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Test: Ibanez Martin Miller MM1 & Tom Quayle TQM1

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Ibanez Martin Miller Tom Quayle

Mit Signature-Modellen von Martin Miller und Tom Quayle untermauert Ibanez das ausgegebene Ziel, definitive Instrumente für den virtuos ausgerichteten Spieler zu bauen und damit auch höchsten Ansprüchen gerecht zu werden. Wie kaum eine andere Firma hat Ibanez dabei auch die aufkommende junge Generation im Auge – gut so!

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Tom Quayle und sein „Partner in Crime“ Martin Miller gehören zur neuen Generation von europäischen Spielern, die sich hinter ihren einstigen amerikanischen Vorbildern Petrucci, Vai, Gilbert und Co. längst nicht mehr verstecken müssen und umfassende Virtuosität mit stilistischer Vielfalt zu kombinieren vermögen. Der englische Legatomeister Tom Quayle, vor allem bekannt durch seine vielen Online-Tutorials für das moderne Fusion Genre, und der als Spieler wie als Dozent der Hochschule für Musik in Dresden nicht ohne Grund hoch geachtete Martin Miller haben nun in enger Kooperation mit Ibanez im Rahmen der neuen AZ-Reihe ihre eigenen Signature-Instrumente erarbeitet.

konstruktion

Die vorliegenden Signature-Gitarren bauen vom Basis-Design her auf identische AZ-Gene, zeigen aber recht unterschiedliche Auslegungen in Sachen Material und Ausstattung.

Der höchst komfortabel konturierte Korpus der Martin Miller MM1 Signature besteht aus afrikanischem Mahagoni, dem eine in Transparent Aqua Blue lackierte Decke aus geflammtem Ahorn aufgesetzt wurde – Mahagoni als Korpusmaterial ist ein Alleinstellungsmerkmal der MM1.

Der mit vier in Hülsen geführten Schrauben und geschmeidig abgeglichenem Super All Access Hals-Korpus-Übergang in den Korpus eingebrachte S-Tech-Wood-Hals aus geröstetem Ahorn wurde mit einem Griffbrett von 12“ Radius aus ebenfalls Roasted Maple kombiniert. Im patentierten S-Tech-Prozess wird Holz in einem mit Stickstoff befüllten Container für mehrere Stunden unter kontrolliertem Druck einer Temperatur von 180-200°C ausgesetzt. Die Methode verbessert die Stabilität des Holzes und macht es seines geringeren Feuchtigkeitsgehalts wegen unabhängiger von Klimaschwankungen.

Ibanez Martin Miller Tom Quayle

Dank Prestige-Bundkantenbehandlung zeigen die 24 Stainless-Steel-Bünde im Jumbo-Format perfekte Verarbeitung. Abalone-Dots und lumineszierende Bundmarkierungen sorgen für sichere Griffbrettnavigation.

Die überarbeitete, etwas rundlicher gestaltete Ibanez-Kopfplatte bekam Magnum-Lock-Mechaniken von Gotoh mit justierbarer Schafthöhe montiert. Ein Saitenniederhalter für die beiden hohen Saiten verbessert den Andruck auf den Knochensattel, hinter dem die Stellschraube für den Halsstab offen zugänglich ist. Am Korpus sind die Saiten in das IbanezT1802-Vibrato-System mit Stahlblock und Titan Saitenreitern (Gotoh) eingehängt. Die drei Federn bekamen übrigens kleine Gummizylinder aufgesteckt, um das lästige Federschwirren zu vermeiden – sehr clever!

