Nach den „unüberbrückbaren Differenzen“ mit seinem Bruder Chris und dem damit verbundenen Ende der Black Crowes, hat Gitarrist und Songwriter Rich Robinson sein Seelenheil in diversen Projekten gesucht. Jetzt, so scheint es, hat er sein Glück gefunden – in einer neuen Band, die den Southern Rockern aus Atlanta verblüffend nahekommt.
Sieht man eine Elster (engl: Magpie), soll man sie freundlich begrüßen, heißt es in einer alten englischen Überlieferung, das bringe Glück. Oder verhindere Unglück. Je nachdem. Mit seiner neuen Band The Magpie Salute bewegt sich Ex-Krähe Rich Robinson nicht nur ornithologisch auf bewährtem Terrain: Auch der Sound seiner zehnköpfigen Formation sorgt derzeit unter den (teilweise noch trauernden) Anhängern der Black Crowes für Jubelstürme.
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Neben Bassist Sven Pipien und dem 2016, kurz nach Gründung der Band, verstorbenen Keyboarder Eddie Harsch sorgte von Anfang an vor allem eine Band-Personalie für Euphorie: Die Wiedervereinigung Robinsons mit seinem Kumpel Marc Ford. Immerhin galten die beiden Gitarristen bei vielen Fans als das klassische Guitar- Line-Up der Black Crowes. Auf ihrem aktuellen Album präsentieren The Magpie Salute elf neue Songs, die alle Qualitäten zeigen, für die man schon die Black Crowes feierte: Enorme Spielfreude, hohe Musikalität und die instrumentalen Fähigkeiten gereifter Musiker, die sich lässig zwischen Southern Rock, Rock’n’Roll und Blues-Rock bewegen.
Interview
Rich, als ihr eure ersten Shows gespielt habt, waren die Reaktionen überwältigend.
Rich Robinson: Ja, es lief fantastisch! Wir hatten immerhin nur drei Tage für die Proben, um uns 84 Songs draufzuschaffen! Und zehn Leute in einer Band zu haben ist ein Riesenhaufen Arbeit! Es ging vor allem darum, dass Marc und ich uns einspielen konnten und zweitens darum, den Fans eine große Song-Auswahl anzubieten, inklusive aller Klassiker der Black Crowes. Am Ende waren alle glücklich.
Worin unterscheidet sich das Zusammenspiel von dir und Marc Ford von dem mit Luther Dickinson (späterer Gitarrist der Black Crowes)?
Rich Robinson: Luther ist ein toller Mensch und Gitarrist. Er ist ein eher traditioneller Blues-Gitarrist, kommt aus dieser Szene und ist dort verwurzelt. Auf den neueren Songs fand ich ihn richtig cool, bei den älteren Songs fand ich ihn nicht ganz so toll. Das hatte irgendwie kein Feuer, keinen Rock’n’Roll. Versteh mich nicht falsch: Luther ist ein klasse Gitarrist. Aber aus welchem Grund auch immer, zündet der Funke nur zwischen Marc und mir. Auf musikalischer Ebene haben wir eine wirklich tiefe Verbindung. Das, was er einbringt, ist intuitiv das, was ich cool finde. Ich liebe Marcs Licks. Er hat den neuen Songs Magie verpasst.
Ihr habt Marc 1997 wegen Drogenproblemen gefeuert, 2005 zurückgeholt, 2006 ist er von selbst gegangen. Es scheint, ihr könnt nicht mit, aber auch nicht ohne einander.
Rich Robinson: Heute, wo ich älter und reifer bin, erkenne ich, was für ein Geschenk es ist, mit Marc in einer Band zu spielen. Denn wir haben ja keinen gewöhnlichen Job und es geht auch nicht um Drei-Akkorde-Party- Mucke. Ihn als Freund zu haben und meine Musik mit ihm zu teilen, ist schon unfassbares Glück.
Ihr ergänzt euch auf der neuen Scheibe mit Riffs und Licks scheinbar intuitiv.
Rich Robinson: Weißt du, es geht ums Zuhören. Das ist das Wichtigste. Jeder von uns hat das gelernt und kann auf den anderen eingehen. Aufmerksam sein ist wichtig. Es gibt Momente, in denen Marc und ich völlig spontan aufeinander eingehen und schauen, was passiert. Das ist großartig. Und je länger wir wieder zusammenspielen, desto mehr Selbstbewusstsein haben wir und desto öfter werden wir solche Momente live einbauen.
Worin liegt für dich der Unterschied im Sound zwischen Black Crowes und The Magpie Salute?
Rich Robinson: The Magpie Salute klingen deutlich anders, denn wir haben mit Nico Bereciartua noch einen weiteren Gitarristen, der die Rhythmusarbeit und eine Menge kleiner Details übernimmt, wie wir sie früher auch auf den Crowes-Scheiben hatten. Wir haben mit John Hogg (von der britischen Band Moke) einen Sänger, der ganz anders klingt als mein Bruder. Wir haben drei Backing-Sänger und mit Joe Magistro einen fantastischen Schlagzeuger, der Dinge spielen kann, die Steve Gorman nie drauf hatte. The Magpie Salute sind völlig anders.
Wie schaffst du es, zehn Egos unter einen Hut zu bekommen?
Rich Robinson: Wir sind zu alt, um egoistisch zu sein. Jeder in dieser Band ist wegen der Musik dabei. Keiner hat mehr Zeit für negative Energie oder irgendwelchen Scheiß.
