Kleines Biest!

EVH 5150III 15W LBX Head im Test

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Eddies Liebling als Lunchbox. War ja zu erwarten, dass so etwas kommt. Ist ja schon länger en vogue, Ableger bulliger Muscle-Amps im handlichen Brotbüchsenformat anzubieten. Und ein schon geschrumpftes 50-Watt-Topteil erschien ja auch erst unlängst auf der Bildfläche. Die Mini-Version hier hat nun aber wirklich nur noch das Wesentliche an Bord.

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(Bild: Dieter Stork)

Konstruktion

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Papa EVH, das große 100 Watt-Topteil, steht austrainiert im besten Zwirn da. Soll sagen, er überzeugt tonal mit seiner Stimmgewalt und ist großzügig ausgestattet: drei vollwertige Kanäle mit eigenen Klangregelungen, Presence-Potis und individuellem Sound-Charakter, dazu ein serieller, fußschaltbarer FX-Weg und ein Preamp-Out. Klar, dass der Junior viel schlichter auftritt. Bei ihm teilen sich zwei Kanäle, oder sagen wir besser zwei Sound-Varianten, eine gemeinsame Klangregelung, der FX-Weg ist nicht schaltbar, doch auf den Resonance-Regler muss man nicht verzichten.

Es ist lediglich ein Lautsprecherausgang vorhanden, erfreulicherweise einstellbar auf alle drei üblichen Impedanzen (4, 8, 16 Ohm), was in dieser Amp-Kategorie keineswegs der Regelfall ist. Zu einem Lunchbox-Amp gehört − fast schon als Standard − eine Leistungsreduzierung, denn wer so einen Verstärker kauft, will ihn in der Regel vielseitig einsetzen können. Kein Problem, der EVH 5150III LBX ist gerüstet. Er erzeugt mit zwei EL84 nominal am Maximum 15 Watt. Mit einem Schalter an der Rückseite lässt sich die Power auf ein Viertel reduzieren. Die Bauweise gleicht der anderer Produkte aus dieser Kategorie. Ein Metallkasten mit einer aufgesetzten, angeschraubten Lochblechgitterhaube, alles aus solidem Stahlblech, simpel in der Konstruktion, aber durchaus adäquat.

Etwas Vorsicht ist beim Transport geboten, weil die Bedienungselemente ungeschützt hervorstehen. Es empfiehlt sich daher zumindest eine gepolsterte Tragetasche anzuschaffen. Der Elektronik des Amps sieht man an, dass rationelle Fertigung eine entscheidende Rolle spielt. Logisch, nichts anderes ist in der Preisklasse zu erwarten. An der Qualität der Bauteile wurde allerdings nicht gespart. Fast alles ist auf der großen Platine kontaktiert, die das Chassis komplett ausfüllt. Die Verarbeitung ist solide und vertrauenserweckend. Hätte EVH die Toggle-Schalter mit Zahnscheiben befestigt, damit sie sich wirklich auf keinen Fall lösen können, gäbe es nichts zu meckern. Ach doch: der Griff an der Oberseite ist derart zäh, dass man die Finger nur mit Mühe drunter bekommt. Das gibt sich hoffentlich mit der Zeit. Zum Lieferumfang gehören eine schlicht gehaltene Bedienungsanleitung, ein Netzkabel und ein Schaltpedal (ohne Status-LED) für die Fernbedienung des Kanalwechsels. Sein Anschlusskabel ist mit ca. 3,5 Meter Länge etwas knapp bemessen.

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Elektronik innen: Drangvolle Enge, aber absolut sauberer Aufbau (Bild: Dieter Stork)

Praxis

Nicht wahr, normalerweise geht man doch davon aus, dass ein zweikanaliger Verstärker eine Clean- und eine Lead-Sektion besitzt? Pah, das ist für Weicheier, damit hat der EVH 5150III LBX nichts am Hut. Kante ist angesagt, in beiden Kanälen „wütet“ offensive Distortion. Obwohl der Red-Kanal heißer wirkt, liegen die Unterschiede zwischen den Sound-Modes nicht so sehr in der Gain-Intensität als vielmehr in der grundlegenden Klangfarbe. Blaue LED, Blue-Channel, heißt nicht, dass sich der erdigere der beiden Kanäle nach Blues sehnt. Obwohl, ein Joe Bonamassa könnte wohl durchaus Freude finden an dem „bösen“ britischen Ton: Im positiven Sinne hart, kratzig in den Höhen, die Mitten nicht überbetont, es mischt sich Retro-Attitüde mit hohen Gain-Reserven, die ein sehr gesättigtes Klangbild erlauben, wobei der Ton nicht an Druck und Kraft verliert.

