Nutube Reloaded

Test: Vox MV50 High Gain / MV50 Boutique

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VOX MV50
(Bild: Dieter Stork)

Nach den Modellen MV50 Clean, -Rock und -AC(30) entlockt Vox nun der Nutube Technologie mit zwei neuen Modellen weitere Sound-Facetten.

Kurze Info dazu: Die Technik basiert auf einem Halbleiterbauelement mit Namen „Nutube 6P1“ (eigentlich kein Audiobaustein, sondern ein vakuum-fluoreszierendes Display), das funktional der 12AX7- Triode gleichen soll, aber nicht, wie es auf der deutschen Homepage heißt, wirklich eine „neuartige Vakuum Röhre“ ist. Süß wie sie dastehen. Amps wie aus Liliput-Land, superklein. Ganze 540 Gramm leicht, aber 50 Watt (aus einer Class-D-Endstufe). Regeln kann man nicht viel, Gain, Tone, Volume, Ende. Hinten gibt es aber noch einen (klangkorrigierten) Kopfhörerausgang. Kandidat #1 vortreten!

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MV50 High Gain, meint hohe Vorverstärkung, sprich intensive Verzerrungen. Mit Halbleitern ein ambitioniertes Unterfangen. Das wird unterstützt von einem dreistufigen Mid-Control-Schalter an der Rückseite. Klingt? Ja, die Verzerrungen können sehr intensiv sein, bei satter Basswiedergabe. Quint-Akkorde, Powerchords drücken monströs. Alles, was an Mehrklängen darüber hinausgeht, kämpft allerdings ein bisschen mit unreinen Interferenzen. High-Gain, intensiv wie in der analogen Röhrenwelt liefert der MV-Amp nicht. Leadlines werden insofern kaum von Tragfähigkeit gestützt, bleiben ein bisschen mager.

Begrenzt bühnentauglich, der kleine Verstärker kann sehr laut sein, rauscht bei Max.-Gain aber vernehmlich. Die Mid-Control liefert drei klar voneinander abgegrenzte Sounds von Scoop bis Boost, was den Amp erheblich aufwertet. In den oberen Mitten tönt die Sound-Formung stets etwas drängelnd gepresst und insgesamt ist sie eher eindimensional denn plastisch.

VOX MV50
(Bild: Dieter Stork)

Über Kandidat #2, den MV50 Boutique sagt die Vox-Homepage, er „liefert den Sound des wohl legendärsten Boutique Verstärkers der Welt“. Hhmm, kann ja nur der Dumble Overdrive gemeint sein. Dann muss ich mal bös‘ sein und fragen „ist das Satire oder was“?! Der Nutube-Winzling klingt wie ein maximal hochgezüchteter Vollröhren-Amp?! Nein, natürlich nicht. Doch der MV50 Boutique müht sich redlich, dem Eigenanspruch gerecht zu werden. Betont transparent und höhenfreundlich formt er durchaus das Klangbild eines Amps mit großem Netzteil und wenig Sag.

Zerranteile schummeln sich zunächst subtil ins Geschehen, dann nahe des Gain-Maximums fett, satt in den Tiefmitten, und im positiven Sinne schmutzig. Ein paar Robben Ford- und Carlton-Licks, so etwas kann der MV50 Boutique zwar nicht besonders sensibel, aber in der Summe doch recht befriedigend darstellen.

Und was ist nun unterm Strich die Moral von der Geschicht‘? Zweierlei: 1. Es verbietet sich, solche Produkte wie die MV-Amps qualitativ bewertet in Nähe der Ober-/Spitzenklasse zu rücken. 2. Wenn man bedenkt, wie viel bzw. wie wenig sie kosten, nämlich kaum mehr als viele FX-Pedale, ist ihr Leistungsangebot beachtlich und ausschließlich positiv zu bewerten.

MV50 High Gain ca. € 221
MV50 Boutique ca. € 189

www.voxamps.de

VOX MV50


Hinweise zu den Soundfiles

Für die Aufnahmen kamen zwei Kondensatormikrofone mit Großflächen-membran zum Einsatz, ein AM11 von Groove-Tubes/Alesis und ein C414 von AKG, beide nahe platziert vor einer konventionellen 4×12-Box bestückt mit Celestion Vintage 30.

Die Clips wurden pur, ohne Kompressor und EQ-Bearbeitung über das Audio-Interface Pro-24DSP von Focusrite in Logic Pro eingespielt und abgemischt. Das Plug-In „Platinum-Reverb“ steuert die Raumsimulationen bei.

Die Instrumente sind eine Fender-CS-Relic-Strat-1956 (m. JB-Humbucker v. Seymour Duncan am Steg), eine 1957-Signature-Les-Paul „Lee Roy Parnell“ aus dem Gibson-Custom-Shop. Die Clips 5 und 10 präsentieren mein Referenz-Riff“ (RefRiff), das ich mit jedem Test-Amp/-Distortion-Pedal einspiele, damit man den Charakter (die Verzerrungen selbst sind hier gemeint, nicht die Frequenzkurve) der von uns getesteten Produkte quasi auf einer neutralen Ebene vergleichen kann.

Ich wünsche viel Vergnügen, und…, wenn möglich, bitte laut anhören, über Boxen, nicht Kopfhörer! ;-).

Fragen, Anregungen und ja, auch Kritik sind wie stets willkommen. Nachrichten bitte an frag.ebo@gitarrebass.de. Es klappt nicht immer, aber ich werde mich bemühen möglichst kurzfristig zu antworten.

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(erschienen in Gitarre & Bass 09/2018)

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