Während die meisten One-Man-Bands nach trashigem Rock’n‘Roll von der Straßenecke klingen, führt der Kanadier Steve Hill das Konzept des Allein-Alles-Spielens in neue Sphären. Inspiriert von Jim Hendrix, Johnny Winter, 70s-Rock und einer langen Liste von Bluesmusikern, spielt der blonde Gitarrist Soli, Basslines und komplette Drumgrooves ganz alleine. Den Tortenguss auf dem fetten Bluesrock-Kuchen bilden der an Southern- Rock erinnernde Gesang, Slidelicks und folkige Akustik-Parts.
Nach sechs Alben mit kompletter Band war der Erfolg des 1974 geborenen Musikers immer noch überschaubar. „Vor sieben Jahren habe ich ,Whiplash Love‘ rausgebracht, mein bis dahin bestes Album mit großartigen Songs“, erzählt Steve. „Es hatte enormes Potential, aber die Plattenfirma hat nichts gemacht, die Platte ging unter und ich war pleite.“ Er musste sich also irgendetwas ausdenken, um seine Rechnungen bezahlen können. Mit 17 Jahren hatte er bereits alleine auf der Straße gespielt und so entschied er sich, ein paar Solo-Shows in kleinen Bars zu buchen und mit ,Solo Recordings Vol.1‘ ein Album alleine aufzunehmen. „Das Album lief super, es verkaufte mehr als alles was ich vorher gemacht hatte und gab meiner Karriere neuen Schwung.“ Das Soloband- Konzept war geboren. Steve spielt mittlerweile 125 Shows im Jahr und hat es sogar in den deutschen Kultursender Arte geschafft. Grund genug für ein Gespräch. Um11 Uhr Ortszeit am Telefon im kanadischen Montreal erweist sich Mr. Hill als freundlicher, musikfanatischer Gesprächspartner, der alle Aspekte seiner Karriere selbst im Griff hat.
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Anfänge
Wann hast du angefangen Gitarre zu spielen?
Steve Hill: Vor 30 Jahren. Zuerst habe ich Klavier gespielt, bin dann aber nach einem Jahr zur Gitarre gewechselt. Einer meiner Freunde zeigte mir einen E-Dur-Akkord und das Riff von Pink Floyds ,Interstellar Overdrive‘ und los ging‘s (lacht). Drei Jahre später habe ich schon in Bars gespielt und mit 18 war ich Profimusiker. Das war vor 25 Jahren und seitdem habe ich nichts anderes gemacht.
Hast du immer Blues gespielt?
Steve Hill: Was ich mache, ist ja kein traditioneller Blues. Die Blues-Typen nennen es Rock, die Rock-Typen Blues. Ich bin irgendwo dazwischen. Auf meinen Alben mit Band habe ich Hard Rock, Heavy Blues, Rock, jazzige Sachen, Elektro und sogar Stoner Rock vermischt. Was ich jetzt mache, ist ein Mix aus allem. Ich bin nicht daran interessiert, traditionellen Blues zu spielen und so zu tun, als wäre es 1953, ich schwarz und Rock’n‘Roll hätte es nie gegeben. Ich wurde 1974 als Weißer in Kanada geboren und bin mit Rock aufgewachsen. Für mich sind Humble Pie, Howlin Wolf und AC/DC dasselbe Ding. Es ist alles Musik und es sind sowieso immer dieselben Akkorde!
Bild: Martin Schmidt, Broken Silence
Bild: Martin Schmidt, Broken Silence
Bild: Martin Schmidt, Broken Silence
Hast du sowas wie einen Haupteinfluss?
Steve Hill: Da gibt es so viele! Ich war stark von Hendrix beeinflusst als ich anfing, und durch ihn habe ich die ganzen Blues-Größen entdeckt, die drei Kings, Johnny Winter usw.. Ich bin zuallererst ein Musik-Fan und höre mir sehr unterschiedliche Musik an. Ich liebe Musik von zwischen 1954 und 1974 und höre mir alle Stile aus dieser Zeit an.
Einer ist genug
Könntest du mal dein Bühnen-Setup erläutern?
Steve Hill: Das ist etwas seltsam. Ich bin Linkshänder, spiele die Gitarre aber wie ein Rechtshänder, das Schlagzeug wie ein Linksfüßler. Mein linker Fuß spielt die Bassdrum mit einem Pedal, der rechte die Snare oder eine HiHat mit einem Tamburin, was ich oft für Intros benutze. Dann habe ich einen Drumstick an dem Headstock meiner Gitarre und einen Shaker und damit spiele ich eine zweite HiHat und ein Becken. Das ist das Drumkit! Die Gitarren haben einen Extra-Pickup für die Basssaiten, der über einen Stereo-Output in einen Octaver und dann einen Bass-Amp geht. So erzeuge ich den Bass.
Benutzt du spezielle Tunings?
Steve Hill: Ich habe verschiedene Stimmungen im Einsatz. Meist ist es ein Standard-Tuning einen Ganzton tiefer, also in D. Außerdem benutze ich auch Open-D und Open-A. Für meine Open-A-Stimmung habe ich ein tiefes D im Bass, also die Quarte. Dadurch habe ich die erste, vierte und fünfte Stufe als Bassnote auf den Leersaiten. Darüber hinaus verwende ich die DADGAD-Stimmung und Open G mit C im Bass für die Akustiksachen. Die Slidegitarren spiele ich immer im Open-Tuning.
