It Won‘t Get Loud Anymore

Ein Nachruf auf Bernd C. Meiser, 1959 – 2024

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Bernd C. Meiser, 1959 – 2024 (Bild: Dirk Wacker)

Bernd Meiser ist am Morgen des 30. Juli 2024 verstorben. Die Nachricht von seinem Tod erreichte mich im Studio, wo normalerweise immer ein Pedalboard mit zwei Effektpedalen vor mir liegt, die es ohne Bernd nie gegeben hätte.

Ich war gerade allein im großen Aufnahmeraum, als Bernds Frau Steffi mir am Telefon die Nachricht überbrachte. Noch während des Gesprächs begann in meinem Kopf ein Film abzulaufen, der unsere über 20-jährige Zusammenarbeit Revue passieren ließ. Trotz aller Betroffenheit und Traurigkeit erinnerte ich mich dabei sofort an den besonderen Moment, als Bernd und ich uns kennenlernten, einen Augenblick, der sein Leben und Wirken nachhaltig prägte.

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Denn im April 2001 war in Gitarre & Bass ein Testbericht über das Reverend-Drivetrain-Overdrive-Pedal erschienen. Der Autor: ich. Kurz nach Erscheinen der Ausgabe erreichte die Redaktion eine Mail, in der in harschen Worten einige Ungereimtheiten in der technischen Beschreibung des Reverend-Pedals kritisiert wurden. Absender: Bernd C. Meiser…

Zähneknirschend musste ich Bernd zustimmen, fragte ihn aber gleichzeitig, ob er sich vorstellen könne, Kolumnen über Effektpedale für uns zu schreiben. Er antwortete, dass er sich das sehr gut vorstellen könne. Bernd gab sein Debüt als Autor der neuen Serie „Effektiv!“ mit einer mehrteiligen Reihe über den Ibanez Tube Screamer.

Seine ausführlichen Artikel über die Geschichte des Pedals, die technischen Unterschiede der verschiedenen Modelle und einfach umsetzbare Modifikationsvorschläge setzten einen neuen Maßstab in der Musikwelt und der begleitenden Presse. Denn in der Form und mit dieser Kompetenz hat bis dato niemand über Effektpedale berichtet.

Kollegen unter sich: Bernd C. Meiser und Udo Pipper
Kollegen unter sich, Teil 2: Bernd und Heinz Rebellius

Bernd Meiser war auf einen Schlag in der Pedal-Community angekommen, „Effektiv!“ wurde zur Kult-Serie − und Bernd war, das wurde mir schnell klar, in seinem Element! Nahezu alle Effekt-Klassiker wurden von ihm in die Mangel genommen, Bernds Fundus schien unerschöpflich und sein gigantisches Wissen über die technischen Zusammenhänge dieser Geräte einzigartig.

All die Jahre oblag es mir, seine Artikel zu redigieren. Und das war keine einfache Aufgabe, denn Bernds in bestem Techniker-Deutsch geschilderten technischen Zusammenhänge mussten so modelliert werden, dass auch ein Otto Normalverbraucher wie ich die Zusammenhänge verstehen konnte.

Bernd, was habe ich von Dir in dieser Zeit lernen können… Wie oft saß ich vor einem gerade reingekommenen Artikel und habe erstmal nur Bahnhof verstanden − und dann nach und nach mit Dir zusammen die Zusammenhänge aufgedröselt. Unsere Zusammenarbeit bei Gitarre & Bass begann 2001 mit einem Artikel über ein Ibanez-Pedal, den Tube Screamer. Und sie endet jetzt, 23 Jahre und 106 (!) Artikel später, abrupt mit einem Artikel wiederum über ein Ibanez-Pedal, den Jet Driver.

Bernds erste Kolumne für Gitarre & Bass, im Oktober 2001

BSM

Angespornt durch die überaus positiven Reaktionen auf seine Artikel gründete Bernd am 1. Mai 2002 seine Firma BSM, ein Kürzel für Bernd und Steffi Meiser. BSM entwickelte sich rasch zu einem Eldorado für alle, die auf der Suche nach dem perfekten, klassischen Rock-Sound waren. Und viele konnten ihre Suche dank BSM-Pedalen beenden.

Das erste BSM-Pedal: Das RM, Bernds Version des klassischen Rangemaster Treblebooster (Bild: BSM)

Wie kein anderer erkannte Bernd die Zusammenhänge, in denen diese klassischen Rock-Sounds entstanden sind, wie kein zweiter war er in der Lage, diese Zusammenhänge bereits im Kopf in Schaltpläne zu modellieren und später an der Werkbank in einem Pedal zu manifestieren.

Wenn man einmal das Treblebooster-Angebot von BSM mit dem anderer Herstellern vergleicht, kommt man nicht umhin festzustellen, dass Bernds Ansatz ein völlig eigener war. Während die meisten anderen einen Treblebooster für alle Fälle bereitstellen, baute Bernd jeder Nische ihren eigenen Treblebooster! Nur so konnte er dem eigenen, kompromisslosen Anspruch an seine Arbeit gerecht werden.