Zur Elektrik: Hier haben wir einen von Ibanez in Kooperation mit Seymour Duncan entwickelte Hyperion-Humbucker mit Alnico-5-Magneten für die Hals- und Stegposition. Der Clou: Über den zwischen Volume- und Tone-Regler positionierten kleinen Kippschalter lassen sich die zwei Klangebenen der Dyna-Mix-10- Schaltung separat aufrufen. In der Ebene 1 sind über den 5-Weg Klingenschalter folgende Klangoptionen anwählbar:

1 – Hals HB, 2 – Hals SC + Steg SC (innere Spulen), 3 – Hals HB + Steg HB, 4 – Hals SC + Steg SC (äußere Spulen), 5 – Steg HB. In der alternativ aktivierten zweiten Dyna-Mix-Ebene liegen an 1 – Hals, eine Spule angezapft, 2 – Hals SC, 3 – Hals HB, eine Spule angezapft + Steg HB, eine Spule angezapft parallel, 4 – Steg SC, 5 – Steg HB, eine Spule angezapft.

Die Tom Quayle TQM1 verfügt über einen von der Form her identischen Korpus aus Erle mit einer Decke aus Regenbaum (tropisches Mimosengewächs). Der einteilige S-Tech-Wood-Hals aus geröstetem Ahorn mit AZ-Oval-C-Profil kommt (wie der der MM1) mit einem Griffbrett aus dem gleichen Material inklusive Abalone Dots und lumineszierenden Bundmarkierungen. Allerdings ist die TQM1 lediglich mit 22 Jumbo-Stainless-Steel-Bünden plus Prestige-Bundkantenbehandlung ausgestattet. Analog zur MM1 finden wir auch diesen Hals mit Super-All-Access-Hals-Korpus-Übergang auf den Korpus geschraubt. Magnum-Lock-Mechaniken von Gotoh und die Ibanez-T1802-Bridge von Gotoh runden die Ausstattung ab.

Ibanez Martin Miller Tom Quayle

Ausgestattet ist auch Tom Quayles Signature-Gitarre mit Seymour Duncans Hyperion-Pickups, allerdings in SSH-Konfiguration Singlecoils in Hals- und Mittelposition, Humbucker am Steg. Über die Dyna-Mix-9-Schaltung sind in zwei Klangebenen folgende Sounds angelegt – Standard-Ebene:

1 – Hals SC, 2 – Hals SC + Mitte SC, 3 – Mitte SC, 4 – Mitte + Steg SC, 5 – Steg HB.

Dyna Mix-Ebene (aktiviert per Kippschalter): 1 – Hals SC + Mitte SC in Serie, 2 – Hals SC und Steg SC parallel, 3 – Hals/Mitte in Serie + Steg HB parallel, 4 – Steg SC, 5 – Steg HB.

praxis

Die formal sehr ähnlich erscheinenden Signature-Modelle teilen tatsächlich viele Konstruktionsmerkmale, differenzieren sich aber dann natürlich deutlich nach ihren Korpusmaterialien, Halsformaten (22-, bzw. 24-Bund) sowie der elektrischen Ausstattung. Beide Gitarren, die Quayle ist mit 3,2 kg deutlich leichter als die Miller mit 3,7 kg, spielen sich mit ihren gefälligen, für Ibanez-Verhältnisse recht kraftvoll gestalteten Oval-C-Halsprofilen plus glänzend gemachten Bundierungen ganz ausgezeichnet.

Weiterer Pluspunkt der stimmigen Konstruktion ist die Schwingintensität mit der die Gitarren antreten und darüber eine ungemein schlüssige Darstellung von Akkorden mit seidiger Auflösung und harmonischer Interaktion der Stimmen anbieten. Ansprache, Dynamik, Tonlänge – diesen Aspekten können wir allesamt nur Bestnoten zuteilen. Das ist in der Tat ein hohes akustisches Versprechen, von dem wir nun hoffentlich auch die angemessene elektrische Einlösung erwarten können.

Seymour Duncans Hyperion-Pickups sind direkt in die entsprechenden Korpusfräsungen geschraubt, arbeiten mit Alnico5-Magneten und bieten ausgeglichene Klangbilder mit bester Transparenz im Akkord. Beide Gitarren warten überdies mit einem großen Repertoire an Sounds auf, die Dyna-Mix-Schaltungen holen aus den Spulen raus, was nur möglich ist.

