Brother In Arms – Dire Straits Revisited

John Illsley Band: Mit einem anderen Bassisten hätten die Dire Straits ganz anders geklungen

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John Illsley
(Bild: YouTube)

Bei den Dire Straits attestierte man dem britischen Bassisten ein sehr sachdienliches Spiel. Mit Griffen in die Trickkiste aufzufallen, ist nicht sein Ding. Selbst in eigener Sache wird der Zweimetermann nicht zum Slap- oder Groove-Monster. John Illsley gefällt sich in der Rolle des gediegenen Gentleman, des gelassenen „Sultan Of Swing“.

Es gibt ein paar Eigenschaften, die wird man an John Illsley niemals entdecken. Heute, im fortgeschrittenen Alter von 68 Jahren, erst recht nicht: Eile, Eitelkeit, Egoismus. So sehr sein Spiel von Ökonomie und Reife geprägt ist, ist auch seine ganze Erscheinung: Obwohl er als Gründungsmitglied der Dire Straits mit Kumpel und Gitarrist Mark Knopfler zum Rock-Millionär wurde, ist er ein ungemein liebenswürdiger, freundlicher Gentleman, der fast kindliche Freude am Musikmachen hat und sie mit anderen Menschen teilen will. Zu erleben war dies gerade erst auf seiner Deutschland-Tour, auf der er neben seinen Solosongs – sehr zur Freude der Fans – auch Klassiker wie ‚Money For Nothing‘, ‚Brothers In Arms‘ und natürlich ‚Sultans Of Swing‘ zum Besten gab.

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interview

John, es fällt auf, dass du mit großer Ruhe und Gelassenheit spielst. Ist das dein Naturell oder die Routine im Laufe der Jahre?

Das mag an meinem Charakter liegen, denn ich rege mich auch nur ganz selten über irgendwelche Dinge auf. Und wenn du dich mit deinem Instrument wohlfühlst, musst du auch nicht mit ihm kämpfen, oder? Warum also viel Energie hineinstecken und übertrieben agieren? Dazu kommt, dass ich sehr einfach spiele, wie dir sicher schon aufgefallen ist. Mein Spiel passt zum entspannten Gefühl, dass unsere Musik transportiert.

Bei deinen Soloalben bemerkt man schnell die stilistische Nähe zu Dire Straits. Da erkennt man erst, welchen Anteil du als Bassist und Sänger an euren unzähligen Hits hattest.

Danke! Ich glaube, mit einem anderen Bassisten hätten die Dire Straits ganz anders geklungen. Mark hat sicherlich die meisten Songs und Texte geschrieben, aber viele Kritiker übersehen oft, was wir anderen beigesteuert haben.

Du hast einige Klassiker der Dire Straits auf deiner Setlist. Überrascht dich deren ungebrochene Popularität? Und: Was glaubst du, macht die zeitlose Qualität dieser Songs aus?

Es sind einfach gute Songs. Und die waren auch noch gut gespielt! Das ist eine gute Basis. Der Rest ist wie bei einem klassischen Gemälde: Erst die Zeit zeigt, ob es eine Relevanz besitzt. Aber wenn du heute ‚Brothers In Arms‘ im Radio hörst, wirkt es genauso frisch wie 1985. Es gibt Musik, die ein Eigenleben entwickelt. Wenn du dagegen eine Band gründest, um einem Trend zu folgen – und solche Bands werden gerne von Plattenfirmen unter Vertrag genommen – wirst du keine lange Karriere haben.

Wir sind damals keine Kompromisse eingegangen und haben nur gemacht, was uns gefiel, ob das angesagt war oder nicht. Der Erfolg kam dann mit der Zeit. Und egal, wie sehr uns die Plattenfirmen-Manager bekniet haben, wir haben keines unserer Erfolgsalben kopiert, nur um Kohle zu machen. Genau dieser Prozess fing damals an, als eine Platte plötzlich ‚Produkt‘ genannt wurde. Davor waren Label-Manager echte Musikliebhaber, Leute mit Ahnung, Herz und Verstand. Dann kamen die Buchhalter und Musik wurde ein emotionsloses Geschäft. Wir dagegen haben aus Liebe zur Musik gespielt.

John Illsley
John Ilsley Stage (Bild: Niki Kamila)

Dein Spiel ist sehr effektiv. Liegt die wahre Kunst in der Reduktion?

Absolut! Ich bin der festen Überzeugung, wenn ich eine gute Note spiele und damit durchkomme, warum sollte ich zehn spielen? Klar, es geht immer um den jeweiligen Song. Um die Idee, um das Gefühl, das transportiert werden soll. Jeder, der Bass spielt, weiß, dass es nur um folgende Parameter geht: wie hart oder soft dein Anschlag ist, wie lang oder kurz du eine Note hältst, wo du sie setzt und wie sie klingen soll. Der Bass spielt eine tragende Rolle in der Geschichte des Rock’n‘Roll. Aber sollte ich deshalb mehr spielen? Aus Eitelkeit? Erst recht nicht jetzt, wo ich mit meiner eigenen Band unterwegs und auch noch der Sänger bin. Ich hätte allerdings nie gedacht, dass es so schwer ist, beide Parts zu koordinieren! Ich hab eine Weile gebraucht, das hinzubekommen. Hut ab vor allen Bassisten die auch noch Singen! (lacht)

Du zupfst mit den Fingern. Was gefällt dir an diesem Klang?