Guitars & Stuff
Ein großer Teil deiner Gitarren fiel bekanntlich Hurricane „Sandy“ zum Opfer, als der Hudson River über die Ufer trat und euren Proberaum in Weehawken, New Jersey geflutet hat. Einige Instrumente konntet ihr retten. Dein Guitar Tech Doug Redler sagte, deine 1958er Gretsch Streamliner klänge sogar besser denn je!
Rich Robinson: Ja, diese Gitarre ist unglaublich zäh. Die hat Lebenswillen! (lacht) Sie klang vorher sehr clean und hat heute einen gewissen Biss. Sie hat sozusagen ein bisschen Dreck abbekommen! Das gilt auch für meine 1969er Les Paul Goldtop. Zum Glück hat auch meine Dan Armstrong Plexi überlebt. Bridge und Potis waren hinüber und der Hals musste neu bundiert werden. Aber das haben sie wieder hinbekommen. Die Gitarre lässt sich cool bespielen und klingt wie immer. Einige Gitarren wurden sinnbildlich von der Flut fortgespült und kamen am Ende besser zu mir zurück. Nur meine 1963er Gibson ES-335 ist hinüber. Sie hat zwar überlebt, aber sie klingt leider nicht mehr. Ich hab sie seither nicht wieder gespielt. Aber so ist halt das Leben.
Was ist neu dazu gekommen?
Rich Robinson: Eine 1968er ES-335, mit der ich sehr glücklich bin. Sonst keine weiteren alten Instrumente. Du weißt, wie Versicherungen drauf sind. Die zahlen dir nie das, was die Instrumente wirklich wert sind. Und ich habe leider viele Gitarren verloren, das war ein großer Verlust! Ich konnte also nicht losziehen und tolle alte Instrumente kaufen. Aber ich habe mir einige schöne Strats und Teles aus dem Fender Custom Shop geleistet. Zum Beispiel eine Blackie Strat mit Rosewood-Neck, die mag ich sehr. Ich habe auch meine Liebe für Telecasters neu entdeckt. Ich besitze jetzt eine Sunburst-Tele mit Messing-Bridge und einem 1958er-Broadcaster-Pickup – die klingt wie Keith Richards Tele! Und dann hat mir Steve Stern vom Gretsch Custom Shop eine White Falcon exakt nach dem Vorbild meiner zerstörten 1955er gebaut, die ist auch fantastisch.
Welche Amps hast du für die Aufnahmen von The Magpie Salute eingesetzt?
Rich Robinson: Zwei Amps, die in der Flut umkamen, waren meine Fender Tremolux aus den Fünfzigerjahren, wundervolle Amps mit 10″-Speakern. Die habe ich über die Jahre hinweg immer gerne gespielt. Ich hatte zum Glück noch einen dritten zu Hause, der ist OK. Einen der beiden, die unter Wasser standen, haben sie bei Fender wieder hinbekommen. Diese beiden Amps hab ich für die Session benutzt. Bei den Shows im Gramercy Theater hatte ich meinen 50-Watt-Signature Reason-Amp dabei.
Du hattest auch einen alten Marshall Plexi und einen Fender Bassman, soweit ich weiß.
Rich Robinson: Die waren diesmal nicht im Spiel. Ich habe eine Menge Equipment, weil ich gerne meine Sounds variiere. Zu Hause in Atlanta habe ich zum Beispiel einen Fender Vibrolux Reverb aus den 60er-Jahren und zwei schöne Vox AC30. Ach, und meine Harry-Joyce- Custom-Heads, die ich übrigens mal überholen lassen müsste.
Wie läuft das klanglich in einer so großen Band zwischen Marc und dir?
Rich Robinson: Wir haben das folgendermaßen gelöst: Wir spielen kleinere Amps und setzen stattdessen mehr die PA ein. Wir haben mit Bob Coke einen verdammt guten Tontechniker, der dafür sorgt, dass es kein Sound-Brei wird. Bob war schon 2013 bei den Crowes dabei und hat ein phänomenales Gehör. Dazu kommt, dass alle in der Band erfahrene Musiker sind, die genau wissen, wann sie die Klappe halten müssen. Keiner der Gitarristen – auch Nico nicht, der noch nicht lange dabei ist – spielt zu viel. Alles fügt sich ganz problemlos zusammen. Jeder ist sich bewusst, dass er zum Gesamt-Sound beiträgt. Und ein großer Sound verlangt eben große Disziplin.
Im vergangenen Sommer hast du Mick Ralphs bei Bad Company auf deren US-Tour ersetzt. Wie war das?
Rich Robinson: Mann, das war ein cooler Job! Bad Company! Wenn du wie ich in Amerika aufgewachsen bist, war es unmöglich, Hits wie ‚Feels Like Making Love‘, ‚Rock And Roll Fantasy‘ oder ‚Burnin‘ Sky‘ nicht zu kennen. Die Jungs waren großartig zu mir. Für ihren fetten Sound hatte ich meinen Marshall Silver Jubilee dabei, den ich auf ‚Shake Your Moneymaker‘ und ‚The Southern Harmony And Musical Compagnion‘ gespielt habe. Ich hatte fast vergessen, wie gut der klingt. Die Tour war wie ein Familienausflug und ich durfte die Hits meiner Jugend spielen – was für ein Spaß! Und ich brauchte mich mal um nichts zu kümmern. Großartig!