Bernd, 2021 als Gast in Thomas Blugs „Academy Of Tone“, Folge 79, auf YouTube. Das Thema war: Treblebooster Special – Technology, History + Tones. Sehr zu empfehlen!

Zu seinem absoluten Themenschwerpunkt entwickelte sich Ritchie Blackmore. Die Historie Blackmores in all ihren verschiedenen Phasen lässt sich allein an der Palette der BSM-Booster ablesen, die Bernd zur Erreichung der jeweiligen Blackmore-Sounds entwickelt hatte. Fast ein Dutzend unterschiedliche Booster fangen die Sounds des Rock-Rüpels (O-Ton Meiser) ein. Kein Wunder, dass sich die Detailverliebtheit und die schiere Qualität der BSM-Pedale auch international herumsprachen.

Die einzelnen Fan-Lager, insbesondere die von Ritchie Blackmore, sind global breit aufgestellt, und man war entzückt, was da aus einem kleinen Dorf an der Grenze der Pfalz zum Saarland entwickelt und in die weite Welt geschickt wurde.

Neben Blackmore zollte Bernd auch anderen Gitarrenhelden der Siebziger und Achtziger in Form von passenden Boostern seinen Tribut: Rory Gallagher, Brian May, Roger McGuinn, Steve Marriot, Mick Ralphs, Ron Wood, Michael Schenker, Andy Powell, Gary Moore, Angus Young… für jeden Held mindestens einen Booster.

Twangtone® & BSM

Bernd und BSM – das war immer eine One-Man-Show, denn enge Zusammenarbeit mit anderen war einfach nicht sein Ding. Trotzdem hatte er ein offenes Ohr, als ich ihm meine Idee für eine Kooperation vorlegte. Über die Jahre hatte ich intensiv nach dem Neil-Young-Sound gesucht, den ich mit den auf dem Markt erhältlichen Pedalen nicht erreichen konnte. Durch das Redigieren von Bernds unzähligen Artikeln hatte ich jedoch gelernt, dass er in der Lage war, Sounds regelrecht zu „lesen“ und sie in Schaltpläne und letztendlich in Pedale zu übersetzen. Warum sollte das nicht auch bei diesem Young-Sound möglich sein?

Ich schickte ihm einige YouTube-Links, bei denen der typische Neil-Young-Sound besonders deutlich in Erscheinung trat − und kurze Zeit später war dieser Sound dechiffriert, in ein Schaltbild umgesetzt und die Grundlage für unser erstes gemeinsames Projekt geschaffen, das Twangtone® by BSM Powderfinger.

Das erste BSM-Produkt für Twangtone®: Das Powderfinger stellt Neil Youngs Sound nach. (Bild: BSM)

Einige Jahre später wagten wir uns an ein besonderes Pedal, das ein bedeutender Schritt für alle Beteiligten werden sollte. Das Twangtone® Manifesto war eine Herzensangelegenheit von Bernd, denn erstmals hat er nicht einen klassischen Sound der Musikgeschichte in ein Pedalformat transferiert, sondern beide Schaltkreise dieses Dual-Drive-Pedals von Grund auf neu konzipiert, um seine persönlichen Sound-Favoriten zu erreichen. Auf der rechten Seite eine Art Preamp, der den Grundsound auffrischt und eine großartige Dynamik ins Spiel bringt, auf der linken Seite eine Overdrive-Schaltung, die eine Endstufen-Sättigung herausragend abbildet.

Mit dem Twangtone® Manifesto beschritt Bernd neue Wege, sowohl in der Schaltung als auch in der Produktion. (Bild: Manuel Ammon)

Erstmals brach Bernd für die Produktion des Manifesto sein One-Man-Konzept auf. Bernd selbst blieb natürlich weiterhin der technische Vordenker, der seine wie immer vergossenen Schaltungs-Module selbst herstellt, aber Design, Endmontage und Marketing übernahmen nun andere Leute.

Dieses Pedal symbolisierte für Bernd, da schon von der schweren Krankheit gezeichnet, einen Aufbruch in eine stressfreiere Zukunft, in der er seine neue Rolle als ausschließlicher Mastermind genießen wollte.

Wir hatten sogar schon neue Projekte im Köcher, die nach dem gleichen Produktions-Muster entstehen sollten: Ein Fuzz namens Fyrebyrd samt dem Bass-Fuzz Thunderbyrd, sowie ein Projekt, das den unvergleichlich kaputten Fuzz-Sound von Hound Dog Taylor umsetzen sollte. Als ich Bernd diesen Sound vorschlug, hätte ich nie gedacht, dass der alte Rocker sich dafür interessieren könnte. Aber weit gefehlt − denn schon bald schickte Bernd mir die ersten Diagramme und hatte Insider-Infos über Hound Dogs Kawai-Gitarre und deren Pickups eingeholt.

