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Blues Bootcamp: Minor Blues meets Pat Martino

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Greetings and salutations, my dearest Blues friends! Na, wie haben euch die ersten beiden Chorusse des Solos meines Songs ‚Bossa For Burt‘ gefallen?

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Dieser Song ist übrigens meinem besten Freund, dem Wuppertaler Jazz-Gitarristen Bert Fastenrath gewidmet, dem einzigen Gitarristen, auf dessen Meinung ich seit ein paar Jahrzehnten überhaupt etwas gebe. Bert war schon lange vor mir ein brennender Anhänger Pat Martinos, der mir mehrfach dessen Buch ‚Linear Expressions‘ ans Herz gelegt hatte, bevor ich es dann irgendwann endlich geschnallt und den enormen Nutzen dieses Werkes vor allem für Jazz-Anfänger verstanden habe.

Erinnert ihr euch noch an die Ausgabe 11/23, wo es um das „Convert To Minor“-Konzept mit den etwas längeren Jazzlines ging, die Pat Martino „activities“ nennt? Zur Erinnerung – das Konzept besteht darin, dass Pat Martino in diesem Buch fünf lange Jazzlines über einen dorisch interpretierten Moll7 vorstellt, die außerdem noch genauso gut für ausgewählte andere Akkorde funktionieren.

CONVERT TO MINOR – LEVEL 2

Der erste Schritt war, die Lines zu lernen und über die empfohlenen Akkorde zu üben. Laufen die Biester mittlerweile einigermaßen flüssig? Wie schon angekündigt, war dies allerdings nur der Einstieg in das Thema. Der nächste Schritt ist, die Akkorde eines Liedes oder einer Akkord-Progression nun nicht mehr nach Dur oder Moll zu klassifizieren, sondern sich zu fragen, zu welcher dorischen Tonart sie gehören und dann die Activities bzw. Ausschnitte davon zu spielen. Letzteres ist besonders erwähnenswert, da auch Pat Martino sie nicht unbedingt verpflichtend komplett spielt, sondern auch gerne mal nur Fragmente der Lines, oder in anderen Lagen als denen, die man im Buch findet. Kann er ja auch machen.

Sind ja seine Lines. Eine recht überschaubare Akkordfolge wie ein Mollblues ist ein super Einstieg, um das „Convert To Minor“-Konzept auf ein Stück anzuwenden. Wie in der letzten Episode dieser Serie erwähnt, ist es im Jazz ja nicht unüblich, Moll7-Akkorde als dorische Stufenakkorde zu deuten. Von diesen Akkorden gibt es ja einige in dieser Form. Das bedeutet also, dass man in unserem Fall über Cm7-Akkorde Activities in C spielt und über Fm7-Akkorde Activities in F. Vorzugsweise in einer Griffbrettregion, damit es schön klingt.

Nach Pat Martinos Tod im November 2021, lagen irgendwann in 2022 die Aufnahmen für ‚Bossa For Burt‘ an, und irgendwie war klar für mich, dass es passend wäre, nochmal deep mit PM zu gehen und für das Gitarrensolo ein paar seiner Konzepte aufzugreifen. Über viele, viele Jahre waren Don Mock, das GIT und Pat Martino ein Dauerthema, wenn ich mit Bert „Burt“ Fastenrath unterwegs war. Also habe ich für die Aufnahmen meine schwarze Les Paul Custom geschnappt und losgelegt. Warum gerade diese Gitarre? Zu Anfang spielte Pat Martino so ein Instrument.

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In Beispiel 1 findest du nochmals die Akkordfolge des Soloteils.

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Beispiel 2 enthält einerseits die verwendete Activity in A-Dorisch, so wie ich sie in Ausgabe 11/23 vorgestellt habe, sowie eine in die Tonart transponierte Version, in der ich sie in dem Solo verwendet habe.

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In der Transkription von Chorus 1 (Beispiel 3) habe ich hinzugefügt, auf welche Activity sich der jeweilige Ausschnitt bezieht. In der Regel fange ich, ähnlich wie Pat Martino, nicht mit dem Anfang der Activity an, sondern nutze die Teile, die für mich am attraktivsten klingen, was häufig die mittleren Passagen sind. Weitere Besonderheiten des ersten Solodurchgangs sind:

Takt 4: unser guter, alter Bekannter für alterierte Akkorde, das Terz-b9-Lick (diesmal abwärts).

Takt 9: der Ab7-Akkord ist ja ein nicht funktionaler Dominant-Septakkord. Das heißt, er löst sich nicht auf eine Tonika in Dur oder Moll auf (in diesem Fall Db-Dur oder -Moll). Im Jazz wird in dieser Situation auch gerne der vierte Modus der melodischen Molltonleiter Mixo#11 bzw. Lydisch b7 benutzt. Hier auch. Über Ab7 spiele ich hier Eb-melodisch-Moll in Form eines Cm7b5-Arpeggios.

Takt 11: Ebmaj7 über Cm7, angereichert mit etwas Chromatik. Einer meiner Lieblings-Licks.

THE EARLY 70S – ROCK GOES JAZZ & JAZZ GOES ROCK

In Chorus 2 des Solos habe ich ein weiteres Stilmittel Pat Martinos benutzt: Martino wird oft als einer der Pioniere des Jazz Rock genannt. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass er regelmäßig Repeating Patterns einsetzte, die in den 70ern ein stark stilprägendes Element des (Classic) Rock und im Jazz in dieser Form nicht populär waren. Eric Clapton, Alvin Lee, Ace Frehley, Jimmy Page, Carlos Santana, Jeff Beck und viele mehr, haben sie als Element eingesetzt, um lange schnelle Passagen zu spielen.

Lange schnelle Lines zu spielen, wie man es heute gewohnt ist, war damals für den Rock noch nicht wirklich erfunden. Mein Lieblingsmoment Pat Martinos – was dieses Stilmittel betrifft – ist übrigens die legendäre Live-Aufnahme von ‚Sunny‘ vom ‚Pat Martino – Live‘ Album (1972). Unfassbar, wie er durch seine Repeating Licks in der Mitte des Solos die Spannung maximal steigert, bevor er wieder in rasante Lines einsteigt. Atemberaubend. Immer wieder.

Ich habe ‚Sunny‘ und auch ‚Bossa For Burt‘ mal auf die Spotify-Playlist gesetzt. Enjoy. So viel für heute. Viel Erfolg beim Üben und auch sonst so. Haltet durch und bleibt echt. Immer.


(erschienen in Gitarre & Bass 05/2024)

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