. Vermutlich hatte er seinen Amp weiter aufgedreht, um sein berühmtes String-Bending zu kultivieren.

1954 Fender Pro Amp

Der abgebildete 1954er-Tweed-Pro kam vor ein paar Wochen zur Restaurierung in meine Werkstatt. Es wurden zwar schon ein paar Bauteile ausgetauscht, aber die Basis war noch komplett erhalten. Ein paar Kondensatoren waren erneuert sowie der Netztrafo – ein Vorbesitzer hatte den Amp wohl an die europäische Netzspannung angepasst.

Interessant war für mich vor allem, dass die 5C5-Schaltung in der Vorstufe drei 6SC7-Doppeltrioden vorsieht. Der abgebildete Verstärker war aber ab Werk mit zwei 12AY7 sowie einer 6SC7-Phasentreiber-Röhren bestückt. Auf dem Tube Chart im Inneren des Gehäuses hatte man daher, wie damals üblich, die nicht zutreffenden Bezeichnungen einfach durchgestrichen und handschriftlich durch die neuen Typen ergänzt. Wie so oft gab es bei Fender Übergangszeiten, in denen schon einzelne Veränderungen des nächsten Models umgesetzt wurden. Die 12AY7-Vorstufenröhre kam erst ab Ende 1954 in der 5D5-Schaltung.

Aber das sind eben Kleinigkeiten, die nicht wesentlich am Charakter dieser Amps beteiligt waren. Auffällig war auch, dass der Tweed-Bezug noch nicht den satt braun eingefärbten diagonalen Faden aufweist, sondern hier nur eine leichte Abtönung des Baumwollstoffs. Das gibt diesen Amps ihren typischen, gelblichen Look.

1954 Fender Pro Amp
Das alte Fender-Logo noch in Blockschrift

Der 15er-Jensen klang nach einer Überarbeitung von Stephan Bischoff (PPA Audiotechnik in Ahrensbök) wieder himmlisch. Zuvor war er altersbedingt etwas kratzig und matschig. Herr Bischoff hat die Schwingspule neu zentriert, den Lautsprecher gereinigt und stabilisiert. Mehr war nicht nötig. Nun klingt er wieder warm, satt und konturiert. Einzig der geringe Wirkungsgrad überrascht im Vergleich zu neueren Lautsprechern. Der Speaker tönt etwa nur halb so laut wie ein nagelneuer Celestion Alnico Blue. Aber das ist OK – seine enorme Musikalität macht das wieder wett.

1954 Fender Pro Amp
Die bereits verrostete Typen-Bezeichnung auf dem Panel

Auf dem Frontpanel befinden sich vier Eingänge mit jeweils High- und Low-Inputs für beide Kanäle sowie zwei Volume-Potis und ein gemeinsamer Tone-Regler. Das kennen wir vom berühmten Tweed Deluxe. In der Vorstufe ist der Tweed Pro ebenfalls sehr ähnlich aufgebaut, wie sein kleiner Bruder. Hier stehen jedoch pro Kanal gleich zwei Doppeltrioden zur Verfügung. In jedem Kanal arbeitet also eine komplette Röhre. Die Anschlüsse sind einfach zur benachbarten Triode gebrückt, wodurch der Sound etwas mehr Stabilität erhält.

1954 Fender Pro Amp
Die drei Regler auf der Front

Tweed Pro-Modelle wie diese haben sich mittlerweile zum Geheimtipp unter Gitarristen entwickelt. Zum Beispiel ist Neil Youngs berühmter Tweed Deluxe genau in diese Richtung modifiziert worden. Sein Amp hat die größeren Trafos aus einem Pro und zwei 6L6-Röhren. Damit pusht man den kleinen Deluxe von 15 auf etwa 25 Watt. Und das erhöht den Headroom erfreulich effektiv für den Bühneneinsatz.

Wichtig ist hierbei, dass der Kathoden-Widerstand von 5 Watt auf 10 Watt erhöht werden sollte, damit dieser durch die stärkeren 6L6 nicht überhitzt.

Eine weitere Qualität, auf die Neil Young allerdings verzichten muss, ist das größere Gehäuse mit dem 15-Zöller. Das verleiht dem Verstärker eine bessere Abbildung im Raum, der Ton wird größer und fülliger. Ich war wirklich überrascht, wie gut mir der 15er gefiel. Gerade mit Singlecoil-Gitarren überzeugen die mächtigen Bässe und die offenere Mittencharakteristik. Der Verstärker klingt weniger eng und nasal als ein kleinerer Tweed-Combo. Abgesehen von der geringeren Lautstärke, tönt die Gitarre schon beinahe wie aus einer 4×12-Box.

1954 Fender Pro Amp
Netz- und Standby-Schalter sind schon vorhanden.

Fast unschlagbar scheint dabei das nunmehr seit 65 Jahren stetig getrocknete Solid-Pine-Gehäuse. Schon beim Klopftest erhält man eine Ahnung von der Qualität dieses Holzes. Ohne Lautsprecher und Verstärker-Chassis scheint es nur ein paar Gramm zu wiegen. Entsprechend tönt die Holzkiste wie ein Geigenkasten. Eine Eigenschaft, die nagelneue Gehäuse (noch) nicht bieten können. Hier liegt vielleicht sogar das eigentliche Geheimnis dieses alten Schätzchens. Das Ergebnis ist ein wunderbarer Punch in jedem Akkord.

Das Gehäuse scheint fast gleichmäßig in alle Richtungen des Raums abzustrahlen. Trotz geringer Lautstärke steht man überall in dieser verzückenden Klangblase. Eigentlich das, wonach alle Gitarristen suchen. Man spielt ja heute nicht mehr so laut wie in den Siebzigern oder Achtzigern, möchte sich selbst dennoch überall auf der Bühne gut hören. So ein altes Gehäuse macht’s möglich.

1954 Fender Pro Amp
Der mächtige Jensen Alnico 15-Zöller

Insgesamt klingt der Verstärker traumhaft für alle Rock’n’Roll-Ambitionen mit typischen Stones-Riffs, Tom-Petty-Crunch, Lenny-Kravitz-artigen Hippie-Sounds und natürlich auch Übersteuerungs-Tiraden à la Neil Young. Findet man die richtige Balance zwischen den eingesteckten Röhren (der Verstärker reagiert hier drastisch, weil die Schaltung so einfach aufgebaut ist), liefert er auch wunderbare Overdrive-Sounds, die an alte Dumble-Amps erinnern. So kann man mit einer guten ES-335 den typischen Larry-Carlton-Klängen nacheifern. Dank der Kathoden-Bias-Endstufe schmatzt und singt der Amp viel eher als ein späterer Black- oder Silverface-Amp. Die gesuchte Lebendigkeit entsteht dabei schon bei viel geringeren Lautstärken.

Ein Zeitzeuge mit verführerischer Optik und einem Sound, den man einfach nicht mehr hergeben möchte! Bis zum nächsten Mal!

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Vielen Dank für diesen wunderbaren Artikel. Als Bastler an Diversen Amps finde ich solche Berichte faszinierend.

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