Im Test: Cyan „The Ultimate“ Rhythm Guitar Green Dragon
von Michael Dommers,
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(Bild: Dieter Stork)
Zusammen mit dem erfolgreichen schwedischen Metal-Produzenten Jens Bogren hat Cyan Guitars‘ Mastermind Thomas Harm eine Gitarre entwickelt, die den hohen Anforderungen Bogrens an eine Studio-Rhythmusgitarre standhalten, gleichzeitig aber auch ein breites Klangspektrum bei simpelster Bedienbarkeit bietet und Drop-D bis -H Tunings problemlos meistern sollte.
Angesichts der Kundenliste und Diskografie des Schweden muss der 38-Jährige ein Workaholic sein. Sein 2001 gegründetes Fascination Street Studio in Örebro und sein Studio Gröndahl in Stockholm zählen nämlich im Metal-Genre auch international zu den Top-Adressen.
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Nachdem Bogren es Leid war, dass die meisten Gitarristen mit für seine Ohren unzulänglichen Instrumenten bei ihm aufschlugen, reifte die Idee zu einer Zusammenarbeit mit dem Hamburger Thomas Harm und dessen Firma Cyan Guitars.
Der Plan: Die Gitarre sollte Qualitäten besitzen, die die Musiker davon überzeugten, freiwillig ihre Lieblingsgitarren am Studioeingang abzugeben. Am meisten zu kämpfen hatte Bogren mit weit ausschwingenden tiefer gestimmten Saitenauf 648-mm-Mensuren, die ständig zu Tuning-Problemen führen.
Wer kennt nicht die weit hin und her ausschlagende Anzeige eines elektronischen Tuners beim Stimmen von E6- oder A5-Saiten, die je nach Anschlagsintensität auch noch variiert? Hinzu kommt, dass sich die wenigsten Musiker kurzfristig an echte Bariton-Mensuren gewöhnen können.
Gut vorstellbar also, welch enorme Entwicklungsarbeit dieses schwedisch-deutsche Produkt erforderte. Da Thomas Harm ein großer Fan des Kemper Profiling Amps ist, hat er die Cyan Green Dragon u. a. auch auf selbigen abgestimmt, um der eierlegenden Wollmilchsau ein optimales Signal zu liefern.
Zutaten
Inzwischen lassen Cyan-Gitarren in puncto Design Thomas Harms Handschrift erkennen. Hierzu zählen Single und Double-Cutway-Bodies, die Kopfplatten mit 3/3-Anordnung, die Deckenkonturen mit breit angelegten Hohlkehlen, Facetten und Rippenschonern, sowie die ergonomisch fließend gestalteten Halsübergänge. Dies alles kommt nicht nur der Optik, sondern vor allem dem Spiel- und Tragekomfort zugute.
(Bild: Dieter Stork)
Der Mahagoni-Body unserer Testgitarre besitzt ein olivgrünes, dezent strukturiertes, mattes Metallic-Finish aus gehärtetem Nitroverbundlack. Alternativ ist auch Silbergrau erhältlich. Über einen Göldo-Deluxe-Buchsentopf, der in die Zarge eingelassen und verschraubt wurde, nimmt das Gitarrenkabel Kontakt zur Elektrik auf, deren Kammerwände penibel mit Kupferfolie ausgekleidet wurden, die man wiederum mit der Instrumentenmasse verlötet hat. Selbstverständlich besitzt die Folie auch Kontakt zum Aluminiumdeckel, welcher u. a. auch die Namen der beteiligten Entwickler trägt.
Bild: Dieter Stork
E-Fach: Verdrahtung par excellence
Bild: Dieter Stork
Anstelle von schlichten Holzschrauben verwendet Thomas Harm Gewindeeinsätze und M3-Edelstahlschrauben. Im E-Fach trifft man auf spartanische aber vorbildliche Verdrahtung der beteiligten Komponenten: Leichtgängige 500k Bourns-Potis, TAD Öl-Kondensator sowie ein Freeway Toggle Switch, der sechs verschiedene Konstellationen der Spulen anwählt.
Nützliches Gimmick für dunkle Umgebungen: Als Markierungen für die Poti-Settings hat Thomas Harm kleine fluoreszierende Dots in die Decke eingelassen.
(Bild: Dieter Stork)
Für die sichere Befestigung des Gurtes sorgen zwei Duesenberg Multi-Lock Gurtpins.
Bild: Dieter Stork
Bild: Dieter Stork
Der Spruch „Ein schöner Rücken kann auch entzücken“ trifft auf diesen aus drei Ovangkol-Streifen und zwei Ahorn-Layern gesperrten Hals unbestritten zu.
