(Bild: Petia Chtarkova)
Wie heißt es so doch so bezeichnend: „Das Bessere ist der Feind des Guten“. Na klar, Innovation und Optimierung treiben den steten Wandel voran, trifft auch und gerade in der Musikbranche zu. So wie hier beim Amp1. Vier Jahre nach dem Erscheinen des kleinen kompakten Meisterleisters kommt jetzt die zweite revidierte Version in den Handel.
Hinter BluGuitar steht Thomas Blug. Der allseits anerkannte Gitarrist ist einer von denen, die immer besonders ruhelos und neugierig forschen. Er scheint stets irgendwie mit Sound und Technik beschäftigt zu sein, wenn man ihn trifft. Wir haben uns auf dem Guitar Summit 2018 in Mannheim getroffen und uns eingehend über den Stand der Dinge beim Amp1 ausgetauscht. Thomas betonte in dem Gespräch, dass die Entwicklung der neuen Mercury-Edition nicht nur bzw. nicht primär auf seinen eigenen Erkenntnissen und Vorlieben beruht, sondern vor allem das Feedback der User widerspiegelt.
basics
Rufen wir uns noch einmal kurz Struktur und Eigenschaften des Floor-Amps in Erinnerung: Es stehen vier Sound-Sektionen zur Verfügung, Clean, Vintage, Classic und Modern, dazu ein fußschaltbarer Booster, Hall, ein parallel oder seriell nutzbarer Einschleifweg, ein Recording Out mit Speaker-Simulation, sowie ein Noise-Gate mit zwei Presets. Und neben alledem ist auch noch eine 100- Watt-Endstufe integriert – lässt mich immer wieder staunen, was mit der Class-D-Technik möglich ist.
Die Signalbearbeitung davor erfolgt allerdings analog mit Halbleitern, digitales Modeling ist nicht im Spiel. Für optimierte Ansprache und Dynamik sorgt eine Subminiaturröhre, von BluGuitar Nanotube genannt. Links außen am Gehäuse erlauben fünf Trimmpotis (Custom Controls) Feinabstimmungen in drei Kanälen: jeweils Volume und Tone für die Sound-Kanäle Modern und Classic, Clean begnügt sich allein mit einem Tone-Poti (Mitten-/Höhenblende). Die drei Fußschalter an der Oberseite können alternativ in zwei Konstellationen arbeiten.
1. Der linke wechselt zwischen Clean und einem (per Drehschalter) vorgewählten Overdrive-Modus. Der mittlere kontrolliert den Boost, auf dem rechten Schalter liegt Reverb-On/Off.
2. Preset-Abruf: Links liegt die Kombination Vintage-Boost-Reverb, in der Mitte Classic+Reverb, rechts Modern+Reverb. Dies ist die Grundeinstellung. Die Konfiguration kann der User aber nach Wunsch ändern.
Indem ein Zweifach-Fußschalter an der Remote-Buchse angeschlossen wird, ist zusätzlich der Wechsel zwischen Clean und Overdrive fernsteuerbar sowie Boost-On/-Off. In dieser Konstellation kann man live alle vier Sound-Modes abrufen. Via MIDI sind die Möglichkeiten natürlich ungleich üppiger. BluGuitar hat dafür das intelligente, sehr flexible Steuerpedal namens Remote1 im Angebot, eine ideale Ergänzung, wie ein früherer Test gezeigt hat (Ausgabe 12/2016).
tune up
Es sind vier Änderungen, die den Amp1 Mercury Edition auszeichnen. Der Clean-Kanal, den Thomas Blug ursprünglich nach den Eigenschaften des JTM45/Marshall ausgerichtet hat, wurde umgestaltet, um den Wünschen von Anwendern, die mit Humbucker-Gitarren arbeiten nachzukommen. „Matscht zu viel…“ wurde von denen beklagt, „…die Ansprache dürfte tighter sein“. Um dem nachzukommen, wurde die Gegenkoppelung der Endstufe geändert, sodass sie intensiver mit dem Lautsprecher interagiert.
Die Verstärkungsstufe des Kanals wurde feinfühlig verschlankt. Führt dazu, dass die Ansprache schneller ist und die Sound-Sektion nicht so schnell gesättigt ist. Eine kleine neue Bedienungshilfe spielt in das Thema hinein. Second-Master-Volume und Powersoak, Software-seitig (via MIDI bzw. Remote1) war darüber bisher schon eine Gain-Reduktion um ca. 15% möglich. Jetzt kann man die beim Einschalten wählen, indem man einfach den Boost-Knopf gedrückt hält.
