Hey – eigentlich ist längst Feierabend! Aber schon seit Stunden schaut mich diese fesche, freche La Cabronita keck von der Seite an. Ich spüre, sie will endlich gespielt und getestet werden. OK, ich gebe mich geschlagen, stelle meine Lieblingsgitarre in die Ecke und gehe mit El Cabronita dann eben mal kurz fremd …
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Die Geschichte der La Cabronita ist eine moderne Erfolgsstory, wie sie im heute oft ausgereizt erscheinenden Gitarren-Business selten genug vorkommt. 2010 erschien das Modell erstmals, als teure Pretiose des Custom Shops. Es war auf den Namen La Cabronita Especial getauft und schlug ein wie eine Bombe! Die Mischung einer optisch auf rustikal getrimmten Tele mit einem oder zwei Gretsch- bzw. T.V.-Jones-Pickups elektrisierte die Tele-Massen, vor allem die, die sich nie eine Custom-Shop-Tele hätten leisten können. Die forderten nun vehement günstigere Versionen dieses Krachers – und bekamen sie schon bald in Form der Telebration La Cabronita, gebaut von Fender USA und preislich in der Mittelklasse angesiedelt – was für viele immer noch zu teuer war. So gab es schon bald eine Made-in-Mexico-Version, und nun ist man mit der Squier El Cabronita in der Vintage-Modified-Version relativ weit unten an der Fahnenstange angekommen. Sie ist die bislang günstigste Version. Doch damit noch längst nicht genug – die La-Cabronita-Familie ist im Laufe der letzten zwei Jahre um einige Thinline- und Bass-Modelle erweitert worden und Parts-Hersteller wie z. B. Warmoth bieten sogar schon La-Cabronita-Bodies an! Und unserem Einsteiger-Testmodell in die Cabronita-Welt steht zu allem Überfluss sogar noch eine baugleiche Version inkl. Bigsby zur Seite. Arriba, vamos!
Squier Vintage Modified La Cabronita Telecaster – la construcción
Optisch gibt sich die El Cabronita ganz dem ursprünglichen Custom-Shop-Design hin – eine kleines Schlagbrett, zwei Pickups in der beliebten Gretsch-Optik, ein Einteiler-Steg mit sechs Saitenreitern, ein Master-Volume, ein Dreiweg-Toggle-Schalter. Mehr gibt‘s nicht, mehr braucht der Tex-Mex-Rocker eh nicht. Die Fideli’Trons spielen hier die Rolle der teuren T.V.-Jones-Pickups; sie sitzen auch schon in den La-Cabronita-Modellen aus Mexiko. Basswood dient als Korpusholz, was gar nicht mal die schlechteste Wahl ist, wenn man nicht gerade auf filigran zelebrierte Klangwelten aus ist, sondern den Amp zünftig zerren und jubilieren lassen will. Der einteilige Ahornhals kommt mit einem schlanken Profil und einem bequemen 9,5″-Radius, sowohl er als auch der Body sind nicht zu knapp mit Polyurethan-Lack versiegelt. Was der eher weichen Linde – Basswood ist Lindenholz – vielleicht sogar den nötigen Kick im Höhenspektrum verleiht, um Fender-typisch auftrumpfen zu können. Die Farbauswahl beschränkt sich auf Black, mehr gibt‘s nicht.
Squier Vintage Modified La Cabronita Telecaster – la práctica
War Billy Gibbons der erste, der eine La Cabronita öffentlich ausführte? Ich weiß es nicht. Aber wenn dem nicht so war, dann hätte es zumindest so gewesen sein können. Denn diese Gitarre haut einen mächtigen, brillant strotzenden Sound raus, der so gar nicht mit dem aufgerufenen Preis (unter € 300 im Laden!) harmonieren will. Denn das klingt richtig edel, wenn man rotzig als edel bezeichnen möchte. Gleich mal den Gurt 10 cm länger eingestellt, und nach ein paar weiteren Runden auf diesem Karussel bin ich immer noch begeistert. Die Squier La Cabronita liefert auch in dieser Gut-&-Günstig-Variante satte, immer leicht zum Zerren neigende Sounds – ob am Hals, wo ein dicker, filziger Crunch-Sound, der verdächtig nach Vintage Rock klingt, überrascht, oder eben am Steg, wo der bekannte Tele-Twang in XXL-Stiefeln einherschreitet und nach noch mehr Zerre verlangt. Und das ist sein gutes Recht, denn er hat reichlich Höhenpotential! Und auch die Konstruktion mit langer Mensur und diese Materialauswahl verhindern jegliche Undifferenziertheit. In bestimmten Pedal- und Amp-Kombinationen kann der Steg- Pickup zwar ein bisschen harsch rüberkommen, erreicht aber nie das Eierschneider-Potential so manch anderer Tele mit einem üblichen Tele-Steg-Pickup. Irgendwo muss die Grenze zwischen Squier und Fender erfahrbar und nachzufühlen sein, denn sonst würde sich der Konzern ja Konkurrenz ins eigene Haus holen. Mit Sicherheit klingt eine nitrogelackte Fender Custom Shop La Cabronita „besser“ als diese kleine Squier. Aber ist es nicht so, dass so manches billige Vergnügen einen höheren Erlebniswert beinhaltet als das teure? Diese Squier La Cabronita geht jedenfalls selbstbewusst keinem Vergleich mit anderen Cabronitas aus dem Weg und liefert dabei nicht nur umwerfende Rock-Sounds mit einer fast schon animalischen Qualität ab, sondern auch eine Bandbreite, die von kalifornischem Jingle-Jangle (clean, beide Pickups an) bis hin zu überzeugend röhrendem Tex-Mex-Rock reicht. „Das perlt“, würde Dittsche sagen.
Squier Vintage Modified La Cabronita Telecaster – el resultado
Die Telecaster wird seit 63 Jahren produziert, und lange dachte man, dass neben den unzähligen Modellen, die es bereits gibt, keine Nische mehr für eine neue Variante bereitstünde. Doch die La Cabronita hat bewiesen, dass es immer noch möglich ist, auch als Tele neue Wege zu beschreiten. Und dass die so vielen Gitarristen auch noch so viel Spaß bereiten, hat wahrscheinlich die Fender-Entwickler selbst am meisten überrascht. Auch die günstige Squier Vintage Modified La Cabronita hat ganz viel von dem Zaubertrank abgekommen, der aus einer normalen Tele eben dieses texanisch-mexikanische Ton-Monster macht. Sie macht Spaß, sie ist gut gegen die gitarristische Langeweile, sie inspiriert. Sehr empfehlenswert!