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Verstärker-Legenden: Fender Deluxe Amps

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1953 Fender Tweed Deluxe (Bild: Udo Pipper)

Es ist schon über zehn Jahre her, dass ich über Fender-Deluxe- und Deluxe-Reverb-Amps geschrieben habe. Das wird der Begehrlichkeit dieser Verstärkerlegenden kaum gerecht. Daher wird es nun Zeit für eine historische Aufarbeitung.

Ich glaube Fender hat von keinem Modell mehr Amps gebaut als von der Deluxe-Serie. Das mag allein schon daran liegen, dass er bereits seit den frühen Anfängen stets im Programm war.

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In zahlreichen Büchern wurden diese Konstrukte als „der ultimative Amp für die Insel“ gefeiert und natürlich auf unzähligen Aufnahmen verewigt. Mit einer Liste berühmter Deluxe-User würde ich mühelos diese Kolumne füllen können. Und natürlich gehöre ich seit über 30 Jahren selbst zu den Nutzern und Fans dieser Amps. Für meine Spielweise ist ein Fender Deluxe einfach der ideale Partner. Im Laufe der Jahrzehnte erhöhte sich seine Leistung von 12 auf 22 Watt, was gerade heutzutage für die meisten Gigs oder Aufnahmen absolut genug ist. Unlängst sah ich das amerikanische Schwestern-Paar ‚Larkin Poe‘ mit Deluxe Reverb Reissues live spielen und dachte sofort, dass die beiden für ihren Sound genau die richtige Wahl getroffen haben. Zudem ist kaum ein Verstärker öfter getuned oder kopiert worden. Und es gibt wohl kaum einen Gitarristen, der mit einem dieser Amps nicht irgendwie klarkäme. Das Design ist einfach und so angelegt, dass man ihn für jede Art von Musik gebrauchen kann. Im Laufe der Jahrzehnte ist er bei Fender immer wieder weiterentwickelt worden. Und das wollen wir uns in dieser Folge noch einmal genauer anschauen.

Nach den allerersten Fender Amps der späten 40er-Jahre, die unter der Sammelbezeichnung ‚26‘ erschienen (im Prinzip ein früher Champ, ein Princeton- sowie einem Pro-Amp-Vorgänger), hoben die Konstrukteure aus Kalifornien den ersten Deluxe Amp aus der Taufe. Pünktlich zur Wende zu den Fünfzigerjahren kam endlich ein Combo-Verstärker mit 1×12-Bestückung und zwei Endröhren im Push-Pull-Betrieb, der zum Urvater aller Folgemodelle wurde. Und das bezieht zahlreiche Mitbewerber natürlich mit ein. Ab 1949 erschien der Deluxe Amp 5A3 mit der markanten TV-Front.

Der Name leitete sich aus der Ähnlichkeit des Frontdesigns mit den ersten Fernsehern ab. Während die Endstufe schon damals mit zwei 6V6-Röhren betrieben wurde, gab es erhebliche Unterschiede zu den Folgemodellen in der Vorstufe und in der Treiberstufe. Zunächst wurde die Vorstufe mit zwei 6SC7-Doppeltrioden bestückt. Diese Röhren haben etwas weniger Gain als die späteren 12AYoder 12AX-7 und hatten einen Oktalsockel, was genügte, da sich beide Röhrenhälften eine gemeinsame Kathode teilten. Sie sind an der meist schwarzen Metallverkleidung zu erkennen. Es gibt immer noch sehr viele Liebhaber dieser Röhrenbestückung, die man den klanglichen Eigenschaften der 12AX-Familie für überlegen hält.

Statt einem Kathodenwiderstand, der von einem Elko überbrückt wird, finden wir hier einen 5-Megaohm-Widerstand in Serie mit dem Gitter. Eine recht unübliche Lösung, die auch bald wieder verschwinden sollte. Der Amp besaß drei Eingänge – zweimal ‚Instrument‘ und einmal ‚Microphone‘. Der gemeinsame Tone-Regler wirkte auf den Instrument-Eingängen kaum, sondern entfaltete seine volle Wirkung vor allem auf dem Microphone-Kanal.

Die Treiberstufe der frühen Amps waren im so genannten Selfbalancing- oder im Paraphrase-Style gestaltet. Bei Letzterem wird die Endstufe mit einer Triode angesteuert, während über einen Voltage-Divider dasselbe Signal über die zweite Röhrenhälfte mit geringerem Signal angesteuert wird. Dies hatte jedoch den Nachteil, dass die Balance der verwendeten Röhren so wichtig war, dass einige Röhren einfach nicht verwendet werden konnten, da sie diese Balance nicht bieten konnten. Dies führte zu sogenannten Übernahmeverzerrungen, die den Eindruck erwecken, dass der Verstärker bzw. der Ausgangsübertrager defekt sei.

So einen Amp hatte ich gerade auf der Werkbank. Ich konnte mir zunächst nicht erklären, warum er so schrecklich klang. Keine Leistung und eine furchtbar matschige Verzerrung – bis ich anfing, verschiedene Röhren zu testen! Hat man die richtige (per Zufall) gefunden, läuft der Amp wieder stabil. Das TV-Front-Design wurde ab 1952/53 gegen ein Widepanel ersetzt, bei dem man schon die spätere Gehäusegestaltung erahnen kann, der obere und untere Teil der Front aber breiter waren. Die Schaltung wurde aber im Wesentlichen beibehalten. Diese Modelle hießen 5B3 und 5C3. Ich habe gerade zwei davon zuhause zur Wartung und musste feststellen, dass sie absolut identisch sind.

