Akustik-Sounds von Brettgitarren? Ein heikles Thema, an dem sich bekanntlich schon einige Hersteller abgearbeitet haben. Jetzt widmet sich PRS dieser Aufgabenstellung, und da die Firma dafür bekannt ist, in der Regel keine halben Sachen zu machen, dürfen wir gespannt auf das Ergebnis sein …
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Natürlich ist die P22 nicht die erste PRS-Gitarre mit einem Piezo-System; die Hollowbody II und die Singlecut Hollowbody II können seit Jahren damit aufwarten. Aber – die P22 ist die erste Solidbody des Herstellers mit piezokeramischen Tonabnehmern. Übrigens heißt die P22, die uns hier zum Test vorliegt, korrekterweise P22ABCC1PPRTB. Hinter dieser kryptischen Bezeichnung verstecken sich die Features dieser Gitarre, wir liefern die Entschlüsselung:
P2 = P22 (Gitarrentyp)
2 = 22 Bünde
A = Adjustable Stoptail
B = Birds Inlays
C = Chrom/Nickel-Hardware
C = Curly-Maple-Decke
1 = 10-Top
P = mit Piezo-Pickup
PR = 53/10-Pickups u. Regular-Halsprofil
TB = Teal Black (Farbe)
Dann wäre ja alles klar soweit!
Konstruktion der PRS P22
Basis der P22 ist die Custom 22, die sich nicht mehr im aktuellen Programm des Herstellers befindet, also eine Gitarre mit Mahagonikorpus, stark gemaserter Ahorndecke – hier in der aufpreispflichtigen 10-Top-Ausführung – und einem Mahagonihals mit Palisandergriffbrett mit 22 Bünden. Angefangen bei den offenen Phase-III-Locking-Mechaniken über die wie hartes Glas wirkende, dünne Acryl/Nitro-Lackierung (V12) bis hin zu dem hauseigenen, einstellbaren Stoptail repräsentiert die P22 die Ausstattung der PRS-Serienfertigung mit all den neuen Features, die dieser Hersteller 2011 eingeführt hat. Dies schlägt sich auch in der Pickup-Bestückung nieder, denn hier werden die viel gelobten 53/10-Typen verwendet, die dritten in der Reihe derer, die mit einer netten Geschichte auf den Markt entlassen wurden.
Denn für sie wird Draht verwendet, der auf den alten Maschinen hergestellt wird, die bereits in den 50er-Jahren große Gitarren- und Pickup-Hersteller mit Draht versorgt haben. Wie wichtig diese Geschichte – und besagter Draht bzw. jene Maschinen – für den wirklichen Sound der neuen PRS-Pickups ist, mag jeder für sich selbst entscheiden. Fakt ist jedenfalls, dass die Pickups der Vintage-Reihe, als da sind 57/08, 59/09 und eben diese 53/10, für PRS einen Quantensprung darstellen, weil sie eben richtig gut klingen. Für den Draht der 53/10-Humbucker wurde in der Herstellung zudem ein bestimmter Prozessschritt verwendet, der genau so – wie PRS sagt – bei Singlecoils im Jahre 1953 durchgeführt worden ist. Mehr wird jedoch nicht verraten – und auch ein konkreter Hinweis darauf, welcher Singlecoil das wohl gewesen sein könnte, fehlt. Wer aber PRS, Paul Reed Smith selbst und seine Story kennt, wird keine Zweifel daran hegen, dass hier ein Gibson P-90-Pickup gemeint ist. Wie auch immer: Die 53/10-Pickups sollen laut Hersteller im Prinzip den eigenen PAF-Repliken 57/08 entsprechen, aber ein noch süßeres Höhenverhalten an den Tag legen.
Wir sind gespannt … und kommen zum Wichtigsten, dem P im Namen. P steht für Piezo, und Piezos finden wir im Stoptail, der hauseigenen Einteiler-Brücke. In Zusammenarbeit mit L.R.Baggs wurde ein neues, piezokeramisches System entwickelt, das technisch zwar dem entspricht, das PRS schon seit ca. 10 Jahren verwendet, dessen Elektronik aber um mehr als 60% in seinen Dimensionen geschrumpft ist, sodass sie ohne Probleme in das Elektronikfach einer Solidbody passt. Der Zugang zur 9-V-Batterie, deren Strom die Elektronik versorgt, befindet sich auf der Buchsenplatte – oder soll ich besser sagen: Anschlussfeld? –, auf der auch die beiden Ausgangsbuchsen liegen. Denn das Signal beider Pickup-Systeme lässt sich sowohl gemeinsam über eine, als auch getrennt über zwei Buchsen verstärken, was natürlich sinnvoll ist. Geregelt wird mit Master-Volume, Tone für die Magnet- und einem Volume-Regler für die Piezo-Pickups. Für die beiden Humbucker ist ein Fünfweg- Klingenschalter zuständig, der in den Zwischenpositionen zwei Singlecoil-Sounds abruft, während den Arbeitsstatus des Piezo-Systems ein kleiner Dreiwegschalter festlegt, der zwischen Piezo solo, Mix, und Piezo Aus entscheidet. Wie immer bei PRS ist also auch diese Schaltung komplex, aber übersichtlich und damit praxisgerecht aufgebaut.