Mit der wuchtigen Sound-Formung geht allerdings eine gehörige Portion Intermodulationen in den tiefen Frequenzen einher. Es gibt Leute, die sagen „…das muss so im Retro-Timbre…“, aber es ist sicherlich nicht jedermanns Sache, wenn kritische Akkorde „parasitäre“ Frequenzen erzeugen. Im Zweifel sollte man mit der Verzerrungsintensität vorsichtig hantieren – was dadurch vereinfacht wird, dass der Amp günstig auf das Guitar-Volume reagiert. Eine wichtige Rolle spielt in dem Kontext auch der Resonance-Regler, weil er die Dynamik des Bassbereichs respektive die Intermodulationen feinfühlig zu variieren weiß.

Was der Blue-/Crunch-Channel zu leisten vermag, beschreibt bei vielen modernen Amps bereits das obere Ende der Gain-Struktur bzw. man findet dies als heißesten/dritten Sound-Kanal vor. Jau, die Abteilung „Red“ (Burn-Channel) legt noch erheblich nach. Sahnig komprimiert in den Mitten, mächtig im Volumen, ein Ton so fett wie er im Buche steht, trotzdem reich an Details und sensibel für die Spielweise. Noch mehr, noch freudiger als der Blue-Kanal, möchte der Red-Channel in Obertöne umkippen. Ein Nirwana für Brownsound-Addicts. Da ist es, dieses es-geht-fast-wie-von-selbst-Feeling, Resultat einer wirklich nicht alltäglichen Kombination: hohe Dynamik mit präziser, direkter Ansprache bei gleichzeitig gnädig-freundlichem Spielgefühl.

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(Bild: Dieter Stork)

Man muss sich drauf einlassen: Nicht reinhacken mit der Anschlagshand, entspannt bleiben, die Gain-Reserven nutzen (Achtung: die hohen Vorverstärkungen können sensible Pickups zum Pfeifen bringen). Also wissen wir jetzt, er ist durchaus ein kleines Tonmonster, dieser EVH 5150III LBX. Aber wie steht‘s mit der Leistung, 15 Watt? Nicht viel möchte man meinen. Von wegen, die Leistungsausbeute ist beeindruckend! Das kleine Topteil langt heftig zu, kann sehr laut werden. Der Amp treibt ohne Probleme 4×12-Boxen an.

Kleine Cabs sollten eine gesunde Basswiedergabe haben, sonst kann der EVH 5150III LBX seine Qualitäten nicht vollends freimachen. Das Sound-Volumen gewinnt im Übrigen, wenn man laut spielt, weil sich die Wiedergabe mit steigender Sättigung der Röhren aufbläht und intensiver atmet. Die Power-Absenkung auf etwa ein Viertel der Maximalleistung ermöglicht dies auch bei geringerer Lautstärke zu erleben, allerdings verschlankt sich das Klangbild merklich. Der EVH 5150III LBX formt grundsätzlich auch bei zahmer Zimmerlautstärke markant seine Sounds, das Klangvolumen wirkt aber doch dünner, hat weniger Energie im Bassbereich, während die Intermodulationen ins Dezente zurückweichen.

Indes, leise stellen ist fummelig, weil das auf den ersten 5% des Volume-Regelwegs stattfindet. Mein Tipp: ein Volume-Pedal in den FX-Weg einschleifen, oder schlicht (eingebaut in einer kleinen Alu-Box o. ä.) ein logarithmisches 25 – 50 kOhm Poti als zusätzliches Master-Volume. Das letzte Wort hat der Einschleifweg. Den hat EVH elegant konzipiert. Trotz des hohen Gain-Niveaus erreicht er bei Volllast des Amps gerade eben die 0dBGrenze (775mV). Im Prinzip können also auch Geräte mit niedrigerem Arbeitspegel, sprich Pedaleffekte verwendet werden. Außerdem ist die Klangqualität exzellent. Und, gibt es denn auch Minuspunkte? Nun, dass die Kanalumschaltung (Relais) ein hörbares, allerdings nicht aufdringliches Knacken erzeugt, spielt keine bedeutende Rolle.

