Singer-Songwriter-Workshop: Teil 1 – Die Helden der Sixties
von Andreas Schulz,
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In mehreren Folgen werden wir uns zusammen viele Aspekte dessen anschauen, was man als Gitarre-spielender Songwriter kennen und können sollte. Das reicht von musikalischem Wissen über konkrete Spieltechnik am Instrument bis hin zu Kenntnissen über Gitarren, Amps und anderes Equipment, die man für eine gelungene Live-Performance braucht. In der ersten Folge geht es um Musik: Wir machen eine Zeitreise in die 60er-Jahre und treffen drei Musiker, die damals stilprägende Songs erschufen und performten.
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Bob Dylan
Der Godfather aller Singer/Songwriter dürfte Bob Dylan sein. Natürlich hatte auch er Wurzeln und Vorbilder, zu nennen wären hier Woody Guthrie sowie die alten Blues-Recken, außerdem war Dylan in seinen Themen und Texten stark von Literatur und Politik geprägt. Wir starten im Jahr 1962: Im Oktober nahm Dylan den Song ‚Don’t Think Twice It’s Alright‘ auf, der 1963 auf der LP ‚The Freewheelin’ Bob Dylan‘ erschien. Das Stück ist heute ein Klassiker, die Begleitung basiert auf einem flotten Folk-Fingerpicking.
Wichtig: Der Daumen legt mit seinem Wechselbass eine solide Basis, darüber spielen Zeige- und Mittelfinger der Zupfhand Akkordtöne auf g- und h-Saite. Unser Musikbeispiel bringt acht Takte aus dem 2. Vers-Abschnitt. Auffallend in diesem C-Dur-Song ist die Verwendung des D7/F# -Akkords. Diese Stufe II der Tonart – hier gespielt als Dominant-Septakkord mit großer Terz – sorgt für eine Prise Blues-Feeling.
(Die Noten können durch Anklicken vergrößert werden!)
Wir folgen Bob ins Jahr 1964 zu seinem Titel ‚It Ain’t Me, Babe‘. Das ist ein eigentlich einfacher Strumming-Song, im Original mit Gitarre, Mundharmonika und Gesang instrumentiert. Schaut man genauer hin, entdeckt man einige durchaus auch heute noch interessante und angesagte Spieldetails. Zum Beispiel den ungewöhnlichen Dadd11-Akkord, für den man einfach einen gängigen C-Dur-Griff zwei Bünde nach oben verschieben muss. Dieses Voicing bietet einen angenehm offenen und schwebenden Klang. Außerdem interessant: Das Hammering vom offenen G zum C/G, sowie der Bm/F# -Akkord mit hoher leerer e-Saite.
Paul McCartney
Unser nächster Liedschreiber-Held ist Paul McCartney. Wir schreiben den 14. Juni 1965, Paul befand sich mit den Beatles im Abbey-Road-Studio zu den Aufnahmen von ‚Help!‘. Angeblich konnte man sich nicht recht bei der Instrumentierung des Songs ‚Yesterday‘ einigen – vielleicht gefiel seinen Kollegen auch einfach das Lied nicht. Schließlich wurde eine Solo-Version von McCartney, untermalt von einem Streichquartett, zur finalen Fassung; gespielt hat er das auf einer Epiphone Texan Steelstring-Acoustic. Heute ist ‚Yesterday‘ einer der bekanntesten Songs des Planeten und der wahrscheinlich am häufigsten gecoverte Pop-Song überhaupt.
Wir schauen uns den 2. Vers samt Übergang in den Refrain an. Hier gibt es fast schon jazzige Harmoniefolgen zu entdecken, gespielt wird diese Begleitung mit einem pseudo-klassischen Zupfmuster im Wechselspiel von Daumen und gemeinsamen Anschlägen von Zeige-/Mittel-/Ringfinger. McCartney selbst spielt die Akkordanschläge mit Strumming-Downstrokes des Zeigefingers (zu sehen z. B. hier: www.gitarrebass.de/yesterday). Das kann man auch probieren, es gibt etwas mehr Drive als die normal gezupfte Fingerstyle-Version. Diesen Song kann man auch auf einer Klassik-Gitarre begleiten, außerdem sind Melodie und Akkorde so stark, dass es auch unzählige rein instrumentale Fassungen gibt.
Joni Mitchell
Roberta Joan Mitchell, genannt Joni, gilt als das Rollenmodell für die meisten weiblichen Singer/Songwriter nach ihr. Die Kanadierin mit der glockenhellen Stimme und einem bewundernswerten poetischen Talent pflegt einen extrem individuellen und wiedererkennbaren Gitarrenstil, der auf einer Vielzahl von Open Tunings basiert. Damit kann sie wunderbar schwebende und farbenprächtige Klangteppiche knüpfen – und außerdem viele komplexe Akkorde mit einfachen Griffen realisieren.
Wir schauen uns ein paar Akkorde an, die von ihrer Begleitung des Songs ‚Both Sides Now‘ inspiriert sind. Dazu müssen wir die Gitarre in die Stimmung Open-D bringen: D-A-D-F#-A-D.
Joni benutzt zudem einen Kapodaster, um die Begleitung in die ideale Tonart für ihren Gesang zu transponieren. Das wäre der IV. Bund. In Videos sieht man sie oft mit Capo im V. Bund – dann hat sie die gesamte Gitarre nochmal einen Halbton tiefer gestimmt, um eine etwas weichere Saitenspannung zu bekommen.
Man kann dieses Beispiel mit Plektrum spielen, es kann aber auch dazu dienen, sein Finger-Strumming zu entwickeln. Haltet euch an die notierte Rhythmik und vor allem an die saubere Trennung der Anschläge auf tiefen und hohen Saiten. An den Stellen mit Pull-Off und Slide ist es wichtig, nicht aus dem Timing zu kommen. Jonis Gitarrenspiel ist kaum adäquat zu notieren, bei ‚Both Sides Now‘ sollen alle Töne so lange wie möglich klingen.
Stay tuned: In der nächsten Folge wird es um die Spielweisen wichtiger Songwriter des 21. Jahrhunderts gehen.