Wie lange hast du gebraucht, um dich als One-Man-Band auf der Bühne wohl zu fühlen?
Steve Hill: Das ist eine sich entwickelnde Sache. Je länger ich das mache, umso mehr kann ich Dinge machen, die ich nie für möglich gehalten habe. Mittlerweile bin ich ziemlich entspannt. Die richtigen Tempi zu finden hat lange gedauert. Als Gitarrist bist du es gewohnt, etwas vor dem Beat zu spielen, etwas anzuziehen und normalerweise sorgt der Drummer dann dafür, dass alles „in the pocket“ bleibt, aber der bin ich eben auch (lacht). Aber jetzt stimmt das Tempo, der Groove ist da und es klingt schön heavy.
Arbeitest du alles aus oder improvisierst du auch?
Steve Hill: Ich kann improvisieren. Die Soli sind immer anders und ich spiele verschiedene Intros und Endings und vermische Songs. Ich muss niemandem folgen, also kann ich machen, was ich will!
Bild: Martin Schmidt, Broken Silence
Bild: Martin Schmidt, Broken Silence
Bild: Martin Schmidt, Broken Silence
Bild: Martin Schmidt, Broken Silence
Tech-Talk
Dann lass uns mal über deine Gitarren reden.
Steve Hill: Meine Hauptgitarre ist eine 1969 Les Paul Junior in TV Yellow. Dann habe ich eine Gibson ES-330 aus dem Custom Shop. Die Elektronik und Pickups stammen aus einer 1953er ES-295. Die Gitarre war vorher schon gut, aber die PAFs und die alte Schaltung haben sie nochmal verbessert. Auf dem letzten Album habe ich auch eine ES-225 eingesetzt. Außerdem habe ich mir ein paar Firebirds bauen lassen, die du auch bei drei oder vier Songs hören kannst.
Wie siehts mit Amps aus?
Steve Hill: In Europa miete ich Amps, meist einen Fender Bassman und einen Fender Deluxe Reissue und einen Vox. In Amerika spiele ich meine Amps, normalerweise einen 1956er Fender Pro und einen 1968er Fender Deluxe. Manchmal nutze ich auch kleine Amps wie einen 1950er Fender Deluxe oder einen 1963er Super Reverb. Auf dem Livealbum, das jetzt rauskommt, habe ich mit Reamping gearbeitet und du kannst vier Amps gleichzeitig hören: den Pro, den Deluxe, den Super Reverb und einen 1967er 50 Watt Plexi, der großartig klingt. Für die Bassparts nehme ich meist einen 1962er Fender Bassman.
Kommt die Verzerrung nur von den Amps?
Steve Hill: Ich drehe die Amps ungefähr auf 5, also halb auf und nutze dann diverse Booster. Die Gitarre geht in einen Klon Centaur, den ich aber nur als Clean Boost nutze, mit Gain auf null und leicht angehobener Lautstärke. Dann kommt ein EP-Booster, ebenfalls mit Gain auf null und dann ein Fulltone Tube Tape Echo. Dadurch habe ich quasi drei Gain-Stufen, mit leichtem Boost, aber wenn die auf den Amp treffen, verzerrt er. Der Amp ist angezerrt und die Clean Boosts machen den großen Sound. Ansonsten benutze ich noch ein Roland Space Echo, einen 1964er Tube Reverb und das Tremolo aus den Amps … das ist alles!
Spielst du die Akustik-Gitarren auch über einen Amp?
Steve Hill: Ja, die schicke ich live durch meine Fender-Amps.
Wie machst du es im Studio?
Steve Hill: Da muss ich die Amps in einen anderen Raum stellen, um einen guten Drum-Sound hinzubekommen. Den Gesang nehme ich meist direkt mit auf, alles passiert gleichzeitig. Ich mache keine Overdubs, schneide aber manchmal verschiedene Versionen zusammen. Ich mag den Studioaspekt, das Mixen und Mikrofonieren. Ich mache das seit 20 Jahren und weiß, was ich tue. Der Ton einer Gitarre ist die Seele des Spielers und irgendwann wurde mir klar, wenn ich weiß, wie ich mikrofonieren und mixen muss, klinge ich endlich so wie ich es will.
Du bist also die ultimative One-Man-Band?
Steve Hill: Ich bin Einzelgänger und harter Arbeiter. Ich habe nie jemanden gefunden, der da mithalten konnte. Ich schlafe nicht viel und kann 16-Stunden-Schichten schieben.
Auf Tour hast du aber Hilfe, oder?
Steve Hill: Ja, ich habe eine Crew aus zwei Leuten, einen Sound-Mann und einen Gitarren-Techniker. Die fahren und laden auch aus. In Europa spiele ich oft 30 Shows in 32 Tagen plus eine Strecke von 7000 km, das schaffe ich nicht alleine. Was ich mache, ist körperlich anstrengend und deswegen muss ich mich tagsüber ausruhen (lacht). In Europa habe ich es innerhalb eines Jahres vom unbekannten Act ins Vorprogramm von Joe Bonamassas Guitar Event Of The Year geschafft. Das ist ziemlich gut, irgendwas scheine ich richtig zu machen!
Auf jeden Fall! Weiterhin viel Erfolg und danke für das Gespräch!