Die Präsenz eines relativ hohen Grundbrummens (abhängig von der Position von Resonance) kann man auch wegstecken. Dass jedoch der Red-Channel im direkten Wechsel stets leiser wirkt als der Blue-Kanal, wirkt in dem Konzept ungeschickt. Red dürfte wohl meistens beim Solieren angesagt sein, und da wollen wir doch eher etwas Nachschub, oder?! Alternativen? Dem EVH 5150III LBX kann eigentlich nur einer das Wasser reichen, der Cousin aus der Peavey-Familie, der 6505 MH (Test in Ausgabe 01/2016). Im Ton ist der EVH voluminöser, für den 6505 MH spricht die umfangreichere Ausstattung bzw. ein deutliches Plus an Flexibilität.

EVH 5150III_04
(Bild: Dieter Stork)

Resümee

Die Kernfrage dieses Tests ist, ob die Lunchbox-Version die Tonalität des großen 5150- Topteils reproduzieren kann. Klare Antwort: oh ja, er kommt weit heran. Vor allem in Relation zum Preis. Absolut gesehen, im Vergleich zu Amps der Spitzenklasse, fehlt es dem kleinen natürlich doch etwas an Sound-Kultur. Es ist aber wirklich beeindruckend, was der EVH 5150III LBX an Tonvolumen und Energie stemmt. Er hat viel von der wilden, ungestümen Art des großen Topteils und ist klanglich erfreulich variabel. Eine Empfehlung für High-Gain-Hard-Rocker und Metal-Gitarristen.

 

Plus

  • Sound, Variabilität, starker Charakter
  • Dynamik, obertonfreundlich, harmonisches Zerrverhalten
  • Hohe Leistungsausbeute
  • Funktion des FX-Weges
  • Verarbeitung/Qualität der Bauteile

Minus

  • Red-Kanal, leiser als Blue-Kanal
  • Hohe Grundbrummen
  • Störrischer Griff

 

EVH 5150III_profil

 

Hinweise zu den Soundfiles.

Für die Aufnahmen kam ein C414 von AKG zur Verwendung, nahe platziert vor der Membran eines Vintage 30-Speakers/Celestion in einem hochwertigen 4×12-Cabinet.

Die Clips habe ich pur, ohne Kompressor o. jegliche EQ-Bearbeitung über das Audio-Interface Pro-24DSP von Focusrite in Logic Pro eingespielt. Ab und an steuert das Plug-In „Platinum-Reverb“ Raumsimulationen bei (im Titel kenntlich gemacht durch den Zusatz „Room“ oder „RVB“).

 

Clip 1 bis 4: Der Sound-Unterschied zwischen den beiden Kanälen  ist nicht groß.   In den ersten beiden Clips  hören wir den Channel-1-Blue während #3 und #4  den etwas heißeren Channel-2-Red präsentieren. Die kleine Kiste tönt ganz schön mächtig, nicht wahr?

Die Clips #5 und #6 verdeutlichen den Unterschied im Klangcharakter der beiden Kanäle.  So wie es das Mikrofon einfängt, ist es auch wenn man den Amp in natura erlebt:  die Unterschiede halten sich in Grenzen.

 

Clip  #7 präsentiert mein Referenz-Riff“ (RefRiff), das ich mit jedem Test-Amp/-Distortion-Pedal einspiele, damit man den Charakter der von uns getesteten Produkte gewissermaßen auf einer neutralen Ebene vergleichen kann.

Ich wünsche viel Vergnügen, und…,  wenn möglich, bitte laut anhören, über Boxen, nicht Kopfhörer! ;-).

 

Fragen, Anregungen  und  ja, auch Kritik sind wie stets willkommen. Nachrichten bitte an frag.ebo@gitarrebass.de.  Es klappt nicht immer,  aber ich werde mich bemühen möglichst kurzfristig zu antworten.

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