John McVie von Fleetwood Mac war in dieser Hinsicht ein großer Einfluss. Ich mag sein Spiel. Ich habe auch Jaco Pastorius live gesehen. Das war wie einem Zauberer zuzuschauen! Er hat Dinge auf dem Bass gespielt, von denen ich nicht mal ahnte, dass sie möglich sind. Warum ich wirklich mit den Fingern spiele, hat noch einen weiteren pragmatischen Grund: Ich habe früher meine Pleks andauernd verloren! Kein Scherz! (lacht) Einmal bei einem Gig hatte ich keins. Also spielte ich mit den Fingern und am Ende fühlte sich das sogar besser an. Das ging Mark übrigens genauso. Also: Abgesehen von gelegentlichen Parts wie bei ‚Private Investigations‘ oder ‚So Far Away‘ benutze ich nie ein Plek.

Dein weißer Fender Jazz Bass ist fast schon ikonografisch. Auf Tour hast du einen Music Man StingRay dabei. Gib uns doch mal eine Chronologie deiner Instrumente.

Ich begann mit einem Yamaha-Bass, der leider irgendwann verloren ging. Meinen ersten tollen Bass kaufte ich bei Rudy’s (Rudy Pensa, der auch die Pensa-Suhr-Gitarren für Mark Knopfler konzipierte) in New York. Das war ein 1963er Fender Precision. Den habe ich viele Jahre gespielt. Dann kam eine Phase während der ‚Alchemy‘-Tour, auf der ich einen schwarzen Wal Bass dabei hatte. Die aktive Elektronik funktionierte in meinen Augen perfekt für den Sound, den ich wollte. Aus heutiger Sicht verstehe ich mich überhaupt nicht, denn ich würde niemals einen aktiven Bass spielen! (lacht)

Aber mein absoluter Lieblingsbass wurde mein 1961er Fender Jazz Bass. Den habe ich auf den meisten Dire-Straits-Aufnahmen gespielt, fast immer in Kombination mit einem Ampeg Portaflex Flip Top mit einem 15-Zoll-Speaker. Der Amp hat gerade mal 30 Watt, ist aber im Studio ausreichend und klingt unfassbar gut. In Verbindung mit meinem Jazz Bass die beste Kombination die ich je gespielt habe.

John Illsley
Music Man Stingray mit Mark Bass Amp und Box (Bild: Niki Kamila)

Live spielst du jetzt einen Music Man StingRay über einen Mark Bass TTE 801 (Randy Jackson Signature) Amp?

Genau. Der StingRay ist zuverlässig, kraftvoll und klingt über den Mark Bass Amp richtig gut. Ich hatte bis vor einiger Zeit noch eine 1×15″-Box dabei, habe aber festgestellt, dass das 4×10″-Cabinet ausreichend ist. Der Music Man lässt sich einfach bespielen, Saitenlage und Intonation sind perfekt, ich muss nie etwas daran machen und er hält perfekt die Stimmung. Ich habe, glaube ich, die Saiten seit 20 Jahren nicht gewechselt.

Du scherzt!

Kein Scherz! (lacht) Das sind vermutlich noch die gleichen Saiten, die drauf waren als ich ihn 1984 oder 1985 gekauft habe. Die Saiten meines Jazz-Basses sind auch aus jener Zeit. Warum sollte ich sie wechseln? Wofür? Die Saitenhersteller werden mich hassen! (lacht)

Was erwartest du denn als Band-Boss von deinen Gitarristen Robbie McIntosh (The Pretenders, Paul McCartney) und Paul Stacey (Oasis, The Black Crowes)?

Gute Frage! Es ist schon ein bisschen seltsam, dass ich jetzt eine eigene Band habe. Robbie kenne ich seit 1990 durch Mark. Wir spielten damals einen Charity-Gig unter dem Namen „Mark Knopfler & Friends“ und Robbie war als zweiter Gitarrist dabei. Robbie ist ein Genie. Er spielt kein Solo zweimal. Wirklich! Und Paul lernte ich durch meinen Keyboarder Steve kennen. Er ist ein fantastischer Jazz-Gitarrist! Ich bin extrem glücklich, dass die beiden mich begleiten, sie machen einen exzellenten Job. Ich habe großes Glück so unkomplizierte und qualifizierte Musiker um mich zu haben.

John Illsley
Johns Mark Bass TTE 801 Randy Jackson Signature Head mit neutral eingestellter Klangregelung (Bild: Niki Kamila)

Als die Dire Straits 1995 abtraten, war das eine Pause, kein offizielles Ende. Die unvermeidliche Frage: Wird es eine Fortsetzung geben?

Nein. Mark hat nicht das geringste Interesse daran. Absolut nicht.

Ihr werdet im April in die Rock And Roll Hall Of Fame in Cleveland aufgenommen. Wird es da zumindest einen Reunion-Gig mit Mark geben?

Schwierige Frage! Momentan sieht es nicht danach aus. Leider. Es ist alles sehr kompliziert, um nicht den Begriff „politisch“ zu bemühen. Die Veranstalter haben bestimmte Vorstellungen und richten konkrete Forderungen an die Bands, vergessen aber im Vorfeld vielleicht mal zu fragen, ob die Künstler damit überhaupt einverstanden sind. Das führt letztlich zu Komplikationen. Ich kann dir leider keine bessere Antwort geben.


discografie

Never Told A Soul, 1984
Glass, 1988
Live In Les Baux de Provence, 2007 (mit Cunla & Greg Pearle)
Beautiful You, 2008 (mit Greg Pearle)
Streets Of Heaven, 2010
Testing The Water, 2014
Live In London, 2015
Long Shadows, 2016
Live At The Brook, 2017 (DVD)

www.johnillsley.com

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(erschienen in Gitarre & Bass 07/2018)

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