1954 Fender Tweed Deluxe

1954/55 verschwand die 6SC7 Röhre (5D3) in der Vorstufe und wurde durch das klassische 12AY7- und 12AX7-Design ersetzt. Diese Röhren kamen damals von RCA und sind bis heute erste Wahl für die Tweed-Serie von Fender. Sie haben etwas weniger Gain als moderne Modelle und klingen deutlich klarer und definierter, was diesen Amps einfach sehr gut steht.

Circa 1956 kam dann das berühmte Narrow-Panel-Gehäuse sowie die legendäre 5E3-Schaltung. Jetzt hatten diese Amps einen so genannten Splitload-Phasendreher, eine Vorstufen-Doppeltriode für beide Kanäle sowie eine halbe 12AX7-Gainstufe vor dem Phasendreher. Dieses Modell hatte mehr Höhen und etwas mehr Lautstärke als die Vorgänger, was zu seiner Berühmtheit beitrug. Die beiden 5B3- und 5C3-Amps bei mir zuhause klingen weiter aufgedreht wie ein alter Plexi-Marshall im Bass-Kanal.

Dunkel, fett und überragend punchig. Ideal etwa für die typischen ZZ-Top-Sounds. Der 5E3 hat dagegen einen etwas größeren Headroom, schönere Höhen und präsentiert sich daher wesentlich vielseitiger. In dieser Ausführung wurde der Amp bis 1960 gebaut und dann von dem zweikanaligen Brownface Deluxe abgelöst.

1960 Fender Tweed Deluxe

Alle Deluxe Amps der Fünfziger wurden mit Jensen-Alnico-Speakern bestückt. Am häufigsten findet sich das P12R-Modell, ein hervorragender Lautsprecher, der aber nur circa 10-12 Watt Belastbarkeit bot und damit recht schnell an seine Grenzen geriet. Heute, nach manchmal mehr als 70 Jahren funktionieren die meisten dieser Speaker leider nur noch dürftig. Die recht dünne Membran hängt durch und berührt im Betrieb die Schwingspule (Kratzen im Ton), ist ausgeleiert, oder die Magnetladung ist nahezu verschwunden und es fehlt den Speakern der kräftige Antrieb.

In der Regel müssen sie überarbeitet werden. Aber auch dann ist die Gefahr eines Ausfalls immer noch hoch und der Ton leider recht müde und schlapp. Daher werden diese Speaker in der Regel gegen neuere Modelle getauscht. Für einen eventuellen Wiederverkauf sollte man die Originale trocken und geschützt einlagern und damit den Verstärker komplett halten. Welche Speaker zum Austausch geeignet sind, werde ich in einer gesonderten Kolumne behandeln.

Die Tweed Deluxes aus den Fünfzigern werden heutzutage recht hoch gehandelt. Für einen 5E3 in sehr gutem Zustand werden bisweilen 10.000 Euro oder mehr aufgerufen. Für die Vorgänger 5B3, 5C3 und 5D3 oft schon 7.000 bis 8.000 Euro, je nach Zustand. Beim Kauf sollte man unbedingt darauf achten, dass die Trafos noch original sind, denn die sind klanglich durch nichts zu ersetzen.

Anders verhält es sich bei den Kondensatoren, die auch hier altersbedingt oft nicht mehr funktionieren. Diese Amps waren zuerst mit roten Jupiter-Kondensatoren, aber ab 1956 mit den überragenden Yellow-Astron-Typen bestückt. Die meisten dieser Kondensatoren sind allerdings weit über ihre Nennwerte hinaus gedriftet oder „undicht“ geworden. Das heißt, sie sperren Gleichstrom nicht vollends. Dadurch gerät eine kleine Restspannung auf das dahinterliegende Potentiometer, das dann kratzt. Sind die Astron-Netzteil-Elkos nicht ersetzt worden, sollte man das sofort nachholen, denn die sind nach 70 Jahren garantiert hinüber. Der Amp hat dann keine Leistung mehr und brummt. Man kann ja auch hier die Originale aufheben für einen eventuellen Wiederverkauf.

Ansonsten spielen natürlich der Zustand des Tweed-Bezugs und des Gehäuses eine entscheidende Rolle bei der Wertbeurteilung. Oft sind auch die alten Ledergriffe brüchig oder bereits abgerissen. Hier sollte ein Austausch aber kein Problem darstellen. Nach so vielen Jahren gibt es eben ein paar Verschleißteile.


(erschienen in Gitarre & Bass 05/2024)

Kommentar zu diesem Artikel

  1. 7.000,- bis 10.000,-€ für einen alten gebrauchten Röhren-Combo-Amp ist schon eine ganze Menge Geld. Da freue ich mich doch viel mehr über meinen neuwertigen Fender Hot Rod-Deluxe Combo,der auch richtig super klingt!

    Ich finde es übrigens sehr schade,daß ihr nicht wenigstens einmal über den alten Starfield/made by Ibanez VT-50 Watt Vollröhren-Combo Verstärker aus den 1990er-Jahren berichtet. Der wog schon damals satte 20kg,war extrem robust gebaut,und wurde noch in Leedes/GB in kleiner Stückzahl gefertigt!

    Laut Aufdruck auf der stabilen Rückwand war es sogar ein Handbuild Custom Amp. Leider war die Zeitspanne und die Stückzahl dieses besagten Combos vermutlich so kurz,daß er bis heute so unbekannt blieb. Als Lautsprecher diente ein 12“Zoll Celestion Typ aus dem englischen Ipswich. Ich besitze noch solch einen soliden „Würfel“,der sehr nach einem alten Marshall Combo klingt. Wer,außer mir,kennt diesen Starfield VT-50 Combo eigentlich noch?

    Vermutlich ist dieser Combo mittlerweile so selten geworden,daß wohl nur noch echte Insider damit etwas anfangen können.

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