Martin Millers MM1 ist mit zwei Humbuckern ausgestattet. Der Tonabnehmer am Hals ist moderat ausgelegt, das Pendant am Steg verfügt über etwas mehr Output. Der Erstere punktet im Clean-Bereich mit volltönenden, sehr schön geschmeidig rund artikulierenden Akkord-Sounds von bestechender Transparenz, aber auch Sololinien kommen mit bester innerer Festigkeit substanzreich und schwingfreudig ins Leben. Der Anschlag wird pointiert herausgestellt, der Ton federt spontan ab und gehaltene Noten zeigen einen ebenmäßigen Klangverlauf, dem einschwebende harmonische Obertöne sogar noch einen gewissen Schub verleihen.

Die beschriebenen Eigenschaften führen auch im Zerrmodus zu hochklassigen Sounds, die vor allem im Bassbereich eine lobenswerte Straffheit und Transparenz behalten und in Summe charaktervolles Melodiespiel mit Atem und tonfarblichem Vermögen ausstatten.

Trotz seines etwas höheren Outputs schlägt sich dann aber auch der Steg-Pickup in Clean-Einstellungen richtig ordentlich. Gut aufgelöst und dennoch kompakt, werden Akkorde ohne Mumpf und mit samtigem Höhenanteil transportiert. Die seidig harmonische Auflösung, bei der MM1 etwas stärker ausgeprägt als bei der TQM1, findet also auch verstärkt über den Steg-Pickup zu geschmeidigem Ausdruck.

Ibanez Martin Miller Tom Quayle
Ibanez T1802 Vibratosystem

Toll dann aber die vokale Kraft, mit der er in Zerre machtvoll antritt. Nach markant herausgestelltem Anschlag steigt der Ton blitzartig auf, lässt sich dynamisch formen, folgt der Intention des Spielers. Die innere Festigkeit ist enorm, das Sustain großartig und das obertonsatte Timbre eine Wucht!

Auch die Zwischenpositionen geben uns mit unterschiedlich kombinierten Spulen beider Pickups absolut hochklassige, klangfarblich leicht versetzte Sounds an die Hand.

Mehr als nur Bonus sind dann die per Dyna-Mix aufrufbaren Klang-Alternativen. Sind schon die Sounds der ersten Ebene klangfarblich fabelhaft gestaffelt, so bietet die zweite Ebene grundsätzlich schlankere und etwas kehligere Sounds durch angezapfte Spulen der Humbucker und diverse Singlecoil-Varianten. Das ist ein starkes Angebot und eines, das uns staunen lässt, ob der Bandbreite und Qualität der klanglichen Differenzierung. Mit einem Switch wechseln wir quasi das Instrument, gehen durch eine imaginäre Tür, wechseln das Ambiente – toll!

Tom Quayles TQM1 kommt mit SSH-Pickup-Bestückung, wobei der Humbucker am Steg mit vergleichbar starkem Output wie der der MM1 auftritt. Die Singlecoils bieten ausgesprochen kraftvolle Basis-Sounds, bestens einzusetzen für glasig brizzelnde Rhythm Chops mit starker Grundnote und kehlig frische Leads. Hervorragend dann ihre Umsetzung in Overdrive-Positionen. Fett und mit schmatzend herausgestelltem Anschlag , sind in den Grundpositionen absolut hochklassige Singlecoil-Sounds zu erzielen. Erstaunlich ist ihr Pegel, der locker mit dem der nicht gerade zimperlich auftretenden Doppelspuler mithält, also lediglich ein klangfarbliches Gefälle aufweist.

Der Humbucker will sich aber auch nicht lumpen lassen und bietet eine höchst stabile Klangzuspitzung, die Melodien mit vokaler Kraft und löblichem Durchsetzungsvermögen ausstattet. Bei gehaltenen Noten ist auch bei der TQM1 eine starke Obertonentfaltung zu beobachten, die den atmenden Ton geradezu beflügelt. Schnell gespielte Linien lassen sich dynamisch gestalten und kommen mit markant umrissener Kontur zum Ohr. Die leichte Ansprache und federnde Tonentfaltung kommt der von Tom bevorzugten Legato-Spielweise natürlich perfekt entgegen.