Ich hatte die Hoffnung, dass der Weg hin zu einem sensationell klingenden Blues-Fuzz gar nicht mehr so weit war. Doch dazu kam es dann leider nicht mehr.


Lieber Bernd,

ursprünglich hatte ich vor, oben über etwas völlig anderes zu schreiben. Ich wollte über das Gefühl der Leere sprechen, das mich seit gestern erfüllt, und über die Perspektive, nun für immer ohne den Menschen zu sein, der sich geduldig meine manchmal verrückten Pedal-Ideen anhört und sie als sinnvoll oder eben sinnlos beurteilt.

Und was soll jetzt aus unseren „Babys“ werden, den Powderfingers, den Manifestos und all den anderen Projekten, die noch kommen sollten? Ich habe keine Antwort darauf. Ich weiß nur, dass ich mir diese Vorhaben ohne den größten Experten, den ich kenne, und noch mehr ohne den Menschen, der du warst, einfach nicht vorstellen kann. Deine Ecken und Kanten fehlen mir jetzt schon, ebenso wie die Herzlichkeit und die Intensität, die Dich so besonders machte.

Ich hatte so sehr gehofft, dass die Zusammenarbeit an unserem Manifesto und die dabei gewonnenen Perspektiven dir die Kraft hätten geben können, dem Krebs ein wenig Hoffnung entgegenzusetzen. Aber leider war es wohl schon zu spät dafür.

Die letzten beiden Jahre waren unglaublich hart für Dich, und im Rückblick bewundere ich umso mehr deinen Elan, gerade in dieser schwierigen Zeit. Und ich werde nie den Stolz vergessen, mit dem du mir den Prototyp des Manifesto übergeben hattest.

– Dein Heinz

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Danke Heinz,

    danke für diesen tollen Bericht über einen ebenso tollen Menschen. Ich kannte Bernd sehr gut und als absolut sympathischen Menschen, mit einem Wall von technischen Informationen. Welch ein geballtes Wissen!
    Ich hatte Bernd vor sehr langen Jahren kennengelernt, als er bei meinem Kumpel Jürgen Rath war. Die Beiden verstanden sich sehr gut und fachsimpelten. Ich hatte damals aber keinen einzigen Ton dieser Technikersprache verstanden 😉
    Nach dem Tod von Jürgen (RIP) haben wir uns öfters mal getroffen und er hat mir sozusagen einen seiner Booster auf mich und meine Anforderungen abgestimmt. Das ist die Black Box. Werde ich immer ehren dieses Tool.

    Lieber Bernd, mach’s gut da oben, vielleicht ist es ja eine bessere Welt wie hier. Aber dennoch vermissen dich sehr sehr viele Menschen….

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  2. Danke für diesen Nachruf. Sehr traurig.

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  3. Danke Heinz, ein wunderbarer Nachruf. Es kann einen nur ermutigen, jede enthusiastische Minute des Lebens zu genießen. Meinen BSM RG und den Powderfinger werde ich in Ehren halten.

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  4. Ein sehr schöner Nachruf. Als ich vor einigen Jahren nach dem Kauf seines grandiosen RPA eine Frage (via eMail) zur Kombinierbarkeit des Treble Boosters mit Blug‘s AMP1 hatte, hat Bernd mir umgehend (!) geantwortet und viele Hinweise zu Looper usw. gegeben. Kompetent und stets hilfsbereit … so war mein Eindruck! Bernd war „On Mission“! Er wird fehlen 🙁
    Mein aufrichtiges Beileid für seine Frau und für seine Familie und Freunde.
    Ruhe in Frieden, Bernd Meiser!

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  5. Danke für den Nachruf,
    und mein herzliches Beileid auch für seine Frau und Familie.
    Ich habe Bernd leider nur aus der Gitarre&Bass gekannt,
    aber habe viele Tunings (gerade auch Tubescreamer) von Ihm umgesetzt.
    Auch ich werde Ihn und seine Beiträge in Gitarre&Bass sehr vermissen.

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  6. Vielen Dank für den schönen Beitrag über eine große Koryphäe. Ich musste allerdings bei Bernds Artikeln immer mit einem Schmunzeln an Alan Greenspans Zitat denken: „Wenn Sie glauben, mich verstanden zu haben, dann habe ich mich falsch ausgedrückt.“.

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  7. Danke für den schönen Nachruf … Mir hat Bernd mal auf Anfrage die Besonderheiten der Schaltung eines Marshall 4001 sehr verständlich und detailliert erklärt. Iwann in der Effektiv Serie mal den Boss Turbo Overdrive entsprechend modifiziert und das Ding klingt immer noch super vor einem Non-Master Amp. Anfang der 2010-er Dekade dann auf der Messe über Treblebooster fachgesimpelt, dann den RG Booster gekauft und … Tja. Das Leben geht zu schnell vorbei, wieder ein Anlass mal nachzudenken.
    Ruhe in Frieden, Bernd Meiser!

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