Das Holz ist eine echte Augenweide! Der Halsfuß ragt bis zur Vorderkante der Steg-Pickup-Fräsung, optimale Schwingungsübertragung ist somit garantiert. Übrigens wurde der Hals nach dem Lackieren bzw. Wachsen mit dem Korpus verklebt und nicht verleimt, da Holzleim nicht in die verschlossenen Poren hätte eindringen können.
Die Oberflächen besitzen eine überaus angenehme Haptik – nicht so spiegelglatt und mitunter klebrig wie konventionelle Lacke, aber wiederum glatter als Satin Finish. Das mit einem Radius von 16″ recht flache Ebenholzgriffbrett trägt 24 exzellent bearbeitete Jescar-Edelstahlbünde, während Aluminium-Ringe und fluoreszierende Sidedots die Orientierung erleichtern.
Eine weitere Besonderheit der „Ultimate“ stellt der optimal abgerichtete austauschbare GraphTech-Sattel dar. Sollten nämlich während einer Studio-Session je nach Tuning kurzfristig die Saitenstärken auf 10-46, 10-52 oder 11-56 gewechselt werden müssen, stehen entsprechend gekerbte Austauschsättel zur Verfügung, die sich leicht mit einem Fingernagel aus der passgenauen Aufnahme hebeln lassen. Diese Option bietet Cyan für ca. € 60 Aufpreis an.
Die rückwärtig geneigte Kopfplatte mit angesetzten Flügeln, Ebenholz-Frontfurnier und stabilisierendem Kragen trägt sechs präzise und smooth arbeitende Hipshot Grip-Lock Open 18:1 Tuner. Auf eine Trussrod-Abdeckung wurde praktischerweise verzichtet, damit der Double-Action-Stahlstab bei Bedarf direkt zugänglich ist. Als Steg findet ein Gotoh 510UB Verwendung, der in die Decke eingelassen wurde und von zwei höhenjustierbaren Bolzen getragen wird. Nach dem Strings-thru-Body-Prinzip hält ein massiver Aluminiumblock auf der Korpusrückseite die Endringe der Saiten.
Nach endlosen Versuchen und Ärger mit Zulieferern stellt Thomas Harm nun u. a. auch eigene Tonabnehmer her. So kommen hier ein Cyan Custom Dragon in der Halsposition und ein Dinosaur am Steg zum Einsatz, die speziell auf die Ultimate Rhythm Guitar abgestimmt wurden, um ihr möglichst klare, präzise Klänge – frei von Interferenzen und Mulm – zu entlocken.
Während der Dragon-Hals-Humbucker in dem kunstvoll gefrästen Alu-Pickguard Halt findet, haust der Dinosaur in einem separaten Alurahmen, der mittels M3-Gewindeschrauben montiert wurde.
Zum Aufpreis von € 150 pro Pickup bietet Cyan Guitars ein Schnellwechselsystem inklusive speziellem Rähmchen und handgefertigtem Tool an, mit dessen Hilfe sich jeder Pickup über eine verpolungssichere Steckverbindung in weniger als einer Minute austauschen lässt. Dieses Feature benutzt Jens Bogren extensiv, da er auf diese Weise stets zu seinen Amps die optimalen Pickups auswählen kann.
Die Cyan-Humbucker werden per Volume, Tone und dem Freeway Toggle Switch kontrolliert, der neben der gewohnten Verschaltung der Humbucker in der unteren Ebene auch entsprechende Singlecoil-Optionen in der oberen ermöglicht, bei denen die einander zugewandten Spulen von Steg- und Hals-Humbucker verstummen.
Fühlen & Hören
Die spezielle Ultimate-Mensur resultiert aus verschiedenen Überlegungen. So spielten sowohl schwingungstechnische als auch klangliche Gründe bei der Entwicklung eine Rolle, außerdem kommen die meisten Gitarristen mit Fender-Mensuren, also 648 mm, bestens klar und dürften sich daher an die um 18 mm verlängerten Ultimate schnell gewöhnen.
Trotz des längeren Halses zeigt die Green Dragon am Gurt nur einen Hauch von Kopflastigkeit und verharrt auch auf dem Bein in der Horizontalen. Dank der ausgesprochen angenehmen Oberfläche bietet das flache C-Profil höchsten Spielkomfort, zumal die Enden der Bunddrähte vorbildlich verrundet und poliert wurden.
Barrierefreies Spielen bis in die höchsten Lagen, auch mit Unterstützung des fließenden Halsübergangs und großzügig geschnittenen Cutaways. Die in die Decke eingelassenen Reglerknöpfe hat man ebenso ergonomisch günstig platziert wie den Freeway-Schalter.
Die Cyan Ultimate wird deshalb primär als Rhythm Guitar betitelt, weil sie dank präziser Saitentrennung auch bei komplexeren Akkorden sehr offen, straff, drahtig und definiert klingt. Und das sogar im oftmals schwammigen Drop-H-Tuning, bei dem der Hals mit denselben Saiten übrigens nicht zwingend nachjustiert werden muss.