Die PRS P22 in der Praxis
Mit Wide Fat und Wide Thin konnte ich im Leben an sich als auch in Sachen Gitarrenhals noch nie viel anfangen. Deshalb liegt mir denn auch das Regular-Profil, das dieser Hals bietet, bestens in der Hand. Der in der Gitarrenfarbe lackierte Halsrücken klebt auch bei schwitzigen Sessions nicht, wenngleich ich persönlich eine etwas aufgeraute, „holzige“ Oberfläche sympathischer fände. Aber das mögen andere vielleicht anders empfinden. Sattel und Bünde sind perfekt abgerichtet, auch die Bundkanten sind schön verrundet, sodass die Spielbarkeit keine Wünsche offen lässt. Und selbst im allerhöchsten (dem 22.) Bund lassen sich die Saiten noch relativ normal bespielen – besser geht es nicht.
Ich will zuerst wissen, wie das Piezo-System klingt, und schließe dazu neben meinen üblichen Test-Amps auch einen Akustik-Gitarren-Amp an. Und muss gleich sagen, dass dieser „Akustik“-Sound mich sehr positiv überrascht. Ein sowohl in der Lautstärke der einzelnen Saiten wie auch in den Frequenzen ausgewogener, sehr sauberer Sound ist da zu hören, der in seiner Qualität deutlich besser ist als z. B. der Piezo-Sound meiner Yamaha CPX-8, die mir als Vergleich dient. Hmm – erstaunlich, oder? Dass die P22 gar keinen Klangkörper hat und somit gar keine Luft bewegt wird, fällt überhaupt nicht auf. Wer mit den üblichen Attributen einer piezokeramischen Abnahme leben kann, der kann die P22 unbedenklich auch als Akustik-Gitarren-Ersatz einsetzen. Und kann davon profitieren, mit einem „flick of a switch“ in die E-Gitarrenwelt einzutauchen – und auch dort hat die P22 Außerordentliches zu bieten. Satte und offene Humbucker-Sounds der Oberklasse schicken diese beiden 53/10-Doppelspuler an den Verstärker.
Ich habe leider keine PRS mit 57/08-Pickups zum direkten Vergleich hier, aber auch neben meiner Gibson Les Paul – um mal einen Vergleich zu präsentieren – wirkt die PRS P22 mit ihren Pickups wie ein glaubhafter Vertreter der PAF-Abteilung. Der Soundcharakter der Gibson-Pickups wird erstaunlich gut getroffen, und die Unterschiede, die dennoch zu hören sind, sind eher der längeren Mensur und der unterschiedlichen Bauweise zuzuschreiben. So erscheinen alle Sounds der PRS im Gegensatz zur Gibson etwas präsenter, direkter und transparenter, ohne jedoch – wie gesagt – den PAF-Charakter zu verleugnen, der sich in einer gemäßigten Ausgangsleistung und einem runden, ja süßlichen Höhencharakter ausdrückt. Es scheint, dass die Tage der Kraftmeierei, die so manchen PRS-Pickup-Typ in der Vergangenheit kennzeichneten, vorbei sind – zugunsten eines weniger kompakten und drückenden, dafür aber deutlich musikalischeren Signals. Und dieses bekommt seine Glanzlichter aufgesetzt, wenn man das Piezo-Signal hinzumischt! Dabei ist die Abstimmung werksseitig so gut gewählt, dass der Piezo als solcher in der Mix-Stellung gar nicht wahrgenommen wird. Lediglich ein Zugewinn an Höhen und Obertönen wird registriert, und schaltet man die Piezos wieder weg, fragt man sich, wie man so viele Jahre ohne all diese feinen Höhen ausgekommen ist … Insbesondere bei cleanen Sounds fällt das Piezo-Signal sehr angenehm auf, je verzerrter die Verstärkung ausfällt, desto mehr tritt selbiges in den Hintergrund – was ja eigentlich stimmig ist. Wem die Abstimmung Magnet-Piezo-Pickups dennoch nicht gefällt, der kann zum einen den Piezo-Sound am eigenen Volume-Regler runterfahren, zum anderen aber auch grundsätzlich an einem Trim-Poti im Elektronikfach beeinflussen – PRS hat mal wieder an alles gedacht!
Resümee
Mit der P22 stellt PRS eine sehr souveräne Version des Themas Magnet- und Piezo-Pickups in einer Solidbody-E-Gitarre vor. Beide Tonabnehmer-Welten klingen alleine gespielt schon erstklassig und ergänzen sich in vielfältigen Kombinations-Sounds einfach perfekt. Wer den Druck und vollen Sound einer Humbucker-Gitarre braucht, aber gleichzeitig nicht auf ein reiches Höhenspektrum verzichten will, für den stellt die P22 ein Eldorado hervorragender Sounds dar. Wer live auf seine E-Akustik-Gitarre verzichten will, findet in der P22 eine gleichwertige Alternative und hat gleichzeitig eine hochklassige E-Gitarre mit überzeugenden PAF-Klangqualitäten am Start. Und das alles kommt in dem von PRS gewohnten First-Class-Mix von Verarbeitung, Qualität der Komponenten, Konstruktion, Konzeption und Spielbarkeit. Ein richtiges starkes Paket!
Übersicht
Fabrikat: PRS
Modell: P22
Typ: Solidbody-E-Gitarre
Herkunftsland: USA
Mechaniken: PRS Phase III, locking
Hals: Mahagoni
Sattel: Graphit
Griffbrett: Palisander, Birds-Einlagen, nicht eingefasst
Radius: 12″
Halsform: C-Profil, Regular Pattern
Halsbreite: Sattel 42,15 mm; XII. 52,10 mm
Halsdicke: I. 21,50 mm; XII. 23,50 mm
Bünde: 22, Medium-Jumbo-Format
Mensur: 635 mm
Korpus: Mahagoni, mit Ahorndecke (10 Top)
Oberflächen: V12 Finish, Teal Black (Optionen: 18 weitere Lackierungen)