Viel aufwendiger waren die Änderungen am Modern-Kanal, der fast komplett neu aufgebaut ist. In seinem Sound steckte zuvor etwas cremiges, konstatiert Thomas, und er hatte ein gewisses Low-End-Verhalten, was beides zugunsten einer Kompaktheit/Tightness für die Metal-Spieler geopfert wurde. „Ich habe dann noch lange an der EQ-Frequenzgangabstimmung geschraubt, sodass ich immer noch meine Seite vom Sound bekomme, aber ich kann jetzt eben auch eine Siebensaiter weit runtergestimmt mit viel Gain spielen und es matscht nicht.“
Punkt #3 des Tune Up betrifft die Reverb-Sektion. Im Zusammenarbeit mit dem US-Lieferanten wurde die Qualität rundum verbessert, heißt es. Viertens und letztens erfreut sich die Mercury-Edition nun einer Power-Umschaltung in der Endstufe. Bei der reduzierten Leistungsebene handelt es sich quasi um einen Protect-Modus, der sicherstellt, dass kleine, gering belastbare Lautsprecher/Cabinets nicht überlastet werden bzw. Schaden nehmen. Auszuführen indem man beim Einschalten des Amp1 den Kanalwahlschalter gedrückt hält.
(Bild: Petia Chtarkova)
performance
Nachdem wir beide Vorgängerversionen eingehend getestet/vorgestellt haben, geht es uns diesmal bei der Mercury-Edition nur um die Bewertung der Upgrade-Features. Die logischerweise nur dann seriös erfolgen kann, wenn man die Vorgängerversion zum direkten Vergleich heranzieht. Gesagt, getan, ich hatte sie zur Verfügung. Wichtig bei solchen A/B-Tests ist im Übrigen, dass man die Hörkontrollen bei äquivalenten Lautstärken unternimmt. Denn das menschliche Gehör nimmt ein und dasselbe Klangereignis bei unterschiedlichen Lautstärken qualitativ verschieden wahr. Gibt man darauf nicht acht, kann es kaum zu objektiven Schlussfolgerungen kommen und/oder man ist unter Umständen relativ schnell verwirrt von seinen Bewertungsergebnissen.
Wir schreiten zur Tat. Vorneweg kurz und bündig: dass die Power-Umschaltung eine sinnvolle Zutat ist, steht außer Frage. Mehr braucht man dazu nicht zu sagen. Also gehen wir direkt über zu den Sound-relevanten Upgrades. Den Anfang macht der Clean-Kanal. Die Veränderungen im Ton sind maßvoller Natur, aber deutlich wahrnehmbar. Was Thomas Blug beschreibt, kann man ohne Weiteres nachvollziehen. Die Verschlankung der Sound-Formung macht sich durch ein luftigeres Klangbild bemerkbar.
Humbucker-Les-Pauls u. ä. kommen so zu viel definierteren, „edleren“ Klangergebnissen. Der Clean-Kanal wirkt bei höheren Gain-Aussteuerungen einfach nicht mehr überlastet („gestopft“) dicht im Sound. Dem gegenüber steht allerdings, dass Vintage-Strats und Konsorten ein wenig an Körpervolumen verlieren. Sorge um die Fülle des Klangbilds an sich bzw. das Bassvolumen braucht man sich indes nicht zu machen. Trotz der Verschlankung bleibt der Ton über kleine und/oder hinten offene Cabs ausgewogen.
Und nun der Modern-Kanal. Alles neu, wegen und für die Metal-Fraktion. Im Vordergrund stehen klanglich zwei Unterschiede. Der Bass/Low-Mid-Bereich ist bei der Mercury-Edition deutlich gezähmt und garantiert damit bei Dropped Tunings erheblich bessere Resultate. Klarer gezeichnete Noten, ein deutlicher Zugewinn an Transparenz und Definition. Damit steht der Modern-Kanal in diesem Anwendungsbereich nun – unterstützt vom zweiten neuen Sound-Merkmal, einer stärkeren Akzentuierung der oberen Frequenzen – souverän da.