Wer befürchtet, die Green Dragon würde ob ihrer Maße und Konstruktion tonal träger aus den Hufen kommen, irrt gewaltig. Sie gibt sich äußerst schwingfreudig, spricht direkt und artikuliert an, lässt der Tonentfaltung wenig, dem Sustain indes jede Menge Zeit. Ungeachtet der jeweiligen Stimmlage liefert der grüne Drachen knackig drahtige, obertonreiche, ausgewogene Klangbilder mit straffen, definierten Bässen, perkussiven Mitten und klaren Höhen.
Am Verstärker wird deutlich, dass die Cyan Custom Humbucker mit ihren Alnico7- bzw. Keramikmagneten enormen Output liefern, aber dennoch sehr klar, definiert und rund klingen. So tönt der Steg-Pickup kraftvoll, voluminös, ausgewogen, ja sogar luftig und transparent.
Seine Bässe fügen sich perfekt ins Klangspektrum ein, ohne auch nur geringste Anzeichen von Mulmen oder Dröhnen aufkommen zu lassen. Beim Wechsel zum Steg-Humbucker zieht der Ausgangspegel an, und dessen breites Klangspektrum wird nicht von Mitten dominiert. Mit drahtig knackigem Fundament und ebensolchem Mittenbereich, klaren, durchsetzungsstarken aber niemals aufdringlichen Höhen und sattem Obertonangebot, weiß der Dinosaur zu überzeugen.
Die Mischung beider Pickups perlt spritzig, glockig und luftig zugleich aus den Lautsprechern. Alle drei Humbucker-Sounds überzeugen mit perfekter Balance und präziser Darstellung von Akkorden.
Der Freeway-PU-Schalter ähnelt der H-Schaltung eines Kraftwagens, seine Positionen sind wie die sechs Augen eines Würfels angeordnet. Während die untere Ebene die Full-Humbucker-Sektion bedient, aktiviert die obere, den Reglerknöpfen zugewandte Ebene die Singlecoil- bzw. Coil-Split-Abteilung.
Hier kommen die Halsspule des Hals- oder/und die Stegspule des Steg-Pickups zum Einsatz, die sich durch deutlich schwächere Pegel bemerkbar machen. Ihre wärmeren und fetteren Klänge haben wenig mit Fender-Sounds zu tun, sie fahren eher die P-90-Schiene. Obgleich sie noch etwas wärmer und runder klingen als traditionelle Soapbars, lassen sie weder Transparenz noch Vitalität vermissen, erzeugen jedoch konstruktionsbedingt leichte, wenn auch vernachlässigbare Einstreugeräusche.
Was die Ultimate im Zerrbereich abliefert, bildet dann quasi das Sahnehäubchen. Egal ob Hals-, Steg- oder beide Humbucker bzw. Coil Splits simultan, egal ob Bässe, Mitten, Höhen oder Obertöne, die Sounds dringen stets definiert und mit klarer Saitentrennung, präziser Abbildung von Akkorden, bestens abgestimmter Balance, enormer Dynamik, endlos erscheinendem Sustain und hohem Durchsetzungsvermögen ans Ohr.
Beide Bourns-Potis zeichnen sich durch butterweiche Gängigkeit aus und lassen sich mit ihren fein gerändelten Aluknöpfen komfortabel und präzise handhaben. Das Volume-Poti agiert zwischen 0 und 7 völlig gleichmäßig und verzeichnet bis 10 eine etwas stärker aber keineswegs weniger kontinuierlich ansteigende Pegelkurve.
Ganz bewusst hat Thomas Harm die Charakteristik des Tone-Reglers so gewählt, dass die Höhen im Bereich zwischen 2 und 10 sehr nuanciert gefiltert werden, um von 2 bis 0 extrem stark abzufallen.
Resümee
Mit der Erfahrung von 28 Jahren Gitarrenbau, explizit auch im Extended-Range-Bereich, ist Thomas Harm in Kooperation mit dem schwedischen Metal-Produzenten Jens Bogren ein Instrument gelungen, dessen ausgeklügeltes und konsequent umgesetztes Konzept nicht nur beim Klang, sondern auch in puncto Handhabung Maßstäbe setzt. So bedarf es dank der nur geringfügig längeren
Mensur keiner nennenswerten Umgewöhnung, um z. B. von einer Strat zur Cyan Green Dragon mit Drop D-, C-, oder H-Tunings zu wechseln. Das geht quasi „on the fly“. Dabei entpuppt sich das geschmackvoll designte und in allen Belangen vorbildlich handgefertigte Meisterstück nicht nur als stimmgewaltige und stimmstabile Rhythmusgitarre, sondern dank seiner Dynamik- und Sustain-Talente auch als echtes Lead-Monster.
Eine phantastische Gitarre für Drop-Tunings zum fairen Preis.