Ibanez Martin Miller Tom Quayle
Ibanez T1802 Vibratosystem

Phänomenal ist dann das Wechselspiel mit der zweiten Dyna-Mix-Ebene, die nicht nur weitere hervorragende Sounds anbietet, etwa die Zusammenschaltung von Spulen in den ersten drei Schaltstellungen mit allesamt hervorragenden Klangoptionen, sondern auch die perfekt angelegten Differenzierungen und Abstimmungen im klangfarblichen Ambiente. Da fällt eigentlich nichts wirklich ab, keine spirrigen Alibi-Sounds für esoterische Studio-Einsätze also, sondern sinnvoll eingestellte Klangalternativen von hohem Praxiswert. In beiden Dyna-Mix-Ebenen liegt im Übrigen bei der TQM1 in der fünften Schaltposition der Steg-Humbucker an. Da ist es ein Leichtes, aus jeder Situation heraus immer direkt auf den Lead-Pickup zuzugreifen.

Mit den T1802 Tremolo Bridges von Gotoh haben wir dann auch noch funktionsstarke und verstimmungsarme Vibrato-Systeme an Bord und das setzt der ganzen Sache final das Sahnehäubchen in der Tongestaltung auf.

Tja, man könnte ein Buch schreiben über die vielgestaltigen Sound-Facetten, die in den Schaltungen dieser individualisierten AZ-Modelle angelegt sind. Auch wenn es im Wesentlichen eigentlich immer um praxisgerecht angelegte Basis-Sounds geht, und die stimmen bei beiden Instrumenten ja auf jeden Fall, so ist die opulente Ausstattung mit absolut amtlichen Sounds in der zweiten Dyna-Mix-Ebene bei diesen Gitarren mehr als nur Standard und erweitert die klangfarblichen Möglichkeiten höchst effektiv mit praxisgerecht angelegtem Zugriff. Die Vielfalt von Klangabstufungen jeglicher Couleur auszuloten und auszuschöpfen bleibt natürlich der individuellen Phantasie des Spielers überlassen und ist schriftlich sowieso nicht wirklich zu erfassen.

Ibanez Martin Miller Tom Quayle

resümee

Mit den Signature-Instrumenten Martin Miller MM1 und Tom Quayle TQM1 präsentiert Ibanez zwei individuell noch weiter zugespitzte Versionen aus der eh schon stark an Spielerwünschen ausgerichteten neuen AZ-Reihe. Erstaunlich ist tatsächlich die funktionale Optimierung im Allgemeinen, welche in der klanglichen Verfeinerung im Individuellen seine schöne Entsprechung findet. Die minutiös gefertigten Instrumente spielen sich mit ihren tollen Oval-C-Hälsen inklusive perfekter Stainless-Steel-Bundierungen einfach fabelhaft und warten darüber hinaus mit profunden Grund-Sounds auf, die sich dank der pfiffigen Dyna-Mix-Schaltungen mit schnellem Zugriff in vielfältige Klangfacetten erweitern lassen.

Ob man nun dem Tom-Quayle-Modell mit Erle-Body, 22-Bund-Hals und SSH-Pickup-Bestückung den Vorzug gibt, oder lieber zum Martin-Miller-Modell mit Mahagoni-Body, 24-Bund-Hals plus Humbucker-Set greift, bleibt Geschmackssache oder Stilfrage. Perfekt handhabbare Instrumente mit großem Tonpotential und enormer klanglicher Beweglichkeit sind beide. Im Handel werden unsere Probanden sicher oft nebeneinander zu finden sein – schön, die Wahl zu haben. Der persönliche Vergleichstest bringt schnell Klarheit. Antesten dringend empfohlen!

Ibanez Martin Miller Tom Quayle

Ibanez Martin Miller Tom Quayle

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(erschienen in Gitarre & Bass 10/2018)

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