Heißt in der Praxis, es stehen dort nun mehr Reserven, mehr Schärfe und Biss zur Verfügung. Um Ähnliches zu erreichen, muss man bei der Vorgängerversion den Tone-Regler weiter aufdrehen. Wie schon beim Clean-Kanal hat die Medaille eine Kehrseite. Im Ton schlanke Singlecoil-Gitarren erreichen im Modern-Kanal der Mercury-Edition weniger Schub im Bass, sodass z. B. gedämpft gespielte (muted) Linien auf der E6-Saite weniger satt pumpen.
Die Sound-Unterschiede relativieren sich (in beiden Kanälen), wenn man sich davon löst, die Amp1-Versionen bei identischer Einstellung zu vergleichen. Weil die Klangregelung angepasst wurde, an leicht geänderten Ansatzpunkten bzw. breitbandiger greift, kann sich unter Einbeziehung der Custom-Control-Trim-Potis die Mercury-Edition ihrem Vorgänger weit annähern. Von daher kann man unterm Strich eigentlich gar nicht davon reden, dass im Ton viel „geopfert“ wurde. Anders ausgedrückt: es überwiegen die Vorteile.
Das letzte Wort hat der Reverb-Effekt. Er ist ein Upgrade im wahrsten Sinne des Wortes. Der Hall ist nun dichter in seiner Struktur, klingt natürlich und schwingt homogen aus, mit einer recht langen Reflexionsfahne. Positiv ist auch, dass er intensiver bzw. lauter zugemischt werden kann.
(Bild: Petia Chtarkova)
alternativen
Der Amp1 besetzt eine Nische – mit seinem Format, der Bauart, und weil er im Gegensatz zu den Modeling-basierten Mitbewerbern seiner Preis- und Produktklasse den Ton mit analoger Technik formt. Ein im Leistungsumfang wirklich vergleichbarer Verstärker ist zumindest derzeit nicht in Sicht.
resümee
In der Mercury Edition macht BluGuitars Amp1 einen erheblichen Schritt nach vorne. Weil die Sound-Formung feiner, definierter geworden ist und an Bandbreite dazu gewonnen hat. Zu Letzterem trägt in erster Linie die neue Abstimmung des Modern-Kanals bei. Fazit: Viel Mehrwert zu einem unverändert fairen Preis. Der AMP1 Mercury Edition ist ohne Einschränkungen empfehlenswert.
PLUS
• Sound, Variabilität
• Dynamik/Transparenz
• luxuriöse Ausstattung
• in sich stimmige „All-in-One“-Lösung
• geringe Nebengeräusche
• Verarbeitung/Qualität d. Bauteile
Hinweise zu den Soundfiles
Mit stand das Vorgängermodell des Amp1 für den Test zur Verfügung. Ich habe deshalb vergleichende Clips (Compare) erstellt, bei einer „theoretischen“ Einstellung der Klangregelung -Bass am Maximum-, die natürlich bei beiden Geräten identisch war. Diese Clips sollen etwas über die im Mercury geänderte Grundabstimmung verraten und beschreiben insofern nicht absolut die Sound-Qualität der beiden Versionen. So wirkt der bisherige Amp1 in diesen Clips immer matter und weniger transparent, bei geeigneter Korrektur an den Klangreglern treten andere, bessere, „gesunde“ Klänge zum Vorschein.
Technisches:
Für die Aufnahmen kamen zwei Kondensatormikrofone mit Großflächen-membran zum Einsatz, ein AM11 von Groove-Tubes/Alesis und ein C414 von AKG, beide nahe platziert vor einer konventionellen 4×12-Box bestückt mit Celestion Vintage 30.
Die Clips wurden pur, ohne Kompressor, ohne Effekte und EQ-Bearbeitung über das Audio-Interface Pro-24DSP von Focusrite in Logic Pro eingespielt und abgemischt.
Die Instrumente sind eine Steinberger GL4T und eine Fender-Relic-Strat-1956 (m. JB-Humbucker v. Seymour Duncan am Steg) aus dem Custom Shop.
Ich wünsche viel Vergnügen, und…, wenn möglich, bitte laut anhören, über Boxen, nicht Kopfhörer! ;-).
Fragen, Anregungen und ja, auch Kritik sind wie stets willkommen. Nachrichten bitte an frag.ebo@gitarrebass.de. Es klappt nicht immer, aber ich werde mich bemühen möglichst kurzfristig zu antworten.
Text + Musik: Ebo Wagner (GEMA)
(erschienen in Gitarre & Bass 01/2019)